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Zitternd kauerte ich neben Venias Bett. Eine Woche... eine Woche... Eine verdammte Woche. Meine Atmung ging schnell. Panisch! „Niala?", hörte ich außen und stand auf. „Ja?", wollte ich wissen und sah Richard an. „Was tun?", wollte er wissen. Ich sah ihn an. „Ich... ich weiß nicht... ich werde zu diesem Mann gehen! Jetzt sofort! Ich werde mit ihm sprechen!", erklärte ich. „Und wenn Venia aufwacht?" „Ich bin morgen wieder hier!", versprach ich und rannte hinaus.

In Gestalt eines Wolfes jagte ich über die Wege. Ich war schnell. Meine Lunge brannte. Ich rannte durch. Über die Brücke, durch den Wald. Ignorierte einen Rattendämon den ich halb über den Haufen rannte und ignorierte den Geierdämon der mich fragte was ich hier vor hatte. Bis ich in Elders Lager stand. „ELDER!", brüllte ich und keuchte. Meine Lunge war staubtrocken. „Elder!", flehte ich. Der Rattenmann trat aus seinem Zelt uns sah mich an. „Niala, wie geht es dir? Alles gut?", wollte er wissen. „Nichts ist gut! Gar nichts ist gut! Venia ist krank! Elder, sie wird sterben!", keuchte ich. Elder sah sich nervös um. „Komm mit.", er griff meinen Kragen und zog mich mit sich ins Zelt. „Niala.", lächelte Una und ich fiel auf die Knie. Zitternd griff ich Elders Hemd. „Elder, hilf mir! Ich flehe dich an!", bat ich. Schockiert starrte er mich an und auch Unas Blick ruhte panisch auf mir. Ein kniender Wolf. Doch ich hatte einen verflucht guten Grund zu knien! „Niala... Was ist los?" „Venia hat die Pest! Sie wird sterben, wenn ich kein Heilmittel finde! Ich brauche irgendetwas! Ein Kraut, eine Tinktur... verdammt irgendwas!", wimmerte ich. „Steh erst mal auf! Una, bringt ihr doch bitte einen Glühwein. Niala du bist ja komplett neben dir!", er führte mich auf einen Stuhl und ich setzte mich. „Ich habe es vor wenigen Stunden erfahren. Ich brachte Venia zu ihrer Mutter und seitdem renne ich hier her. Ich brauche ein Heilmittel! Schnell!", flehte ich. „Niala... ich weiß von keinem Heilmittel. Die, die wir kennen sind sicher nicht für die Pest geeignet. Wozu? Wir werden nicht krank." „Aber..." „Ich kann dir eine Tinktur zur Stärkung geben aber... das hilft einem Menschen nicht. Niala... trink hier.", er nahm Una den Becher ab und reichte ihn mir. Gierig trank ich leer. Meine Kehle war wie Staub! „Es muss doch einen Heiler geben der es kennt! Rakura! Kennt Rakura jemanden?", wollte ich wissen. Elder wurde kreidebleich. „Was? Wieso... wieso zu Rakura?" „Rakura kennt doch sicher jemanden! Verdammt, wenn Venia am Leben bleibt, dann flehe ich auch Rakura an! Vielleicht hilft er mir, wenn ich ihm was verspreche! Wenn... ich trainiere wieder! Ich bin nach wie vor ein starker Dämon! Er könnte mich doch sicher in seiner Armee gebrauchen! Ich schwöre ihm die Treue und..." „Stopp! Verdammt, Niala! Was redest du denn da? Nein! Rakura kennt auch niemanden, es gibt niemanden! Die Pest, wie du sie nanntest... das ist die Seuche die drüben bei den Menschen umgeht? Ich hörte davon... In Ordnung... Niala, du wirst ruhig bleiben. Bleib doch hier! Vergiss sie! Es..." „Vergessen? Elder, sie stirbt, wenn ich ihr nicht helfen kann!", flehte ich. „Niemand kann ihr helfen! Vielleicht ein Mensch? Irgendetwas. Aber kein Dämon kann es." „Das ist unmöglich! Dämonenblut oder so?" „Ein Märchen. Dämonisches Blut zu trinken heilt keinen. Ein uraltes Ammenmärchen.", bemerkte er. Ich zitterte am ganzen Leib. „Ich muss zurück." „Bleib hier und ruh dich aus! Du hetzt dich zu Tode!" „Ich kann ohne Venia nicht leben! Ich muss zu ihr!", rief ich und stürmte aus dem Zelt. „Niala! Weiß deine Schwester davon?", rief er mir nach. „Nein.", rief ich zurück und rannte davon.

Mein Körper war fertig als ich wieder in dem abgelegenen Anwesen der Dreuvens ankam. „Niala...", hörte ich und ich ging in menschliche Gestalt zu Richard. „Ist sie..." „Nein. Blei hier bei mir, sie schläft noch. Hattest du Erfolg?" „Nein... kein Dämon kennt sich mit Menschen aus.", hauchte ich. Er nickte. „Gar keiner?" „Gar keiner. Verdammt..." „Aber hier in der Menschenwelt! Sicher gibt es etwas! Irgendwo! Es..." „Meinst du ich habe nicht schon gesucht? Hunderte Brieftauben geschickt! Hunderte Boten! Alle Ärzte weit und breit... wissen auch nichts.", hauchte er. „Und nun?", wollte ich wissen. „Geh zu ihr, Niala... wenn sie aufwacht wird sie dich sehen wollen. Ihr selbst... sie hat die letzten Tage nur von dir gesprochen. Dass du dir das nicht so zu Herzen nehmen sollst... Das sagte sie mir! Ihrem Bruder... und du sollst es dir nicht so zu Herzen nehmen. Aber ich habe gesagt, dass ich es dir sagen werde. Weil...", er schluchzte. „Weil ich ihr großer Bruder bin. Weil ich stark für uns beide bin. Weil ich... weil ich nicht vor ihr weine... weil ich der Starke bin...", er brach zusammen, vergrub sein Gesicht in seinen Händen und weinte bitterlich. Ich ging zurück ins Haus. Ich konnte ihn nicht trösten. Denn ich fand auch keinen Trost.

„Du bist also der Dämon...", hörte ich und sah auf. Eine Frau stand vor mir. „Ja.", hauchte ich. Das war wohl Venias und Richards Mutter. Sie sah Venia ähnlich. „Meine Tochter... bliebe sie uns doch nur etwas länger erhalten... Kannst du helfen?" „Nein... so gerne ich es täte.", hauchte ich und ging hinauf.

Ich kauerte neben Venia auf einem Stuhl und beobachtete sie. Es war Mitternacht als sie die Augen öffnete. „Niala...", sie versuchte sich aufzusetzen und ich half ihr. „Venia, meine Geliebte, wie geht es dir?" „Nicht gut...", gestand sie. „Die Beulen schmerzen... meine Lunge brennt wie Feuer. Und...", sie hustete. „Alle Glieder schmerzen. Es begann vor einigen Tagen wie eine Grippe. Doch es wurde sehr schnell, sehr schlimm. Du hattest recht... wäre ich nur mit dir gegangen...", hauchte sie. „Es ist nicht deine Schuld! Ich finde ein Heilmittel! Ich..." „Nein... es gibt keines. Es... Mmh... mir schwindelt...", hauchte sie und sanft strich ich ihr durchs Haar. „Venia, alles wird gut! Alles wird...", ich schluchzte. „Niala... ich... kuschelst du mit mir bis ich wieder eingeschlafen bin?", bat sie. Ich nickte und legte mich sofort zu ihr. „Du bist so warm...", hauchte sie und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Ich war am Ende... ihr Leben rann mir durch die Finger und es gab nichts, das ich tun konnte. Keinen Feind zum erschlagen. Keinen Gegner zu besiegen. Alle Kraft, alles dämonische Blut nützte mir nichts.

Schreie weckten mich. Venia schlief bereits und ich stand auf. Unten vor der Tür war wie erwartet Richard, der ein Kreuz aufgestellt hatte und sich geißelte. „Hör doch auf...", bat ich. „Was soll ich sonst tun?", wollte er mit verweintem Gesicht wissen. „Hast du eine bessere Idee? Wenn es wirklich eine Strafe für unsere Sünden ist?", wimmerte er. Ich sah ihn an. Ich war verzweifelt. Ich hatte Panik. Ich konnte Venia nicht verlieren! „Hast du noch eine?", wollte ich wissen. Er nickte und deutete neben das Kreuz. „Aber die ist brutal. Die hat statt Knötchen Bleikügelchen." „Wird mir reichen.", hauchte ich und griff die Peitschte. Ich riss mir den Rücken des Hemdes auf und kniete mich neben Dreuven. „Einfach zuschlagen?", wollte ich wissen. „Einfach zuschlagen und beten, dass Venia überlebt.", hauchte er. Ich nickte und schlug mit aller Kraft zu. Ich keuchte auf. Der Schmerz war brutal doch vielleicht half es! Was sollte ich sonst tun? Der körperliche Schmerz war eh nur ein Nichts gegen den Schmerz in meinem Herzen! Ich schlug fester zu. Die Kügelchen durchschlugen meine Haut und ich spürte das Blut fließen. Doch schlug ich weiter zu. Tränen rannen aus meinen Augen aus Furcht Venia zu verlieren. Ich durfte sie nicht verlieren! So schlug ich fester zu!



Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt