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POV Venia

„Kann mir jemand sagen: Was ist Minne? Weiß ich davon schon einiges, so wüsste ich doch gerne mehr. Wer sich besser drauf versteht, soll mir erklären, warum sie tut so weh. Minne ist Minne, tut sie gut. – Tut sie weh, heißt sie zu Unrecht Minne, doch weiß ich nicht, wie sie dann heißen soll. Wenn ich es recht erraten kann, was Minne ist, dann ruft nur alle: "Ja!" Minne ist zweier Herzen Glück, erfüllt es sie zu gleichen Teilen, ist die Minne da. Wird Minne aber nicht geteilt, vermag ein Herz allein sie nicht zu tragen. – Ach, wolltest du mir helfen, Herrin mein! Dame, ich trag an meinem Teil zu schwer – willst du mir helfen, dann hilf schnell! Bin ich dir jedoch egal so sprich es aus! – Ich gebe auf die ganze Müh und bin wieder ein freier Mann. Doch eines sollst du wissen, meine Dame: dass niemand schönre Lieder auf dich singen kann." „Ich danke Euch zutiefst doch..." „Kann meine Dame Süßes sauer machen?", machte er weiter. „Denkt sie, ich schenk ihr Freude, und sie gibt mir dafür Leid? Soll ich sie erheben, damit sie mich umso kleiner macht? – Dann hätt' ich wohl den rechten Überblick verloren. Doch weh, was red ich ohne Aug und Ohren! Wen Minne blendet, wie kann der noch sehn? Ich will also fortan singen, dass sie alle sagen: "Besser sang er nie!" Von dir bekomm ich keinen Dank – das hab ich dir erst vorgeworfen, doch nun höre dies: Weißt du, warum alle dir nur wünschen, dass sie glücklich sei, von der so schön gesungen wird? – Sieh, Dame, diesen allgemeinen Wunsch bekommst du auch von mir!", beendete er nun endlich sein fünftes Lied heute. „Ich danke Euch zutiefst, Franziskus. Eure Stimme ist immer so sanft und lieblich.", lächelte ich den jungen Mann sanft an. Über sein verätztes Gesicht zog sich ein breites Lächeln und er kniete vor mir nieder, bevor er meine Hand ergriff. „Liebste Venia, sprecht ein Wort und ich singe für Euch mein Leben lang! Bis mir die Stimme versagt und darüber hinaus! Tag für Tag, Jahr für Jahr, für Euch will ich singen und Lieder schreiben!", schwor er mir. Jedes seiner Worte war aufrichtig. Dass er mich liebte war mir bewusst und umso mehr tat er mir leid. Aus zwei Gründen konnte ich ihn nicht lieben. Ich begehrte keine Männer. Und ich konnte nur an die Dämonin denken. An Niala. Nicht an ihn. „Ich danke Euch für Eure aufrichtigen Worte, Franziskus. Doch bin ich als Eure Auserwählte schlecht gewählt. Denn ich darf Euch nicht ehelichen. Der Dämon würde mich jagen." „Alle Dämonen erschlagen ich für Euch, holdste Maid!" „Nein. Nicht diesen. Und eher verschreibe ich mich dem Dämon meine Seele, als dass ich Euer Euer Leben opfer." „Edle Dame, das ist nicht von Nöten! Seht, meine Hand kann mehr als die Laute spielen. Auch wenn ich lieber über die Seiten zupfe statt das Schwert schwinge, so kann ich auch dies und nicht schlecht tue ich es! Für Euch würde ich..." „Nein, Franziskus. Vergebt. Niemals kann ich Eure Braut werden. Die Kinder von denen Ihr mir erzählt werden nie geboren werden. Vergebt mir. Doch bin ich die Gesandte zwischen Dämonen und Menschen. Nun verzeiht, doch muss ich in mein Zimmer. Es ist schon recht spät.", erklärte ich und stand auf. Franziskus hielt mich sanft an der Hand fest. „Ein Kuss. Bitte. Nur einer und ich kann allen Schmerz im Kampf ertragen!", flehte er. „Nein, Franziskus, vergebt. Doch ich schwor als Jungfrau zwischen den Welten zu wandeln. Ich schwor es nach der Abreise des Dämons vor Gott dem Herrn. Ein Kuss würde ihn nur erzürnen.", bemerkte ich und Franziskus ließ meine Hand los. „So wünsche ich Euch trotzdem noch eine geruhsame und ruhige Nacht, Jungfer Venia.", er verbeugte sich und ich machte einen Knicks. „Euch eben so eine geruhsame Nacht, Junker Franziskus.", damit ging ich um endlich Schutz in meinem Zimmer zu finden.

Ich verschloss das Zimmer hinter mir. Zwar war Franziskus ein Mann von Ehre, doch erwartete ich Hagens Ankunft jede Nacht. Auch, wenn er eigentlich noch bei Richard sein müsste. Ich stellte mich vor den Spiegel und öffnete mein Kleid, bevor ich es gegen mein Nachthemd eintauschte. Im Spiegel beobachtete ich das leicht dunkle Mal an meinem Hals. Sanft strich ich darüber und erschauerte, als mir in den Sinn kam, wie Niala meinen Hals geküsst hatte. Als würden tausend Blitze durch meinen Körper jagen. Ich konnte nicht anders als sie zu vermissen. Tatsächlich schlug mein Herz schneller wenn ich an sie dachte. Wie sie am Feuer saß. Den Kelch in der Hand und den Dolch am Gürtel. Unser erster Kuss im Regen war für mich alles gewesen. So, wie ich mir meinen ersten Kuss immer erträumt hatte und so viel mehr. Ihre Lippen auf meinen und ihre Hände an meiner Taille. Für Dämonen war alles so selbstverständlich. Ein Kuss war für sie eine Kleinigkeit. Sich das Bett zu teilen taten sie oft. Für Menschen bedeutete es so viel mehr. Ich war in ihren Armen am Teppich eingeschlafen. Sie hatte mich in ihr Bett getragen. Dergleichen geziemte sich nicht für eine unverheiratete Frau. Doch es hatte sich wie der Himmel angefühlt. Ich kuschelte mich in mein Bett und löschte das Licht. Ich vermisste jetzt schon das Bett der Dämonin. Es hatte so schön nach ihr Gerochen. Nach Kraft. Nach Wildheit. Nach Niala.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt