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Ich war heute am Fluss. Eigentlich wollte ich Hasen jagen gehen und mir vielleicht ein paar neue Winterstiefel aus ihrem Pelz fertigen allerdings roch ich plötzlich einen Menschen. Ich erschrak zutiefst. Natürlich habe ich schon einige gesehen aber nie wirklich mir gegenüber! Und erst recht nicht auf unserer Seite des Flusses. Ich fasste den Entschluss ihm den Kopf abzureißen und auf einen Stock zu spießen. Diesen dann direkt vor der Brücke zu platzieren. Ich schlich näher doch als ich nahe der Brücke war stand dort kein Krieger. Dort stand eine junge Frau und sammelte mit zitternden Händen Reisig. Sie war wunderschön. Ihr blondes Haar wehte seidig weich im Wind und ihre Augen glänzten wie zwei helle Sterne. Ich vergaß alles, als ich sie sah. Vergaß meine Pflichten als Vaters Nachfolger. Vergaß meine Pflichten als Mortales Verlobter. Ich wollte nur sie beobachten. Ich wollte mich ihr allerdings nicht nähern. Man sieht mir nun doch an, dass ich ein Dämon bin. Doch natürlich war es mir nicht gegönnt im Verborgenen zu bleiben. Sie lenkte mich so sehr ab, dass ich den Rattengestank nicht bemerkte erst, als sie das Mädchen umzingelt hatten. Ich griff sofort ein und rannte in Wolfsgestalt zu ihr. Die Ratten hatte ich binnen kürzester Zeit zerrissen. Ich wollte ihr versichern, dass alles gut war doch als ich mich in menschlicher Gestalt vor sie stellen wollte, da war sie verschwunden. Ich folgte ihr. Fand einen Wanderer, raubte ihn aus und mischte mich unter die Menschen. Ich fand das Mädchen und lud sie kurzerhand ein. Wir tranken gemeinsam. Jetzt, wo ich in meinem Zimmer sitze kann ich nicht einmal selber sagen, was ich tat! Wieso ich es tat. Es war, als hätte sie mich binnen kürzester Zeit verzaubert. Ich hatte alle Sorgen bei ihr Vergessen. Trank friedlich. Lachte mit ihr und zahlte Runde um Runde nur zu gerne aus dem fremden Geldbeutel. Ich hatte weder an mein hartes Training gedacht. Noch an Loki, mit dem ich eigentlich abends noch trainieren wollte. Noch an Mortale, die mich morgen mit ihrem Vater erwartet. Ich dachte nur noch an sie. Wie sie ihr Haar schüchtern hinters Ohr strich. Mich mit ihren sanften, blauen Augen ansah. Nach dem Wirtshaus spazierten wir noch ein Stück. Sie erkannte in mir natürlich den Dämon aber versicherte ich ihr, dass ich ihr kein Leid zufügen könnte. Ich weiß, es ist dumm mich ihr zu nähern. Gefährlich! Doch bin ich jetzt schon süchtig nach der Ruhe die sie ausstrahlt. Und nun liege ich seit Stunden wach. Morgen muss ich wach und hell sein. Morgen wird Dareius mit mir reden wollen. Vater wird mir zur Seite stehen. Allein würde ich mit diesem alten Kater auch nicht sprechen wollen. Und Mortales Blick ertrage ich kaum! Wie sie mich ansieht, voll Liebe und Zuneigung. Ich fühle mich geschmeichelt doch sind ihre Gefühle an mir verschwendet. Sie schwört mir, dass sie des Nachts wach liegt und nur an mich denken kann. Dass sie sich freut bald jede Nacht in meinen Armen liegen zu dürfen. Doch ich kann den Gedanken an sie nicht ertragen. Es tut mir leid um sie aber ich kann nur an eine Frau denken. An Nira.

Ich schluckte schwer als ich die Seite las und meine eigenen Gefühle darin sah. Wie Vater schon von Anfang an Nira verfalle war. War ich so bei Venia? Es durfte nicht sein! Unmöglich! Niemals! Ich würde dem süßen Gift nicht verfallen! Unmöglich! Ich atmete tief durch, trank einen tiefen Schluck und schlug den nächsten Tag auf.

Wie erwartet glich der Tag einer Folter. Dareius handelte mit Vater alles aus. Mortale und ich saßen am Feuer. Ich trank während sie sich an mich schmiegte. Sie erzählte mir von unserer Zukunft. Wie sie mich jeden Tag mit einem Kuss begrüßen würde, wenn ich heim käme. Wie unsere Kinder aussehen würden. Wie sie mich doch liebt und alles für mich tun würde. Das „alles" betonte sie besonders. Ich weiß, sie hätte mich sofort in ihr Bett gelassen, hätte ich es gewünscht. Auch nahm sie meine Hand, als unsere Väter etwas abseits gingen und legte sie auf ihre Brust. Mortale ist wirklich eine wunderschöne Frau und jeder Mann dieser Welt wäre glücklich sie zu haben. Doch ich bin es nicht. Ich konnte nur an Nira denken. Mortale sah mich so glücklich mit ihren blauen Augen an. Nie hatte ich den Wunsch ihr weh zu tun. Ich habe ihr geschworen sie zu ehelichen und das werde ich tun. Doch vorerst bleibt mir Zeit. Meine Hand nahm ich sehr schnell wieder von ihrer Brust. Sie wollte ganz gekränkt wissen, ob sie mir nicht gefalle. Ich versicherte ihr, dass sie die schönste Dämonin sei die ich je sah, was auch der Wahrheit entspricht. Doch all meine Gedanken kreisten um Nira. Ich werde wohl heute Abend zu ihr schleichen. Ich brachte sie nach Hause. Ich weiß, wo sie lebt. Schickt sie mich fort so gehe ich. Doch vielleicht kann ich sie zu einem Spaziergang überreden. Mortale hielt als wir beisammen saßen immerzu meine Hand. Versprach mir, sie würde mir gehören. Mir allein und mir auf ewig treu sein. Das glaube ich ihr aufs Wort. Katzen mögen für ihre Lügen bekannt sein, doch Mortales Worte sind aufrichtig zu mir. Mir sagt sie alles. Immer die Wahrheit. Ich weiß, dass Mortale mich liebt. Ich weiß, sie würde für mich sterben. Ich weiß, sie wäre die perfekte Braut für mich. Unsere Kinder würden stark werden und Mortale würde mich bis in alle Ewigkeit lieben und ehren. Doch ich kann es nicht. Ich kann niemals der Mann sein, den Mortale verdient. Denn all meine Gedanken kreisen um Nira. Nur Nira lässt mein Herz schneller schlagen auch wenn ich sie nur einmal sah. Morgen werde ich Loki um Rat bitten. Doch nun muss ich laufen. Vater ist ins Bett gegangen und ich muss Nira sehen. Jeder Moment ohne sie fühlt sich wie verschwendete Zeit an.

Ich klappte das Buch zu und warf es zur Seite. „Verdammt.", hauchte ich. Vater hatte es damals hart erwischt. Und das schlimmste war, dass es mich genauso erwischt hatte.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt