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Der Morgen war still und auch am Mittag sah ich nur Luan schüchtern aus dem Haus blicken. „Fuchs? Brauchst du etwas?", rief ich ihm zu und er zuckte zurück ins Haus. Ich seufzte. „Luan!", rief ich ihn und er trottete langsam heraus. „Fuchs, wenn du Holz brauchst zum Kochen oder Fleisch wende dich an mich oder Ora. Aber...", ich stand auf und trat zu ihm. Er wollte zurück weichen doch da hatte ich ihn schon gepackt. „Wie alt bist du?", wollte ich wissen. „19...", stotterte er. „Ora ist tabu, haben wir uns verstanden?" „Was?" „Du siehst sie nicht direkt an. Du denkst in keiner anzüglichen Art und Weise an sie. Du wirst sie niemals auf diese Weise sehen, verstanden?" „J... Ja...", stotterte er. „Gut. Denn ansonsten nehme ich dir alle nötigen Teile um eine Frau zu begehren.", erklärte ich und er nickte, bevor ich ihn fort stieß. „Da ist eine Axt. Geh ruhig Holz holen.", brummte ich und Luan rannte los.

„Ora! Komm! Jagen!", rief ich und meine Schwester trat heraus. „Luan! Hey!", rief ich ihm nach und er stockte. „Können wir uns einen der Speere aus dem Hirschclan von euch leihen?", rief ich. „J... Ja... lehnen im Eingang!", rief er zurück und rannte in den Wald. Ich nickte. „Nett von ihm. Der Hellste ist er ja nicht.", bemerkte ich. Ora nickte. „Er redet nicht viel. Ich glaube, er ist dumm.", bemerkte Ora. „Feige und dumm. Ich glaube ein Teil von ihm ist noch Kind. Er hat dich keines Blickes gewürdigt.", bemerkte ich. „Wieso sollte er?", wollte Ora wissen. Ich lächelte und schüttelte den Kopf. „Nichts. Er ist harmlos. Aber eben etwas dumm. Er muss sich wohl ganz schön den Kopf angeschlagen haben. Wer weiß, wie er zuvor war. So viel ich mitbekommen habe war er vor seinem Sturz der führende Teil der beiden. Da ist es besser wenn er jetzt so ist. Mir reicht schon die Füchsin. Vorerst ist sie friedlich, weil sie uns braucht. Ein anständiger Regen und ihr kleines Lager wäre mit Schlamm überschüttet worden. Hier hat sie ein warmes Bett für sich und ihren Bruder. Ich sah die Füchsin nackt. Ich verstehe, wieso sie von uns stahlen. Sie ist schlank und nicht nur das sondern wirklich dünn. Man sah ihre Rippen. Da sie die letzte Zeit bei uns stahl sind ihre Wangen nicht so eingefallen. Nun komm...", ich trat in das Haus der Füchse ein, dass einst einem unserer Krieger gehört hatte, bevor ich den feinen Speer ergriff und ihn Ora gab. Er war leicht. Damit könnte sie umgehen. „Gehen wir.", forderte ich und führte sie in den Wald.

Auf einer Lichtung stachen mir die Gerüche nur so in die Nase. Hase, Reh, Wildschwein. Doch Ora sollte es finden. Sie sah sich um und roch. Sie starrte auf den Boden und suchte nach Spuren bis sie eine Spur von einem Reh fand. Sie ging auf alle viere und drückte ihre Nase schon beinahe in den Fußabdruck. „Hast du die Spur?", wollte ich wissen. Ich konnte sie schon beinahe vor mir sehen. „Ähm... der Wind verweht sie aber... nach... nach da lang?", wollte sie wissen und deutete in die Richtung. „Nach Nord-Westen. Genau.", bestätigte ich und Ora ging los. Ich ging in Wolfsgestalt und huschte neben ihr her. Sie stoppte und stolz bemerkte ich, dass sie das Reh vor mir gesehen hatte. Ein großer Rehbock. Fett und damit könnten wir sogar die Füchse, die kaum Vorräte hatten, für heute nähren ebenso wie einige Vorräte anstauen! Ora legte den Speer an. Schnell stupste ich sie mit der Schnauze an, damit sie verstand, höher zielte und auch den Wind mit bedachte. Der Speer war fein und leicht. Er würde sich wie eine Nadel in den Bock bohren. Dann warf sie und traf den Bock am Hinterläufer. Er humpelte los und so rannte ich auf den Platz. Immer wieder umkreiste ich ihn und hielt ihn so auf der Stelle. Er bekam Angst und Ora rannte zu uns. Sie packte ihren Dolch und versuchte ihn an der Kehle zu erwischen. Doch der Bock bekam Panik, stieß ihr seinen Kopf in den Bauch und rannte los. „Niala!", rief Ora und ich griff ein. Mit zwei schnellen Sätzen sprang ich das Tier an und biss ihm das Genick durch. Dann stellte ich mich neben Ora wieder in menschlicher Gestalt. „Sehr gut!", lächelte ich und half ihr auf. „Gut? Ohne dich wäre das Vieh entkommen.", brummte sie. „Ach was! Der Wurf war großartig! Ich selbst hätte es nicht ansatzweise so gut gemacht.", lächelte ich und nun zogen sich auch langsam Oras Mundwinkel nach oben. „Trägst du ihn?", lächelte ich. Ora nickte und stellte sich gerade hin. Ich hob das Tier hoch, so schwer war er nicht, und hob ihn ihr auf die Schultern. Sie knickte ein und ich nahm ihr das Gewicht wieder ab. „Moment...", ich griff einen Ast und band das Tier daran fest. Ich hob die Stange hoch und wartete, bis sie Ora ein Ende auf die Schulter gehoben hatte, dann hob ich das andere auf meine Schulter. Sie musste trainieren. Natürlich ginge es hundertmal schneller, wenn ich einfach selbst das Tier tragen würde. Doch dann würde Ora nicht trainieren. Und das war dringend nötig. Nicht nur, da der nächste Neumond kommen würde, sondern auch da ich jederzeit sterben könnte. Nach wie vor hatte ich Feinde. Es würde reichen, dass ich wieder einer alten Bekannten ins Gedächtnis käme und es ihrer Mutter nicht passen würde. Oder gar ihr selbst. Das würde schon reichen. Darum musste Ora lernen ohne mich zurecht zu kommen.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt