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„Und was steht in dem Brief?", hörte ich Ora. „Ich weiß es nicht. Frag deine Schwester.", kam es von Laila. „Die sagt es mir nicht! Also gib mir den Brief, sofort!" „Wenn du das Siegel brichst wird mich Niala häuten und in den Fluss werfen.", erklärte Laila. „Ich drücke ein neues Siegel auf! Das..." „Genug!", schritt ich ein und trat zu ihnen. „Ora, ich sage dir was in diesem Brief steht. Von mir aus sage ich dir auch, was Elder mir schrieb. Vor dir brauche ich wohl keine Geheimnisse mehr zu machen.", erklärte ich und sah Laila an. „Geh jetzt! Sonst bist du nicht rechtzeitig bei den Bergen. Es ist schon Nachmittag.", bemerkte ich. Ich hatte lange geschlafen. Auch nicht wirklich gut ohne Venia. Laila nickte und hob die Hand zum Gruß, bevor sie ging. „Also?", wollte Ora wissen und trat zu mir. „Was stand in dem Brief?", wollt sie wissen. „Nun... Elder bot mir einen eingeschränkten Informationszugang an. Natürlich nahm ich an. Aber eben nur eingeschränkt da er erstens selbst nicht alles mitbekommt und zweitens mehr ein Gefangener als ein Untergebener Rakuras ist. Er riet mir... er riet mir mit Bella zu sprechen doch ertrage ich das nicht. Das schrieb ich ihm so. Seine Informationen nehme ich gerne, doch niemals Bellas!", erklärte ich. „Niala! Nimm doch auch Bellas Informa..." „Nein! Erstens muss ich mich übergeben wenn sie wieder vor mir steht. Und zweitens würde sie mich zum Teufel jagen!", erklärte ich. „Aber..." „Nein, Ora. Du kanntest sie nicht halb so gut wie ich. Dir hat sie noch nie aus reiner Wut einen Dolch in die Schulter geworfen. Mir schon! Ein paar Mal... Sie ist brutal, bösartig und eine Verräterin!" „Sie wollte dir eine gute Frau sein!" „Sie wollte meine Macht! Sie wollte was ich hatte! Mehr nicht.", knurrte ich und sah zum Himmel. „Und jetzt genug davon."

Träge lag ich im Gras und blinzelte gen Himmel. Summte irgendein Lied. Ich meinte, Venia habe es gesummt. Ich setzte die Flasche an die Lippen und trank. „Ist das dein Ernst, Niala?", hörte ich und seufzte. „Was habe ich diesmal getan?", wollte ich wissen und sah Ora an. „Du liegst hier wie im Delirium! Du wolltest doch Rakura töten! Den Clan neu aufbauen und..." „Wann bitte wollte ich das?" „Vor Venia!", knurrte Ora. Ich seufzte. „Pah! Immer noch würde ich Rakura töten wollen! Aber wie stellst du dir das vor?", wollte ich wissen und sah sie an. „Ich schleiche mich in Rakuras Thronsaal und fordere ihn zum Zweikampf. Gewinne, setze mir Rakuras Krone auf, alle knien vor mir nieder und ich gehe in die Zellen um ungefähr 50 Wolfsdämonen zu befreien und schwups, ist alles wiederhergestellt!", grinste ich. Ora sah mich mitleidig an. „Aber nein. Sollte ich, wie auch immer, zu Rakura in den Thronsaal treten, so wird er lachend zusehen, wie Arkyn mich mit einem Schlag spaltet. Es ist mir unmöglich aufzuerstehen, Ora! Ich bin am Boden. Meine Hände und Füße bereits zu tief eingesunken. Ich bin am Ende. Die Welt der Dämonen ist für mich nie mehr betretbar. Ich darf an ihrem Rand existieren, doch niemals mehr Rang und Ehre erlangen. Und nun ist Venia meine Zukunft. Ich liebe sie. Bei ihr will ich bleiben.", erklärte ich ihr. Ora nickte mitleidig und sah hinauf zum Himmel. „Noch eine Woche, Niala.", bemerkte sie. „Was ist dann?", wollte ich wissen. „Dein Geburtstag." „Oh... gut. Dann bin ich 21 und?" „Wie und? Das muss doch gefeiert werden!", bemerkte Ora. „Ach was... meinen 18. Geburtstag verbrachte ich zusammen gekauert in meinem Zimmer in der Hoffnung, dass die restlichen Wunden aus der schwarzen Nacht verheilen würden. Meinen 19. Geburtstag verbrachten wir damit einen Hasen zu essen, den ich gerade so fangen konnte da damals noch so unglaublich viele Ratten durch die Gegend rannten. Meinen 20. Geburtstag... was taten wir da?", wollte ich wissen. „Du hast dich daran erinnert, wie du deinen 17. gefeiert hast und dich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken.", bemerkte Ora. „Oh... Aber wir brauchen da nichts zu tun. Bitte, einfach ganz ruhig. Ein ganz normaler Tag. Dann bin ich eben ein Jahr älter und..." „Komm schon! Wir müssen feiern! Du wirst 21!" „Und nächstes Jahr werde ich 22. Na und? Übernächstes 23. Dann 24, dann 25 und so weiter bis in alle Ewigkeit." „Ewigkeit ja nicht...", bemerkte sie und ich nickte. „Ja...", brummte ich als mir mein Ende gewahr wurde. „Niala... ähm... an jedem Geburtstag wirst du so..." „In mich gekehrt? Nachdenklich? Zynisch?" „Niedergeschlagen.", bemerkte sie. „Du denkst an alte Zeiten und ich kann es dir nicht verdenken. An deinem 17. Geburtstag ist so viel passiert. Auch in den wenigen Wochen danach bis eben... ja... der Angriff kam... Es ist viel an diesem Tag passiert und in der Zeit danach. Du wurdest Vaters Nachfolgerin, erhieltest die Kette. Lerntest mich und Mutter kennen, wurdest verlobt..." „Das alles ist vergangen.", brummte ich. „Für dich nicht.", sie griff an meinen Nacken und zog die Kette unter meinem Hemd hervor. „Du trägst sie immer noch. Und den hier daran.", sie griff an den Ring, den ich an der Kette trug. Die Kette nahm ich niemals ab. Nicht einmal, als ich mit Venia geschlafen hatte. Obwohl der Ring noch daran hing. „Du wolltest ihn in die tosenden Fluten des Flusses werfen. Aber das tatest du nicht. Du hast es am Ende doch nicht übers Herz gebracht. Der Clan ist tot. Du hättest die Kette fortwerfen können. Ins Feuer oder in die Fluten. Doch du hast sie weiter getragen. Sie wurde ein Teil von dir als Vater sie dir gab. Du wirst den Clan wieder aufbauen. Du hast Bellas Ring daran befestigt und nun ist er wie ein Kronstück in dieser Kette. Du hättest den Ring damals auch zerstören können doch das tatest du nicht. Du behieltest ihn. Und sicher nicht deshalb, da du ihn eines Tages einer anderen anstecken willst und..." „Genug!", knurrte ich. „Genug? Der Ring, Niala. Was bedeutet er dir?" „Er war ein Zeichen für die Verbindung zwischen mir und Bella.", brummte ich. „Diese Verbindung ist vorbei. Gebrochen und wird niemals mehr zusammenwachsen, oder?" „Ja... niemals mehr werden wir zusammen sein.", hauchte ich und sah zur Seite. „Dann wirf den Ring fort." „WAS?!", ich starrte sie an. „Wirf den Ring weg. Wirf ihn in die Glut der Schmiede und lass ihn schmelzen. Oder wirf ihn in die Fluten des Grenzflusses!", befahl sie. Ich sah den Ring an, den Ora vor meine Augen hielt. Der Ring... einst war ich nieder gekniet um damit um Bellas Hand anzuhalten. Hatte es mit Vater besprochen. Mit Bella besprochen. Mit Mortale besprochen. Hatte vor aller Augen nieder gekniet und Bella gefragt, ob sie mich heiraten wollte. Nach ihrer Zustimmung... nein! Da hatte ich den Ring noch nicht gehabt. Das war mein Antrag nur gewesen. Angesteckt hatte ich ihn ihr, nach unserer Hochzeitsprobe. „Ich hatte beschlossen, dass sie einen brauchte. Das jeder sehen sollte, dass diese Frau mir gehörte. Dass sie mein Gegenstück war... Bella...", ich stockte als ich bemerkte, dass ich laut sprach und schüttelte den Kopf. „Und dann warf sie ihn mir in der schwarzen Nacht ins Gesicht! Dieser Ring soll mich daran erinnern, dass sie mich verriet! Dass sie meinen Hass mehr wert ist als alle anderen! Ich verabscheue sie! Ich will sie hassen! Ich will sie verabscheuen!", erklärte ich und sie seufzte. „Wirf den Ring doch weg." „Nein." „Wieso nicht?" „Weil... weil er... er mich an den Hass erinnert!", behauptete ich. Sie seufzte und blickte in die Ferne. „Wieso hasst du sie so sehr?" „Sie hat mich in der schwarzen Nacht..." „Was hätte Bella denn sonst tun sollen, Niala?" „Mir aufhelfen sollen! Statt mir den verfluchten Ring ins Gesicht zu werfen hätte sie mir die Hand reichen sollen! Meine Wunden versorgen können! Verdammt wie oft hielt ich sie? Einmal hätte sie mich halten können! Immer wenn sie schwach war, war ich stark! Immer! Und einmal war ich schwach und was tat sie? Trat noch nach! Als ich all meinen Stolz vergaß und sie um Hilfe anflehte, da schickte sie mich fort wie einen räudigen Köter! Verdammter Dreck! Ich bin wütend auf sie, weil sie meine Wut verdient hat! Weil sie meinen Hass verdient hat!", knurrte ich. „Ja... aber... dann hätte Rakura sie..." „Getötet? Oh nein, das hätte ich zu verhindern gewusst! Wäre sie in dieser Nacht zu mir gestanden, so hätte ich sie mit aller Kraft geschützt! Aber nein... sie ist abgehauen, hat mich noch verhöhnt! Das war unverzeihlich.", knurrte ich. „Dann wirf den Ring weg. Er war einst Zeichen eurer Verbindung. Und du hast doch nun Venia, oder?", bemerkte sie. Ich seufzte. Natürlich sollte ich den Ring fortwerfen! Er war kein Zeichen für meinen Hass sondern für die Verbindung die ich mit Bella hatte oder eben gehabt hatte... doch... ich konnte mich nicht trennen! Dieses kleine Stück Metall... hatte keinen Erinnerungswert, außer an Bella! Er erinnerte mich nur an Bella und ich und Bella würden niemals, niemals, niemals wieder zusammen kommen! Oder auch nur in einem Raum stehen können ohne uns zu zerfleischen. Und trotzdem... schon oft war ich am Fluss gestanden und hatte ihn fortwerfen wollen. Aber nie hatte sich meine Faust um den Ring geöffnet. Egal ob ich ihn über Wasser oder Glut hielt. Es war mir unmöglich. Der Ring war ein Teil von mir. Verband mich mit der Frau die ich hassen musste. Ich hatte um vieles geweint, als ich nach der schwarzen Nacht Ora ins Bett gebracht hatte. Ich hatte die Tür hinter mir verschlossen und war zusammen gebrochen. Der Schmerz hatte mir die Tränen in die Augen getrieben. Geweint hatte ich, um Vater. Um Loki, um Mutter, um meinen Clan und mein Leben. Doch meine frische Wut und Verwirrung hatten dafür gesorgt, dass ich nie um Bella geweint hatte. Dass sie mich verlassen hatte. Damals konnte ich nicht lieben. Es war mir damals einfach nicht möglich gewesen Bella zu lieben. Die Liebe hatte ich erst durch Venia gelernt. Hätte ich damals schon lieben können... hätte ich dann Bella geliebt? Vielleicht. Doch nun gehörte mein Herz Venia. Venia und nur Venia allein. „Venia wird dich unglücklich machen.", hauchte Ora und ich sah sie an. „Was?" „Sie wird dir weh tun. Sicher nicht mit Absicht. Aber das wird sie tun indem sie einfach das tut, was jeder Mensch tut. Sie wird sterben. Früher oder später. Seuchen gehen im Moment wieder bei den Menschen um. Angeblich ist ein Großteil des Landes betroffen. Viele sterben. Vielleicht auch Venia. Vielleicht wird sie auch erst in einigen Jahren sterben. In einigen Jahrzehnten. Und das wird dich zerstören. Laila zeigte mir ein Buch über das süße Gift. Nachdem Venia tot ist, lebst du nicht mehr lang. So sehr du sie liebst, du wirst es nicht ertragen können, wenn sie stirbt und dann... dann wirst du hängen oder springen oder dich ertränken aber du wirst nicht mehr leben können.", erklärte sie. Ich seufzte. „Ich weiß.", hauchte ich. Ora seufzte. „Darum will ich jeden Geburtstag genießen den du noch mit uns verbringst! Wir werden feiern. Punkt.", erklärte sie. Ich seufzte und ließ sie gehen. Es war mir egal.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt