POV Niala
Schon am frühen Morgen kauerte ich wieder auf einem hohen Ast und sah in die Ferne. Die Flammen waren bereits erloschen. Der Fackelzug war weiter gezogen. Doch Rauch stieg nach wie vor auf. Ich umklammerte meine Knie. Versuchte mir vorzustellen wie Bella vor den Ruinen stand und eiskalt auf die Verletzten hinab sah, wie es ihre Mutter getan hätte. Doch immer wieder sah ich sie verletzt am Boden liegen, ihre Kleider zerrissen und Tränen überströmten ihr Gesicht. Ich grub meine Finger in meine Knie. Ich musste hier bleiben! Ich durfte nicht gehen. Was sollte ich auch dort? Sollte ich hineinrennen, sie in meine Arme schließen und ihr sagen, dass alles gut werden würde? Nein. Diese Zeiten waren vorbei. Ich stände dann wohl nur da und würde unabsichtlich den Finger in die Wunde legen. Außerdem wäre es wie Betrug an Venia. Ich liebte Venia! Venia allein! Nur Venia gehörte mein Herz und an Bella zu denken war bereits Betrug. Doch ich fühlte mich wie hin und her gerissen! Venia hatte mein steinernes Herz aufgetaut. Mir statt dem kalten Stein pochendes Fleisch eingesetzt. Der Stein war mir lieber gewesen. Mit dem Stein hatte ich verbittert herumsitzen können. Nun kauerte ich hier und wusste nicht was zu tun war! „Niala?", rief Ora herauf. „Ja?" „Können wir mal reden?", bat sie. Ich nickte und kletterte hinunter zu ihr. „Komm mal.", bat sie und griff meinen Arm bevor sie mich weiter führte. „Seit dem Feuer bist du so besorgt. Sorgst du dich um Bella?" „Nein. Wieso sollte ich." „Weil ihr euch schon ewig kennt. Sag mir, gibt es jemanden auf dieser Welt, der dich besser kennt als Bella?" „Vater." „Jemand lebendigen." „Nein... Ich gestehe, auf dieser Welt kennt niemand mich so gut wie sie. Aber ich liebe Venia! Wieso sollte ich mich da um Bella sorgen?" „Du kannst Venia lieben und dich trotzdem um Bella sorgen!" „Nein. Es fühlt sich an wie Betrug.", erklärte ich und Ora seufzte. „Jetzt verstehe ich, was das Problem am süßen Gift ist.", bemerkte sie. Ich nickte. „Ja... es... es... ich weiß nicht. Ich konnte Jahrelang keine Liebe spüren! Und nun... nun ist es ausgerechnet das süße Gift.", bemerkte ich. „Bella verachtet mich. Und ich sorge mich um sie. Trotzdem hasse ich sie. Sie hat mich verraten! SIE... sie hat mich... Ora, ich lag blutend am Boden! Ich war mehr tot als lebendig und sie... sie verließ mich! Verweigerte mir ihre Hilfe!", erklärte ich. Sie nickte. „Ja... seit der schwarzen Nacht... ist vieles anders...", seufzte Ora und lehnte sich an mich. „Ich vermisse Bella. Sie war nett." „Sie wollte dich umbringen!" „Du doch auch schon mal! Aber... irgendwie... das mit dir und Bella... das hat irgendwie gepasst." „Lass das Ora, bitte. Ich hasse Bella einfach nur. Wie könnte ich nicht? Was sie mir antat... Nein. Sie paktiert nun mit Rakura. Sie wählte ihre Seite. Und ich liebe Venia. Sie macht mich glücklich. Bei ihr fühle ich mich so ruhig.", lächelte ich. „Gut... Und das mit Bella ist wohl eh abgeschlossen." „Ja. Ich weiß, es ist ganz schön in Erinnerungen zu schwelgen aber... ich erinnere mich dann immer an das was ist. Wenn ich bei Venia bin, bin ich ruhig und im Himmel. Wenn ich auf Bella treffe, dann streiten wir uns nur. So ist es nun einmal.", erklärte ich. Ich musste mich auf Bellas Verrat konzentrieren. Dann war alles leichter. „Ora, ich habe einhundert Probleme. Wenn ich alle Frauen in meinem Leben in Schubladen stecke habe ich nur noch 99. Vier Frauen in meinem Leben sind mir wichtig. Fünf, wenn man die Toten zählt. Doch Mutter ist tot. Sechs, zählen wir Mortale mit. Dann bleiben nur noch du, meine Schwester. Laila, meine Geliebte oder eben ehemalige Geliebte. Bella, meine Exverlobte und Venia, die Liebe meines Lebens. Ich schiebe nun alle in Schubladen. Mutter brauchen wir nicht mehr in irgendwelche Schubladen zu stecken. Du kommst in die mir nächste. Du bist mein Fleisch und Blut. Ich liebe dich über alles, Ora. Für dich würde ich jederzeit sterben. Dann haben wir Laila. Sie ist mir verbündet aber mit Vorsicht zu genießen. Das Körperliche mit ihr habe ich nach Venia nun eingestellt. Solange ich mich als Alphatier behaupten kann bleibt sie mit ihrem Bruder hier und stellt uns ihre Dienste zur Verfügung. Ich muss sie ernähren und beschützen. Und ihr ein Dach über dem Kopf bieten. Dann spioniert sie in meinem Auftrag und nützt mir. Bella, meine Exverlobte. Fern von dem was früher war ist sie heute mein Feind. Sie hat mich in der schwarzen Nacht verraten. Hat mir ein Messer in die Rippen gestochen und als ich all meinen Stolz vergaß und sie um Hilfe anflehte, da jagte sie mich fort. Bella ist meine Feindin, die unangenehm viel über mich weiß. Dann nun Venia. Mag sein, dass ich sie noch nicht lange kenne. Doch ich liebe sie. Ich sah ihre Augen, roch ihren süßen Duft, sah ihr zartes Antlitz und es war um mich geschehen. Venia... ich denke auch für sie würde ich zumindest mein Leben riskieren. Ob ich es geben würde... ich weiß nicht. Aber ich bin süchtig nach ihrer Nähe. Venia steht mir nahe. Auch wenn sie es als Mensch nicht wirklich so realisieren kann. Nun haben wir sie alle in Schublade. Du und Venia in der mir nahen. Bella in der mir fernen und Laila direkt in der Mitte.", erklärte ich ihr. Ora nickte. „Also... wirst du nicht nach Bella sehen." „Nein. Ich könnte gehen und sie verhöhnen. Aber... das tue ich ihr nicht an.", bemerkte ich und sah zu unserer Siedlung. „Gehen wir doch zurück es...", vier Hornstöße ertönten. „Na lauf schon.", bemerkte Ora bevor ich losraste.
Vier Hornstöße. Unwahrscheinlich dass es Venia war die ich antraf auch hallte immer wieder der Hornstoß über der Weite, bis ich endlich angekommen war. Franziskus stand dort in der Mitte der Brücke. Hinter sich eine Schar Soldaten. „Was hat das zu bedeuten?", wollte ich wissen als ich vortrat. „Wolf! Ich hoffe dir geht es gut! Ich..." „Was hat das zu bedeuten?", wiederholte ich und trat näher. „Wolf, ich bin im Auftrag der Jungfer Venia hier und..." „Was willst du?", wollte ich wissen. „Nun... ich soll dir eine Einladung überbringen. Soll ich sie dir vorlesen?" „Ich bin des Lesens mächtig.", knurrte ich. „Gut ähm... nun...", er reichte mir einen Brief. Sofort griff ich ihn und wollte mich umdrehen. „Moment! Willst du mir nicht gleich die Antwort mitteilen?" „Wieso? Und wieso ist Venia nicht hier?" „Venia ist... verhindert und..." „Venia hat als einzige ein Rechte mit mir zu sprechen und..." „Venia meinte... also... sie schickte mich da sie nicht konnte. Der Brief... es ist eine Einladung zu einem Fest! Graf Richard Dreuven hält ein Fest, darum ist Venia nun dort nicht hier und... nun du bist ebenso geladen." „Was will man mich dort?" „Du sollst versteckt eintreten. Trage einfach eine Kopfbedeckung oder dergleichen. Denn der Graf vermutet einen Angriff." „Mmh... gut. Ihr habt euch ja meine Gunst erkämpft also wird es schon gehen.", brummte ich. „Steht genaueres im Brief?" „Ja... nun... dann... ich danke dir, Wolf. Du scheinst wohl wirklich ganz menschlich zu sein.", lächelte er. Ich fuhr herum und starrte ihm direkt ins Gesicht. Er erstarrte. „Ich weiß, du meinst es nicht böse. Aber mich menschlich zu nennen ist schlimmer, als hättest du meine Mutter beschimpft.", knurrte ich und ging zurück in den Wald. Kaum war ich außer Sichtweite öffnete ich den Brief.
Niala, Tochter des Wotan,
zwei Tage nachdem du diese Nachricht erhalten hast, feiere ich ein Fest. Das Fest ist für einen meiner ehemaligen Rivalen. Heute behauptet er zwar mein Verbündeter zu sein, doch glaube ich ihm kein Wort. Ich wäre dir zutiefst verbunden wenn du kommen würdest. Gerne stelle ich dir ein edles Kleid zur Verfügung. Die Feierlichkeiten erstrecken sich über mehrere Tage.
In tiefster Demut,
Richard DreuvenMir wurde übel als ich Deuvens Flehen las. Ich würde kommen. Doch ein Kleid würde ich sicher nicht anziehen. Das war gar nichts für mich. Eine Gugel würde wohl dafür sorgen, dass man meine Ohren nicht sah. Es würde zwar unhöflich erscheinen die Kapuze aufzulassen doch besser als die Ohren zu zeigen. Nun gut... würde ich eben gehen. So wäre ich auch bei Venia. Die Zeit war nur ärgerlich. Mehrere Tage... wie viele denn? Schließlich musste ich eine Vertretung finden! Verflucht!

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Das süße Gift: Der einsame Wolf
Fantasía2. Teil von "Das süße Gift" 1. Teil: Die Tochter des Wotan Nach der schwarzen Nacht, in der Niala nicht nur ihren Vater und ihren gesamten Clan sowie ihre Verlobte, sondern auch ihre menschliche Mutter verlor, steht die junge Halbdämonin vor dem Nic...