Die Elben beherbergen uns mit großer Gastfreundschaft. Binnen weniger Tagen sind unsere Wunden geheilt und unsere Seelen mit neuem Mut gestärkt. Nichts Böses dringt in dieses Tal vor und die Abende sind mit Geschichten, Liedern und gutem Essen erfüllt. Elrond hat mir gestattet, mich frei in Bruchtal zu bewegen, und ich nehme dieses Angebot nur zu gerne wahr. Jeden Tag erkunde ich ein anderes Areal dieses wunderschönen Hauses und lasse die Schönheit und Ruhe, die von ihnen ausgeht, auf mich wirken. Da gibt es friedliche Innenhöfe mit plätschernden Brunnen, belebte Gemeinschaftsräume, in denen Gesang und lustige Stimmen vorherrschen und Gärten, in denen verschiedene Blumen, Kräuter und Pflanzen jeglicher Gattung, die ich in meinem Leben noch nie gesehen habe, wohlriechend in voller Pracht stehen. Steinerne Terrassen erlauben einen weiten Blick über das Flusstal und steinerne Bänke mit bauschigen Kissen laden zum Verweilen und träumen ein.
Eines sonnigen Tages betrete ich einen Bereich, von dem eine gewisse Wichtigkeit auszugehen scheint. In seiner Mitte steht die große Steinfigur einer wunderschönen Elbin, die auf einem sorgfältig mit Seidentüchern ausgelegten Tablett, ein in mehrere Stücke zerbrochenes Schwert zu präsentieren scheint. An den Wänden um sie herum entdecke ich kunstvolle Malereien, die verschiedene Szenen einer anscheinend bedeutenden Schlacht abbilden. Langsam trete ich an eines von ihnen heran, dass eine dunkle, bedrohlich aussehende Gestalt mit glühenden Augen abbildet, die über einen auf den Boden liegenden Menschen gebeugt ist, der ihr abwehrend ein zerbrochenes Schwert wie das hinter mir entgegenstreckt. Zum finalen tödlichen Schlag bereit, hebt die Gestalt gerade ihren Schwertarm, an dessen Hand ein goldener Ring glitzert. Je länger ich auf das fast unscheinbar aussehende Schmuckstück blicke, umso deutlicher kann ich die Kampf- und Todesschreie der Schlacht, die vor so langer Zeit stattgefunden haben muss, in meinem Kopf hören und ein beklemmendes Gefühl schleicht sich unbarmherzig in mein Herz.
Ich entdecke eine Aufschrift, die neben dem Gemälde aufgebracht wurde. Flüsternd übersetze ich für mich die elbischen Buchstaben. „Isildur, Elendils Sohn und hoher König von Arnor und Gondor, schneidet im Jahre 3441 des zweiten Zeitalters, bei der Schlacht des letzten Bundes, mit den Bruchstücken Narsils den Einen Ring von Saurons Hand und wirft ihn dadurch nieder." Sauron ... der dunkle Herr von Mordor. Mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken, allein dadurch, dass der Name in meinem Kopf widerhallt. „Ein Hobbit der unsere Schrift lesen kann, wie außergewöhnlich", holt mich plötzlich eine anmutige Stimme aus meinen düsteren Gedanken und ich drehe mich hastig zu der Quelle um. Unter einem der Eingangsbögen steht eine wunderschöne junge Elbin. Ihr silbernes Kleid scheint aus purem Sternenlicht zu bestehen, so sehr strahlt und glitzert es. Ihre braunen langen Haare liegen offen über ihren Schultern und sind nur vereinzelt durch einige kunstvoll geflochtene und mit Perlen verzierte Zöpfe zurückgebunden, die ein ebenmäßiges und aus reinem Porzellan zu bestehendes Gesicht umranden. Noch nie habe ich ein so makelloses Geschöpf erblicken dürfen.
Erst als sie näher auf mich zu schreitet ... so leichtfüßig und bewegungslos, als ob ihre Füße kaum den Boden berühren ... realisiere ich, dass ich sie mit offenem Mund angestarrt haben muss. Zögerlich finde ich meine Stimme wieder, sodass ich ihr erst antworten kann, als sie bereits vor mir steht. „Können ist leider zu viel gesagt", gebe ich durch ihre anmutige Präsenz eingeschüchtert zu. „Mein Großvater hat mir die elbische Abschrift eines Heilkräuterlexikons hinterlassen, dadurch verstehe ich einige Wörter." Die Elbenfrau lächelt mich leicht an, wodurch sie noch lieblicher wirkt ... wenn das überhaupt noch möglich ist. „Ihr lest also gerne", sagt sie sanft und legt ihren Kopf leicht schräg. „Habt Ihr denn schon unsere Bibliothek erkunden können?" Ich schaue sie überrascht an. Dass es hier eine beachtliche Sammlung von Büchern geben muss, konnte ich mir schon denken, aber nicht, dass ich Zugang zu diesen erhalten darf. Deshalb schüttle ich verneinend meinen Kopf, was die Elbin dazu bringt, ihr Lächeln zu intensivieren. „Nun, dann wird es aber Zeit", äußert sie eindringlich und legt fein wie ein Windhauch eine Hand auf meinen Rücken, um mich zu geleiten.
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Die kleine Hobbitfrau
FanfictionIn einem Loch im Boden, da lebte eine Hobbitfrau... Bil führt ein genügsames, ruhiges Leben ... bis sie eines Tages ein alter Bekannter aufsucht und sie zusammen mit 13 Zwergen in ein höchst gefährliches Abenteuer verwickelt, in dem sie letztendlich...