XXXIII

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3 Wochen später

„Wie geht es ihnen heute, Frau von Seadhoff.", fragt mich die Psychologin, wie jedesmal, wenn ich einen Termin bei ihr hatte. Fest schlinge ich meine Strickjacke um mich. „Gut.", murmel ich wie immer und starre hinaus auf die Berge. „Warum lügen sie.", „Warum fragen sie wenn sie es schon wissen." Wie immer atmet sie schwer aus. „Ich verstehe, was-", „Was verstehen sie hm? Was? Sie wissen nicht wie es ist hier drin zu sein! Als Patientin! Sie arbeiten hier! Jeden Tag aufs neue stellen sie uns allen hier die selben Fragen. Jeden Tag sehen sie all das Leid hier drinnen. Aber sie haben einen entscheidenden Vorteil. Abends können sie nach Hause gehen und das tun was sie wollen. Abends können sie zu den Menschen, die ihnen was bedeuten. Die sie lieben! Aber wir, wir können das nicht! Wir sind hier eingesperrt und können froh sein, wenn wir einmal im Monat Besuch erstattet bekommen! Ich frage mich, wie ich hier gesund werden soll ohne die Menschen die mir alles bedeuten!", schreie ich und spüre, wie die Tränen bereits fließen. Ich schäme mich für diesen Ausbruch, aber ich konnte nicht mehr. „Sie vermissen ihre Familie. Ihre Schwester und ihren Vater.". Laut lache ich auf. „Meinen Vater? Vermissen? Wissen sie eigentlich, was sie da von sich geben? Ja ich vermisse meine Familie. Ich vermiss Emily, Amira, Roger, meine Oma...", ich mache eine lange Pause. Mein Blick fällt auf sein Armband. „Und Roman.", hauche ich und streiche darüber. „Und was ist mit ihrem Vater?", „Mein Erzeuger kann mir gestohlen bleiben!", schreie ich und schlage mit den Fäusten auf den zu alten Schreibtisch. Geschockt blickt mich Frau Willenhof an. Schnell laufe ich auf mein Zimmer zurück. Ich ziehe die Bettdecke über meinen Kopf und beginne zu weinen. Eine Ewigkeit muss ich so da gelegen haben, denn als ich wieder unter der Decke hervorkroch war es bereits dunkel. Niemand schien es wohl für nötig zu halten nach mir zu sehen. Warum auch? Ich war ja nur eine elendige Patientin. Eine Schwester kam rein und stellt mir schweigsam mein Essen hin, doch ich hatte keinen Hunger.

Gerade sind Amira und Erik beim mir. Emchen sitzt auf meinem Schoß und trink ihre heiße Schokolade, als Amiras Handy klingelt. „Das ist eine Schweizer Nummer.", murmelt sie und geht ans Fenster. „Romi?", meldet dich Emchen mit vollem Mund. „Ja Prinzessin? Aber bitte erst runter schlucken ja?", streichle ich ihr über den Kopf. „Machen wir heute wieder einen Abendspatziergang?", „Wenn du das möchtest.", „Du klingst schon wie ein Vater!", lacht Erik. „WAS!", schreit Amira plötzlich. Wir fahren alle rum und schauen sie fragend an. „Ja ich werde alles regeln und so schnell als möglich zu Ihnen kommen.", hört man sie ins Telefon sprechen. Erik steht auf und nimmt sie in den Arm, als sie aufgelegt hat. „Was ist passiert Amira?", frage ich, denn ich hatte ein ungutes Gefühl. „Penny", stottert sie. Sofort springe ich mit Em von der Couch auf. „Was ist mit ihr?", „Sie..sie ist wohl ziemlich ausgerastet und jetzt redet sie nicht mehr wirklich, aber schlimmer. Sie isst nicht mehr.", haucht sie. „WAS!", schreie ich und setze Em auf die Couch. Ich laufe im Wohnzimmer auf und ab und raufe mir die Haare. „Ich muss zu ihr!", stelle ich klar. „Roman?", stoppt sie mich, als ich gerade ins Schlafzimmer eile um ein paar Sachen zu packen. „Was ist?", „Die Psychologin meint, dass es erstmal keine gute Idee ist, dass du zu ihr gehst-", „Wie bitte! Wieso soll das nicht gut sein!", schreie ich schon fast, mäßige mich aber sofort, als ich Em ängstlich auf der Couch sehe. „Entschuldigung Prinzessin.", gehe ich zu ihr und drücke sie an mich. „Sie glaubt, dass es in ihrem momentanen Zustand nicht gut sei. Sie braucht ein geregeltes Umfeld. Das sei jetzt wichtig.", „Roman überleg doch. Du kannst doch eh nicht so einfach weg, du hast Training. Und es stimmt, du weißt doch selbst nicht was das zwischen euch ist.", redet Erik auf mich ein. „Was ist mit Penny?", fragt Emchen weinerlich. „Prinzessin, ich hab dir doch versprochen das alles gut wird.", „Aber Pen gehts nicht gut.", weint die Kleine nun los. Fest drücke ich sie an mich. „Schhh Emchen. Es wird alles gut.", flüstere ich. „Emchen Schatz! Wir fahren morgen früh gleich zu ihr, versprochen. Ich werde dich in der Schule entschuldigen und im Hotel alles regeln ja?". Emily nickt an meiner Brust. „Alles wird gut.", küsse ich ihre Stirn.

„Und du darfst nicht zu ihr?", fragt Jule entsetzt nach dem Training am nächsten Morgen. Ich schüttel den Kopf und raufe mir die Haare. „Em und Amira sind seit heute Morgen auf dem Weg zu ihr.", murmel ich. „Was willst du jetzt machen?", „Keine Ahnung! Am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen und zu ihr fahren!". „Zu wem fahren?", meldet sich Tuchels Stimmer hinter mir. „Nichts.", murmel ich und will schon gehen, als er mich an der Schulter zurückzieht. „Jule läs-", „Bin schon weg.", verschwindet Jule sofort. „Komm.", geht Thomas mit mir zu einer Bank. Als er sich setzt sehe ich ihn fragend an. „Setz dich.", weist er an. „Was ist los mit dir? Die letzten Wochen warst du schon nicht immer aufmerksam aber heute. Warst du überhaupt eine Sekunde da?". Ich schüttel den Kopf. „Es ist die Schwester von Emily oder?". Ich nicke nur und sehe stur auf den Platz. „Seid ihr zusammen?". Ich schüttel den Kopf. „Was ist dann das Problem?", „Sie ist auf Kur in der Schweiz und ihr gehts schlechter, aber ich kann nicht zu ihr.", „Verstehe. Wir sind doch nächste Woche eh in der Schweiz im Trainingslager. Ich glaube ich kann dir einen Nachmittag freigegeben.", „Wirklich?", „Nur wenn du dich wieder voll und ganz auf die Traings konzentrierst.", „Geht klar Cheff."

Ich sehe durch die Glasscheibe in ihr Zimmer. Mit angezogen Beinen sitzt sie auf dem Bett und sieht stur zum Fenster hinaus. „Penny.", kommt es leise von Emchen. „Kann sie zu ihr?", frage ich die Schwester. „Natürlich.". Schon flitz Emchen los. Als Penny die Kleine im Arm hält beginnt sie zu weinen. „Gehen sie zu ihr. Sie vermisst sie sehr.". Langsam betrete ich ihr Zimmer. „Amira!", schluchzt sie und breitet einen Arm aus. Sofort laufe ich zu ihr. „Ich vermiss euch so!", weint sie und drückt uns fest an sich. „Süße, wir dich doch auch.", erwidere ich. Sie versucht zu lächeln, was kläglich scheitert. „Wie...wie gehts ihm?", fragt sie leise und weicht meinem Blick aus. „Gut. Er wäre am liebsten gestern schon zu dir gefahren.", „Ist er hier?", fragt sie hoffnungsvoll, doch ich schüttel nur den Kopf. Traurig senkt sie ihren und sieht auf ein silbernes Armband. „Ist das von ihm?". Sie nickt nur und beginnt erneut zu weinen. „Nicht traurig sein. Romi hat gesagt alles wird gut.", versucht Emily ihre Schwester aufzumuntern, doch sie hatte keine Ahnung, dass sie es damit nur verschlimmern würde. Penny begann fürchterlich zu weinen. Ich hatte sie noch nie so erlebt und ich frage mich, was auf einmal mit ihr los war. „Penny!", hauche ich entsetzt und ziehe sie fest an mich. Eine Schwester kommt rein und stellt einen Becher mit einer Tablette hin. „Was ist das?", „Zur Beruhigung.", gibt sie nur knapp von sich. „Aha!", sanft streichle ich Pen über den Kopf. Auch ohne eine Tablette schaffe ich es sie etwas zu beruhigen. „Sollen wir raus an die frische Luft.", doch sie schüttelt nur den Kopf. „Warum nicht?", „Ich darf nicht.", legt sie sich zurück und zieht Emchen mit sich. „Was? Warum denn das?", „Es besteht akute Fluchtgefahr, was bei ihr alles andere als gut wäre. Sie können in den eingezäunten Garten. Dort haben wir auch einen Spielplatz.", kommt die Ärztin herein. „Was ist das hier? Ein Gefängnis?", frage ich sauer. „Nein, aber in ihrem jetzigen Zustand würden wir nur ein sehr großes Risiko eingehen.", darauf schüttel ich nur den Kopf. „Komm wir gehen etwas in den Garten.", helfe ich Penny aus dem Bett. Emily nimmt sofort ihre Hand, während ich Pen stütze. Sie war so anders. So ruhig. So in sich gekehrt. Traurig. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Während Em am Spielplatz tobt, sitzt sie neben mir und starrt in den Boden. Sanft ziehe ich sie an mich. „Wir kriegen das hin.", hauche ich an ihr Ohr. „Ich vermisse ihn so sehr.", schluchzt sie und krallt sich an mich. „Er dich auch. Sehr sogar. Aber er kümmert sich toll um Emily.", versuche ich sie aufzumuntern. „Gehts ihr gut? Was macht die Schule?", „Ihr gehts bestens. Die Schule mag sie auch noch, obwohl sie schon den ersten Test geschrieben hat.", versuche ich sie zum Lachen zu bringen, doch nichts. Keine Regung, kein Gefühl, nichts.

Honeymoonsuit  (Roman Bürki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt