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Ich war überraschenderweise halbwegs nüchtern als ich erwachte. Ich stemmte mich auf und brummend stammte ich mich auf. Leise schnarchend lag Laila mit dem Kopf auf dem Tisch. Die beinahe leere Flasche in ihrer Hand. Der kleine Fleck von Speichel auf der Tischplatte vor mir deutete mir an, dass ich gerade ebenso gelegen hatte. Brummend stand ich auf und taumelte hinaus. Frische Luft tat mir nach einem anständigen Suff immer gut.

Am späten Nachmittag als Laila ausgeschlafen hatten ging ich mit ihr und Luan in den Wald. Luan zerrte einen Karren mit sich. „Laila? Du stehst Wache. Beim geringsten Anzeichen einer Katze erklärst du wieso wir hier sind und dass ich nicht eher gehen werde.", erklärte ich als ich auf das Lager der Menschen traf. Tatsächlich... die Katzen hatten alles mitgenommen. Jedes Zelt, jede Stange. Selbst die Leichen lagen nur in Unterwäsche da. „Laden wir sie auf.", befahl ich Luan und hob die erste Leiche auf. „Schlag sie aber zuerst in ein Leichentuch!", rief ich ihm zu als er den Mann einfach so auf den Karren legen wollte. Er nickte und tat wie ihm befohlen. Leichentücher lagen bei uns einige herum... ich hatte einige davon im Lager gefunden. Ora hatte sich einige Hemden daraus gemacht. Zuerst war mir das komisch vorgekommen... mit einem Leichentuch... aber da keines davon bisher im Einsatz war, war es am Ende ja nur Stoff. Wieso wir so viele Leichentücher hatten wusste ich nicht. Vielleicht war es Mortales letzter Scherz an uns gewesen, einige Leichentücher zurückzulassen... wobei doch nur mit viel Glück jemand übrig geblieben war, der sie alle hatte beerdigen können! Oder hatte Mortale das tun wollen? Ich legte den Menschen in das Leichentuch und hob ihn hoch. „Luan, schau doch nicht so schockiert.", bemerkte ich. Er legte den Leichnam auf den Karren. „Wieso tun wir das?", wollte er wissen. „Menschen wegräumen... wieso?" „Weil sie uns helfen. Eine Hand wäscht die anderen. Und sie sollen auch ihre Leute anständig beerdigen können.", erklärte ich. „Sagte dir Venia wie viele?", wollte er wissen und zählte die Leichen. „Zwanzig. Drei entkamen.", er sah mich fragend an. „Es müssten also 17 sein.", rechnete ich es für ihn aus. Er nickte und zählte nochmal. „Dann sind alle da.", bemerkte er und lud weiter auf.

Es war bereits spät als wir den Karren zurückbrachten. „LAILA!", rief ich und die Füchsin kam zu uns. „Haben wir alle?", wollte sie wissen. „Haben alle.", bemerkte ich und zog den Karren mit Luan zurück. „Also, Niala, Wildschwein oder lieber Reh? Oder Hirsch? Oder Hase?" „Was?" „Na was isst du am Liebsten?", wollte Laila wissen. Ich seufzte und dachte nach. „Bei uns gab es damals... also als ich Geburtstag hatte... da gab es Bankette. Da gab es so einen gefüllten Braten aber... ich weiß nicht mehr genau was... Preiselbeeren waren drin!", lächelte ich versonnen. „Wohin bringen wir die Leichen?", wollte Laila wissen. „Normalerweise steht immer ein Wächter an der Brücke. Ich zerre ihm den Karren über die Brücke und wecke ihn. Dann gebe ich ihm die Leichen ab und gut ist es.", erklärte ich. „Nur mussten die im Wald sterben?", knurrte ich als ich und Luan versuchten den Karren zwischen den Bäumen hindurchzubekommen. „Ein freies Feld wäre doch nicht weit gewesen...", knurrte ich. Die Wurzeln stoppten immer wieder den Wagen und Laila schob mit an. „Sieh es als Training, Wolf! Ich beobachte es schon lange. Du nimmst an Kraft ab." „Ich tue was?", knurrte ich. „Ja. Ich habe es im Kampf noch nicht beobachtet. Aber beim Training lässt du nach. Mag sein, dass du trainierst wie wild. Aber das süße Gift ist in deine Venen gedrungen und in deinen Muskeln fixiert. Deine Muskeln bauen sich ab. Dein Geist, der einst von Rache und Hass erfüllt war, dich antrieb, ist nun schwächlich. Du warst ein Wolf, Niala. Jetzt bist du ein gezähmter Hund, der sich nur noch an Venia schmiegen will.", ich gab ein Knurren von mir und Laila blieb still. Aber ich wusste ja, wie recht sie hatte... so sehr ich mich auch dafür schämte. Es war so. Venia schwächte mich. Aber hätte ich überhaupt jemals die Chance gehabt stark genug zu werden um meine Familie zu rächen? Was maßte ich mir eigentlich an? Ich! Ein Halbling! Ich, mit meinem unreinen Blut, sollte schaffen was mein Vater, ein Mann mit jahrtausendealtem Wolfsdämonenblut, nicht geschafft hatte? Lächerlich!

Holz hacken durfte ich. Sonst nichts. Ich durfte außerhalb des Lagers Holzhacken während Ora und Laila das Essen für morgen vorbereiteten. Luan leistete mir Gesellschaft. Er zimmerte eine Halterung dafür. Damit man gut einiges an gehacktem Holz stapeln konnte in einer Art Kasten. Einfach nur unten ein Rechteck zusammen gezimmert und an jeder Ecke eine Stange hoch. Die beiden kürzeren Seiten noch mit einem Querbalken versehen und die Rückseite, damit alles gut hielt. „Stapel da noch nichts rein. Stapel alles in die Körbe und dann drüben ins Lager rein. Dann bleibt es trocken. Der Winter wird auch eines Tages kommen.", erklärte ich und er nickte gehorsam. „Du machst das gut, mach ruhig noch ein paar. Wir werden viel Holz brauchen.", erklärte ich. Besser zu viel als zu wenig. „Und Felle?" „Ich habe einige Wildschweine erwischt. Laila häutet sie." „Gut." „Und Ora wird Kleidung daraus herstellen.", fügte ich hinzu. „Das freut mich. Meine Kleidung ist eher... nicht wintertauglich. Und selbst in tierischer Gestalt friere auch ich wenn ich zu lange im kalten Wind und Schnee stehe.", erklärte er. Ich nickte nur stumm und hakte weiter Holz. Luan baute weiter seine Halterungen. Ich durfte erst wieder ins Lager, wenn Laila und Ora das Fleisch für morgen vorbereitet hatten. Und man hatte mir angedroht, dass ich morgen auch fort sein müsste. Es sollte eine Überraschung sein.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt