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Ich rannte wie wild zur Burg und man ließ mich ohne Widerworte hinein. Ich ging durch die Burg direkt zu Venias Zimmer. Ich klopfte und warte. Und wartete... und wartete... „Venia?", erneut klopfte ich. „Wolf? Graf Dreuven schickt mich!", hörte ich und sah den Diener an. „Ja?" „Es... nun..." „Wo ist Venia?", verlangte ich zu wissen. „Nun... ihr Bruder befindet sich in der Kirche. Es gab einen Krankheitsfall...", gestand er und ging. Ich sah ihm verwirrt nach. Ein Krankheitsfall... dieser Mistkerl! Ich hatte Richard tausendmal gesagt, dass er sich nicht den Rücken blutig schlagen soll! Nun war er krank! Verdammt... Venia war sicher am Boden zerstört! Meine süße Venia...

In der Kapelle hörte ich ein Schluchzen. „Richard?", fragte ich und der Graf sah auf. Er kniete wieder vor dem Altar. „Bist du nicht krank? Musst du dich nicht schonen?", wollte ich wissen und ich kam näher. Richard sah mich an. Seine Augen gerötet. „Ich? Wie kommst du darauf dass es mich getroffen hat?" „Ein Diener sagte es gab einen Krankheitsfall...", bemerkte ich und langsam kroch mir die Panik in die Knochen. Richard seufzte. „Mir war klar, dass der Mistkerl nicht Manns genug ist es dir zu sagen... Niala... die Pest brach in unserer Familie aus. Doch nicht ich bin Opfer.", hauchte er. Mein Herz begann ängstlich zu schlagen. „D... Deine Mutter?" „Nein." „Dein Onkel?", wollte ich wissen. Meine Stimme bröckelte. „Wolf... du weißt doch wen. Venia liegt im Hospiz.", hauchte er. „NEIN!", rief ich aus. „Doch. Ich...", er schluchzte. „Ich werde sie heute da rausholen! Es hilft dort nichts und zuhause kann ich sie pflegen! Zuhause in... in unserem Haus. Nicht hier. Um Gottes Willen nicht hier... ich hätte sie nie herholen dürfen... Kannst du... mir helfen? Du bist immun, oder?" „Bin ich aber... sie wird doch wieder gesund, oder?", wollte ich panisch wissen. „Ja. Natürlich. Muss sie doch. Sie kann doch... kann doch...", er schluchzte. „Ihren großen Bruder nicht auf dieser verdammten Welt allein lassen.", wimmerte er. „Komm, Richard! Ich muss zu ihr! Sofort!", flehte ich. Er nickte und stand auf. „Wieso ist sie krank? Was fehlt ihr?" „Es begann vor vier Tagen. Es war ganz harmlos. Ich kam herein als sie nur Unterwäsche trug. Ich bedeckte meine Augen aber hatte ich einen blauen Fleck an ihrem Oberschenkel gesehen. Erst meinte ich du hast diesen Fleck hinterlassen doch... als ich Venia darauf ansprach... es war kein Fleck, es war eine Beule..." „Da war noch keine als ich zuletzt da war!" „Ja... sie trägt die Pest wohl schon eine Weile in sich... Aber seitdem geht es sehr stark bergab. Wir versuchen alles! Wirklich...", hauchte er. „Holen wir Venia! Sofort!", bat ich und er nickte.

Selten war ich so schnell gerannt wie heute. Auch war es mir egal, dass ich in Gestalt eines Wolfes durch die Stadt rannte bis ich vor dem Hospiz stand. Ich riss die Tür auf und ging hinein. „Hey! Nicht ohne Schutzausrüstung!", hörte ich. „Ich bin ein Dämon, dreckiger Bastard! Ich werde nicht krank!", ich stieß den Arzt zur Seite und rannte die Treppe hoch so schnell ich konnte. Der Geruch von Essig und Kamille umhüllte mich doch kaum war ich im Raum mit den Kranken streifte mich der sanfte Duft von Wildrosen. Ich sah mich um und erstarrte als ich meine Geliebte entdeckte. „Venia...", hauchte ich und trat zu dem Bett. Leichenblass lag sie da. Ihr Gesicht eingefallen. Tiefe Augenringe zeigten sich und auf ihren Armen... Beulen. Zwei bereits verbunden. Ich ging zu ihr und fiel neben ihrem Bett auf die Knie, bevor ich ihre Hand ergriff. Einige Ärzte starrten mich an. Doch keiner sagte etwas. „Venia... meine süße Venia... was ist geschehen?", hauchte ich und strich ihr eine Strähne aus dem kaltschweißigen Gesicht. Langsam öffnete sie ihre geröteten grauen Augen. „Niala...", hauchte sie und lächelte sanft. Ich ergriff ihre Hand. „Was ist geschehen?", wimmerte ich. „Niala... es ist so schön, dass du hier bist.", lächelte sie und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. „Ich hole dich hier raus! Ich und dein Bruder! Wir..." „Das werdet ihr nicht! Und du verlässt dieses Hospiz auch nicht mehr! Du stehst hier einfach so... die Pest frisst sich wohl schon in deinen Körper!" „Ich bin ein Dämon! Mir kann keine Seuche etwas anhaben! Sie kommt mit oder willst du mich aufhalten.", knurrte ich. „Ja.", er zog seinen Knüppel und schlug zu. Problemlos fing ich den Knüppel ab, riss ihn ihm aus der Hand und schlug ihn stattdessen nieder. „Komm, meine Liebste.", sanft hob ich Venia hoch. Kraftlos hielt sie ihre Decke fest und kuschelte sich enger hinein. Beinahe hätte ich weinen müssen. „Wieso ist sie so neben sich?", brüllte ich einen der Ärzte an. „Sie wird wieder wacher! Bitte, nicht schlagen! Sie hat gerade den dritten Aderlass hinter sich! Das ist nur der Blutverlust!", erklärte er. Welch ein Glück, daher kam die Blässe. „Niala... nicht durch die Vordertür...", bat sie. Ich nickte und trug sie fort. Keiner der anderen Ärzte wagte es einzuschreiten während ich Venia durchs Krankenhaus runter zum Hof trug.

„Geht bevor ich euch aufschlitze.", knurrte ich den Knechten zu und da sie meine animalischen Ohren sahen gingen sie schnell. Sanft legte ich Venia auf einen der Karren ab. „Liegst du gut?", wollte ich wissen. Sie nickte apathisch. Vorsichtig legte ich ihr noch meinen Mantel um, bevor ich mich auf den Karren schwang. Ich hatte keine Ahnung davon wie man einen Karren steuerte. Doch da sie einen Dämon im Rücken hatten rannten die Pferde freiwillig los.

Irgendwie schaffte ich es den Karren zu lenken und erwischte Dreuven auf seinem Pferd. „Habe sie.", erklärte ich. „Sehe ich. Venia, liebste Schwester, wie geht es dir?", rief er ihr zu. „Richard.", hauchte sie lächelnd. „Die haben ihr eine Menge Blut genommen. Wohin?", wollte ich wissen. „Zum Haus unserer Mutter. Ich reite voran. Es ist ein Stück.", erklärte er. Ich nickte und folgte Richard.

Es war später Abend als wir an einem Haus ankamen. Das Haus war groß und sah nicht gerade billig aus. Doch mir war es egal. „Ich informiere meine Mutter und du trägst Venia hinein!", befahl Richard und ich nickte. „Venia? Liebste?", lächelte ich und sanft öffnete sie die Augen. „Ich trage dich jetzt ins Haus, in Ordnung?", lächelte ich. Sie nickte und ich hob sie hoch. „Ich liebe dich Niala.", hauchte sie. „Ruh dich aus. Wir reden morgen wenn du ausgeruht bist. Oder heute Abend. Wird sich zeigen. Aber du wirst wieder gesund? Verstanden? Du bist mit einem Dämon zusammen. Das kriegen wir schon hin.", lächelte sie. Sie schloss die Augen und kuschelte sich enger an mich als ich sie hinein trug. Richard deutete mir an in welches Zimmer ich sie bringen sollte und legte sie dort ins Bett. Ich deckte sie zu und schon schlief sie ein. „Niala?", hörte ich gedämpft und sah Dreuven an, der einen Essigschwamm vor Mund und Nase hielt. „Zünde bitte den Kamin an. Sie darf nicht frieren.", hauchte er. Gehorsam sprintete ich zum Kamin und entzündete ihn. „Ich werde meiner Mutter sagen wer du bist. Dieser Schock wird der kleinere sein... sie weint in der Küche... sie wusste nicht, dass Venia die Pest hat." „Ist es wirklich die Pest?" „Ja, ohne Zweifel." „Gibt es ein Heilmittel? Irgendwo auf dieser Welt?" „Nein. Nicht auf unserer Seite des Flusses.", hauchte er. Ich nickte. „Richard ich werde gehen! Ich kenne einen Mann... einen Dämon, durch dessen Siedlung kommen Dämonen von überall hindurch. Wenn es ein Heilmittel gibt weiß er es!", erklärte ich. „Und wenn nicht?" „Es muss! Es..." „Niala... sieh dir Venia doch an. Weißt du was der Arzt mir sagte?" „Was?", wollte ich verzweifelnd wissen. „Noch eine Woche hat sie. Länger nicht."

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt