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Venia atmete tief durch. Ihre Hand drückte sanft die Meine. „Es war vor gut einem halben Jahr. Zuvor hatte ich es schon bemerkt aber... immer zurückgedrängt und... eines Tages beschloss ich es Richard zu sagen... Ich bin mir da so sicher! Sonst hätte ich es ihm nicht gesagt! Ich hoffte immer, es wäre nur ein Gedanke... eine harmlose Fantasie aber... nun trage ich diese Gedanken seit Jahren in mir und... als Franziskus um meine Hand anhielt bemerkte Richard eben, was ich denn gegen ihn hätte. Er sei doch wie aus dem Märchen und da hat er auch recht! Richard hat wirklich liebevoll mit mir gesprochen und wollte wissen, ob ich mir bereits einen Liebsten gesucht habe. Da Franziskus eben wirklich der perfekte Mann ist. Galant, gut aussehend, liebevoll und wahrlich ein Poet. Ich mag ihn auch wirklich aber ich begehre ihn nicht auf diese Art ich... ich...", sie atmete tief durch. „Ich begehre Frauen... Das sagte ich Richard an diesem Tag. Ich zitterte und... er wurde wütend. Sehr. Brüllte herum, ich sei eine Hure und ich würde im Höllenfeuer schmoren. Dann zerrte er mich in die Kerker um mir einen Vorgeschmack zu geben damit ich wieder zur Vernunft komme. Wie ich es dir schon erzählt habe, der Pfarrer rettete mich und wir beteten lange. Als er mich entließ und meinte, dass diese Gedanken dem Teufel allein zuzuschreiben seien und ich mit Beten davon befreit werden würde... kam Richard wieder zu mir. Er packte mich grob am Arm und sagte mir, er habe gerade einen Brief an Hagen geschickt... und mich ihm versprochen.", hauchte sie. „Ich stützte mich auf die Religion. Betete Tag für Tag und schaffte es so Hagen dazu zu bringen mit dem ersten Mal bis zu unserer Hochzeitsnacht zu warten. Ich schob es zwar nur hinaus aber... vorerst rettete es mich. Franziskus gab alles um mich von Hagen los zu bekommen und da er ein guter Freund meines Bruders ist gab auch er mir Zeit. Aber dann kamst du... und schafftest in wenigen Minuten das, was ich in Monaten nicht erreichte.", erklärte sie. Ich sah sie verdutzt an. „Wow...", kam mir als erstes in den Sinn und mein Kopf verarbeitete alles Erfahrene. „Nun...", fand ich die Sprache wieder. „Bei uns wäre das natürlich kein Problem, wie du siehst bevorzuge ich selbst das eigene Geschlecht aber bei euch Menschen ist das wohl tatsächlich ein Problem...", bemerkte ich. „Ja... ein großes Problem...", sie seufzte und trank noch etwas. Vielleicht hätte ich aufpassen sollen wie viel sie trank. „Verdammt... es regnet immer noch... wie soll ich so heim?" „Vorerst gar nicht. Der Fluss ist auch schon bei gutem Wetter unüberquerbar. Bei diesem Wetter würde schon ich eher ungern auf die Brücke. Du würdest sie wohl kaum überqueren können. Also bleibst du hier bis der Regen vorbei ist... kann dauern, so wie es aussieht.", bemerkte ich. Sie nickte. „Nun... wo soll ich dann schlafen?", wollte sie wissen. „Wie gesagt, ich überlasse dir mein Bett. Ich werde mich wohl irgendwo hier zusammen rollen.", bemerkte ich. „Eigentlich würde ich dir mein altes Zimmer anbieten und mit Ora in mein Bett... es wäre nicht das erste mal das meine Schwester bei mir schläft. Aber Ora hat im Moment einige Tests mit Kräutern gemacht und mir schwirrt der Schädel, wenn ich ihr Zimmer auch nur betrete! Also bekommst du mein Zimmer. Es stinkt etwas nach Wolf aber... nun das einzige Bett, dass ich einem Gast anbieten kann...", gestand ich. „Ich fand nicht, dass es in deinem Zimmer nach Wolf stank. Es riecht eben nach dir...", lächelte sie und kratzte sich leicht am Hinterkopf. „Ach und wie riech ich denn? Für einen Menschen?", wollte ich wissen. „Holzig. Wild. Auch etwas nach Feuer. Ich kann es schwer deuten. Aber du stinkst sicher nicht.", lächelte sie. Nach wir vor hielt sie meine Hand und strich darüber. Es schien ihr erst jetzt aufzufallen und sie zuckte erschrocken zurück. „Ver... Verzeihung ich..." „Schon in Ordnung.", lächelte ich. „Ähm... also...", ich stand auf. „Ich werde dir das Zimmer herrichten. Trink du ruhig noch etwas. Das tut gut.", lächelte ich und ging.

Ich war mehr als überrascht wie gut das Zimmer aufgeräumt aussah. Selbst Ginnar sah wie ein einladender Bettvorleger aus. So trat ich wieder in den großen Saal doch fand ich diesen leer vor. Da der Mantel des Menschenmädchens nicht mehr auf dem Stuhl lag war sie wohl nach draußen gegangen. So beschloss ich ihr zu folgen.

Tatsächlich stand sie draußen. Auf einer Anhöhe und blickte in die Ferne. Der Regen prasselte unbarmherzig auf mich herab als ich ihr folgte und binnen einer Minute war der Mantel vollgesaugt. „Venia, was tust du denn hier draußen?", wollte ich wissen. Sie zuckte zusammen und sah mich an. „Ach, du bist es nur, Wolf.", sie seufzte. „Ich denke nach.", bemerkte sie. „Über was? Deinen Bruder?" „Auch. Über die letzte Zeit. Ich lebe ein gutes Leben, weißt du? Auch neben der Folter. Aber am Ende lebe ich in einer Burg und muss nie hungern. Trotzdem... ich fühle mich erst glücklich, seit ich dir begegnet bin, Wolf." „Tatsächlich? Wenn ich mich nicht irre war ich wirklich bösartig zu dir als wir uns begegneten." „Ja. Weil du am Ende doch ein Wolf bist. Wie ein Hofhund. Ein Hund kann noch so zutraulich und lieb sein. Betritt ein Fremder den Hof bellt er auch und fletscht die Zähne. Du schützt nur die, die du liebst. Wie könnte ich dir das verdenken?" „Ich werde hier mit einem Hund verglichen... wie charmant.", bemerkte ich lächelnd und näherte mich ihr. Ihre grauen Augen funkelten selbst noch in der Dunkelheit. Trotz des Regens umhüllte mich der Geruch von Wildrosen und ließ mich leicht schwindeln. Ich trat näher und strich ihr sanft eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Sie sah mich an. Sie hatte wunderschöne graue Augen. „Wolf? Wieso darf ich dich nicht beim Namen nennen?", hauchte sie und trat noch einen halben Schritt näher an mich. Sie war etwas kleiner als ich. „Weil ich... meine Feinde sollen mich so nicht nennen. Meine Verbündeten können das schon... also darfst du mich auch gerne beim Namen nennen.", hauchte ich. Meine Hand lag immer noch an ihrer Wange, wo ich ihr die Strähne weggestrichen hatte. „Niala... ich danke dir tausendmal für deine Hilfe und..." „Das ist nicht nötig. Es bringt mir auch... einiges...", ich leckte mir nervös über die Lippen. Sanft strich mit meinem Daumen versonnen über ihre Unterlippe. Venia sah mich mit leicht geöffnetem Mund an. Mein Herz klopfte wie wild. Dergleichen hatte ich noch nie erlebt! Noch nie hatte mein Herz so gerast! „Niala?" „Ja?", hauchte ich. „Küss mich.", bat sie und sofort näherte ich mich ihr. Der Regen hatte mich schon bis auf die Haut durchnässt und es prasselte weiter auf uns herab als ich meine Lippen auf Venias legte.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt