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„Was schreibt man einem Mann, der dir sagt was er sagen kann ohne sein Leben zu geben? Soll ich ihn um mehr Informationen bitten? Durchaus würde es mir nicht schaden doch würde er damit Kopf und Kragen riskieren." „Ich weiß es nicht.", bemerkte Laila, gähnte und legte sich vors Feuer auf den Teppich. „Bedanke dich doch, Wolf. Sei nicht immer so unhöflich.", grinste sie. Ich seufzte. „Gut... aber was soll ich noch schreiben? Um Hilfe bitten?" „Beantworte seine Fragen und bitte ihn dich auf dem Laufenden zu halten.", bemerkte sie. Ich nickte und begann zu schreiben.

Elder,
ich danke dir für deine Hilfe. Ich weiß zu schätzen welches Risiko du für mich eingehst. Ich kann kaum glauben, dass allein der Plan im Raum stand mich in Rakuras Bett zu zwingen und ich danke allen Göttern, dass es niemals soweit kam. Denn ich ertrüge derartiges nicht. Ich würde ja behaupten, dass ich die armen Mädchen die Rakura erwählt oder seinen Soldaten übergi
bt in meine Gebete einschließe, doch bin ich kein großer Beter. Bitte halte mich auf dem Laufenden soweit dir möglich.
In tiefster Verbundenheit,
N
P.S. Ich sah einen Fackelzug und ihr Lager brennen. Ich glaube bei ihr wurde Brand gestiftet. Ich ging nicht hin um nachzusehen. Ich denke, du kannst dich dahingegen besser umhören als ich. Denn ich sehe nichts mehr in der dämonischen Welt. Du schon. Solltest du etwas über die Menschen wissen wollen, selbst dort bin ich mittlerweile besser informiert.

„Laila... hier...", ich warf ihr den Brief zu. Sie fing ihn und steckte ihn ein. Dann stand ich auf und wand mich in Richtung meines Zimmers. „Niala... und du willst wirklich nicht?", grinste sie und zwinkerte mir zu. „Wirklich nicht.", versicherte ich und ging in mein Schlafzimmer.

Ich wurde irre. Das war die einzige Erklärung wieso ich das hier tat! Ich zeichnete. Ich kauerte vor dem Kamin im Hauptraum, auf einem Fell und hatte ein Bein angezogen. Daran ein Brett gelehnt und darauf hielt ich das Papier und zeichnete. Es sah furchtbar aus. Die Augen waren zu klein und zu rund. Die Lippen viel zu dünn. Das Lächeln zu bizarr und das Gesicht zu rund und... ich war einfach kein Zeichner! Gar nicht. Wenn ich den Fluss malen sollte... malte ich zwei Striche nebeneinander! Entsprechend sah die Zeichnung aus. Ich seufzte und warf sie mitsamt Brett ins Feuer, bevor ich mich auf das Fell fallen ließ. Es regnete in Strömen... mal wieder. Wenn wir Pech hatten würde bald der Herbst kommen... das wäre ärgerlich. Draußen war noch nicht alles aufgegangen. Die Jahreszeiten hatten sich dieses Jahr wirklich gemischt. An Tagen in denen es in den Vorjahren bereits herunter gebrannt hatte, hatte es dieses Jahr sogar gehagelt! Doch das meiste Getreide hatten wir eh eingelagert. Ich war nicht dumm. Blind in der dämonischen Welt, geblendet vom süßen Gift aber dumm war ich nicht! Und wir müssten bald alles einlagern. Am besten auch Holz. Wir hatten ein kleines Lager dafür. Vielleicht sollten wir es vergrößern. Wir bräuchte mehr Holz. Oder die Füchse würden hier einziehen. Allerdings war das Holz das kleinste Problem. Natürlich, ein warmes Feuer wärmte einem die Glieder und kochte das Essen. Doch ein Dämon kam auch ohne zurecht. Ich wüsste noch von keinem Dämon der in dieser Gegend erfroren sei. Ich, Laila und Luan würden uns wohl in animalischer Gestalt zusammen kauern in der Höhle. Ora hätte ein Problem. Doch für Ora allein brauchte ich nicht allzu viel Holz. Die letzten Winter waren halb so schlimm gewesen. Doch die Sommer waren entsprechend mild ausgefallen. Dieser Sommer hatte Tage gehabt, da brannte es herunter. Und Tage, an denen hatte es geregnet als wolle der Himmel die Erde überfluten. Loki hatte mir einmal erzählt, dass seine Großmutter immer gesagt hatte, das bei solchen Sommern der Winter grausam werden würde. So grausam, dass einem die Kinder in den Armen erfroren. Ich müsste Vorkehrungen treffen! Das würde eine gute Anführerin tun...

Jagen. Jagen machte den Kopf frei. Das war schön. Jeder Schritt befreite mich. Jeder Schritt im Körper eines Wolfs ließ mich fokussierter werden. Venia, Ora, Bella, Rakura, Laila, Luan, sie alle verschwanden aus meinem Fokus. Ich sah nur noch das Reh. Wie es stumm auf der Wiese graste. Mich weder hörte, roch noch sah. Wie ich hinter es schlich und zum Sprung ansetzte. Das Reh riss Gras aus dem Boden und hob den Kopf. Kaute und sah in die Ferne fort von mir. Gerade als es den Kopf erneut senkte sprang ich los. Das Reh hatte keine Angst. Hatte keinen Schock. Ich durchbiss dem Tier das Genick bevor es mich überhaupt nur erkennen konnte. Das wäre gutes Fleisch. Die Furcht war ihm nicht in die Glieder gekrochen. „Ich mach schon!", kam es von Luan, der sich in menschlicher Gestalt neben mich stellte und das Tier packte. Ich nickte nur und rannte weiter. Luan war stark. An seinem Gürtel hingen bereits die drei Hasen, die ich gefangen hatte. Ebenso auf einem kleinen Karren irgendwo im Wald zwei Wildschweine. Die Räucherkammern mussten gefüllt sein! Die Fässer müssten voll gepökeltem Fleisch sein! Und meine Glieder müssten schmerzen, wenn ich heute Abend heim käme! Ein starkes Ziehen in jedem Muskel müssten mich heute Nacht vor allen Gedanken und Sorgen schützen, wenn ich wieder schlafen wollte!

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt