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Venias Besuche waren immer viel zu Kurz. So begleitete ich sie zu Fuß zurück zur Burg. Da ich eh schneller als ein Mensch ging, wenn ich nicht besonders langsam ging, hatte sich Venia ein Pferd in Franziskus Stützpunkt geholt. Ich ging neben ihr her. „Du musst mich nicht begleiten.", bemerkte Venia. „Willst du mich nicht bei dir haben?", grinste ich. „Natürlich! Immer. Aber ich weiß, dir sagt die Welt der Menschen nicht zu." „Sie sagt mir mehr zu als die der Dämonen.", bemerkte ich und wir kamen in eine kleine Stadt. Vor dem Stadttor zog ich mir die Kapuze meines Umhangs über den Kopf. „Halt! Wer..." „Venia Dreuven. Schwester des Grafen mit meiner Begleitung.", erklärte Venia und die Wachen öffneten das Stadttor. „Ich empfehle euch drum herum zu reiten.", bemerkte eine Wache. Venia hielt das Pferd an und auch ich blieb stehen. „Wieso das?", wollte sie wissen. Der Wachmann nahm den Helm an und sah sie an. „Der schwarze Tod schlägt in unserer Stadt um sich. Geht außen herum." „Außen herum ist kein Weg für Pferde. Ich gehe hindurch. Kranke ängstigen mich nicht.", verkündete Venia. „Ihr seid hoch zu Ross, Eure Begleitung wird zu kämpfen haben.", bemerkte der Wachmann. „Meine Begleitung kämpft nicht. Denn niemand hier kann ihr einen Kampf bieten.", erklärte sie und ging weiter. Ich grinste breit vor mich hin, während wir die Stadt betraten.

Die Stadt war wie ausgerottet. Still und verlassen. „Wo sind die Menschen?", wollte ich wissen. „Einige werden wohl im Hospiz liegen. Andere in ihren Betten. Wieder andere werden sich einfach verkriechen und hoffen, dass sie nicht befallen werden.", erklärte sie. „Sie haben Angst vor einer Krankheit?", wollte ich wissen. „Ja und..." „HILFE!", ich zuckte zusammen als ein Mann kriechend aus einer Gasse sprang. Ich starrte ihn an als er mein Hosenbein griff und vor mir buckelte. „Bitte! Ihr edlen Damen! Eine Münze für einen armen Teufel wie mich!", flehte er. Ich starrte den Mann verwirrt an. Seine Finger waren schwarz wie die Nacht. Im Gesicht trug er offene Schwielen. „Hilf mir!", erflehte er. „Venia?", ich sah sie fragend an. Sie hatte ihren Arm über ihren Mund und ihre Nase gelegt. Sie schüttelte den Kopf. „Helfen kann man ihm nicht.", erklärte sie und ich nickte, bevor ich ihn mit einem Ruck fort stieß. „Geh!" „Bitte!" „Geh!", befahl ich und der Bettler verkroch sich wieder. Venia seufzte. „Es schmerzt mir in der Seele ihnen nicht helfen zu können. Doch reiche ich ihm auch nur eine Münze, so stürzen sich die anderen Bettler auf uns und wir sind verloren." „Bettler könnte ich jederzeit abwehren." „Ich weiß. Aber sie kommen mir zu nah, schnaufen schwer und... das ist gefährlich.", erklärte sie. „Der Mann sah furchtbar aus. Die Beulen im Gesicht..." „Ich weiß. Der schwarze Tod... wenn wir Pech haben, wird man hier bald die Leichen einsammeln können.", bemerkte sie und beschleunigte ihr Pferd. Mit Leichtigkeit folgte ich ihr.

Auf dem Weg kamen uns kaum Menschen entgegen. Ein Mann auf einem Karren der den Hut vor uns lüftete. Drei spielende Kinder als wir an einem Dorf vorbeikamen. Eine Frau die hustend in Lumpen gehüllt mit einer blutigen, aufgeplatzten Schramme an der Hand ein Kind führte, ebenso in Lumpen gehüllt. „Die Pest kennt keine Gnade.", seufzte Venia und ich nickte. Die Schrammen schienen wirklich nicht angenehm. „Wie lange ist man da krank?", wollte ich wissen. „Puh... schwer zu sagen. Je nachdem wie die Versorgung ist. Ein Bettler ist... nun... er wird sich nicht ausruhen können. Wird betteln und in Dreck und Mist schlafen. Er wird in zwei Wochen tot sein. Würde jemand wie Richard erkranken... hoffen wir, dass der Kelch an meinem Bruder vorüber geht... so würde es sich wohl über vier Wochen ziehen.", erklärte sie. „Und dann?" „Was dann?" „Dann ist man ja wieder gesund. Wie ist das dann als Mensch? Ich war noch nie krank... mein Großvater war mal krank aber... ich kannte ihn nicht. Wie ist das bei euch? Sind dann auch die Schrammen verheilt oder..." „Niala, die Pest ist tödlich." „Was?" „Noch ist kein Heilmittel gefunden. Zwar helfen manche Methoden etwas, doch wüsste ich noch von keinem Kranken, der geheilt wurde.", erklärte sie. Ich sah verwirrt vor mich hin. Alle die ich gesehen hatte... mit Schrammen am Leib... waren so gut wie tot! Sie rannten herum doch würden sie alle sterben. Sehr, sehr bald. „Niala?" „Mmh? Oh... entschuldige. Ich war in Gedanken." „An was denkst du?", wollte sie wissen. Ich seufzte. „Ich frage mich, wieso die Natur euch so eine Krankheit schickt.", bemerkte ich. „Ja... eine Frage die sich auch die Kirche stellt und da vorne sehen wir ihre Antwort darauf.", erklärte sie und deutete auf eine Gruppe Männer am Wegesrand. Sie hatten einen kleinen Altar mit einem Kreuz aufgestellt. Ich stoppte. Die vielleicht 20 Männer knieten nur in einer Hose vor dem Altar auf dem ein Priester irgendetwas von Schuld und Sühne brüllte. Immer wieder ließen die Gläubigen ihre Peitschen auf ihren eigenen Rücken schlagen. „Sind die irre?", wollte ich wissen. „Nein. Sie büßen. Sie denken, dass die Pest eine Strafe Gottes ist. Und das ist ihre Art sich zu entschuldigen.", bemerkte sie. „Das ist lächerlich!" „Das sind Gläubige...", sie seufzte. „So ist es nun einmal."

Man hatte uns sofort in die Burg gelassen. Kaum waren wir in der Burg folgte ich Venia in ihr Zimmer. „Zieh dich aus.", bat sie. Ich grinste breit. „Nur zu gerne.", lächelte ich und auch Venia grinste. „Denk jetzt ja nichts! Ich rate dir nur deine Kleider in den Kamin zu hängen und auszuräuchern. Du magst immun sein aber ist es Ora?" „Ich gehe davon aus aber... sicher ist sicher.", erklärte ich und zog mich gehorsam aus. Venia musterte mich. Sie war noch angekleidet. „Im Nebenraum ließ ich ein Bad vorbereiten. Leistest du mir Gesellschaft?", bat sie. „Nur zu gerne.", grinste ich und folgte ihr.

Erschöpft lehnte ich meinen Kopf an die Wand, an der die Wanne stand. Venias nackter Körper lag auf meinem und auch sie ruhte. Sanft hauchte Venia einen Kuss in meine Halsbeuge. „Ich liebe dich.", hauchte sie. Ich grinste. „Ich liebe dich auch.", gähnte ich ausgiebig und zog sie enger an mich. „Muss ich mich wegen der Pest sorgen? Also... könntest du befallen werden?", wollte ich wissen. Wäre es auch nur möglich würde ich sie zu mir über die Grenze holen! „Nein. Wenn ich mit den Kranken arbeite und ihnen im Hospiz helfen werde, so werde ich einen Essigschwamm vor dem Mund tragen. So tun es die Ärzte auch. Sie arbeiten auch mit ätherischen Ölen. Alles gut.", lächelte sie. „Trotzdem... komm öfter zu mir. Bei mir gibt es keine Seuchen.", grinste ich. „Ich weiß. Aber... was meintest du eigentlich neulich mit Neumond? Ist da etwas Besonderes?", wollte sie wissen. „Ja. Neumonde sind anders für mich als andere Monde. Aber ich zeige es dir dann... zum Teil. Aber... tu mir einen Gefallen.", bat ich. Sie nickte sofort „Alles.", hauchte sie. „Wenn die Sonne untergeht werden wir in meinem Schlafzimmer sein. Bis die Sonne aufgeht. Bis zum Sonnenaufgang.", erklärte ich. „Niala...", Venia erschauerte. „Die ganze Nacht?", hauchte sie. Ich grinste breit. „Siehst du dann schon.", lächelte ich und küsste sie. Ob ich an Neumond überhaupt so lang durchhielt? Zumindest müsste ich mich da dann nicht zurückhalten. Das wäre sicher schön. Und ich hätte Venia in meinen Armen, wenn dieser furchtbare Mond käme. Ich wüsste, sie wäre sicher bei mir. 

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt