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POV Niala

Meine Handgelenke waren blutig. Meine verdammten, schwächlichen, menschlichen Handgelenke bluteten! Ich hatte zu sehr an ihnen gerissen, wenn keiner hingesehen hatte. Die dicken Metallriemen verdeckten glücklicherweise das Blut doch war es unangenehm. Weniger der Schmerz als die Demütigung. Ich sah auf zum Himmel. Zwei Stunden noch. Vielleicht mehr. Vielleicht weniger. Aber es sah nicht gut für mich aus. Was sollte aus Ora werden, wenn ich nicht mehr war? Würden die Füchse sie aufnehmen? Eher nicht. Sie würden gehen. Der einzige Grund für sie hier zu sein war der Schutz, den ich ihnen bot. Ohne mich hatten sie keinen Grund mehr zu bleiben. Die Katzen würden sie niemals aufnehmen. Vielleicht würde sie Bella der alten Zeiten wegen verschonen. Ora hatte niemals Bellas Wut auf sich gezogen und sie schienen sich immer vertragen zu haben. Aber allein... vielleicht könnte Ora zu den Menschen zurück! Aber wenn sich ihre Ohren zeigten... Verdammt... Würden einfach die Ratten über sie herfallen? Würde sie herausfinden wollen wo ich gestorben war? Sie sollte am Besten laufen. Laufen soweit sie konnte und niemals mehr zurückkehren. Es war die Pflicht eines Wolfes sein Land zu verteidigen. Doch ich war der letzte Wolf. Nicht sie. Sie hatte mit alle dem nichts zu tun. Sie war frei.

„Na? Noch wach?", grinste Dreuven als er zu mir kam. „Natürlich. Es fasziniert mich wie ihr arbeitet. Die Wachen sind aber recht schwächlich. Der eine ist schon zweimal eingenickt. Die anderen würfeln gerade um meinen Dolch. Egal wer ihn gewinnt. Ich reiße ihm mit bloßer Hand die Kehle heraus, wenn er ihn mir nicht freiwillig aushändigt.", erklärte ich. Dreuven lachte leicht. „Allerliebst. Tu das ruhig. Meine Schwester ist soeben eingetroffen. Ich muss sie nur noch dazu bringen her zu kommen und sich das Spektakel anzusehen. Aber das habe ich gleich. Im Notfall lasse ich sie festhalten. Männer! Überschüttet den Scheiterhaufen schon mal mit Öl. Ich will es schnell machen. Aber nicht den Dämon! Es soll schnell brennen aber sie... sie darf gerne durchbraten.", grinste er und ging zur Burg. „Venia! VENIA komm sofort hier runter! VENIA! Verfluchte... Männer! Zerrt sie aus ihrem Zimmer! Tretet wenn Nötig die Tür ein! Sie soll es sehen!", befahl er und ich sah auf zum Himmel. Ein Tropfen traf meine Nase. Es begann jetzt auch noch zu regnen... Verdammt...

Nach einer guten Stunde zerrten zwei Soldaten eine schlanke Gestalt aus der Burg. Ich hätte ja gelacht, wäre meine Situation nicht deutlich beschissener als die ihre. „Bitte! Richard, ich will das nicht sehen!", kam es von der Gestalt, die ihr Gesicht unter einer schwarzen Kapuze versteckt hatte. Ich war schon komplett durchnässt. Das Holz würde brennen, dem war ich mir bewusst. Das Öl würde die Nässe besiegen und ich würde braten wie ein Schwein auf dem Feuer. „Richard, ich bitte dich! Mutter sagte doch immer, du sollst..." „Mutter sagte auch wir sollen die Köpfe unten halten und niemals was sagen. Sieh, ich hörte auf Vater und bin nun ein Graf. Und ja. Mutter sagte, du sollst sowas nicht sehen. Aber sieh hin! Es ist die Welt in der wir leben!", verkündete und hob eine Fackel. „Letzte Worte, Dämon?", grinste er und trat näher. Mein Herz schlug schneller. „Letzte Chance auf ein Überleben, Dreuven. Ich habe schon viel mehr überlebt als einen mickrigen Menschen und sein Lagerfeuer. Also, kette mich los und erflehe meine Gunst. Ansonsten werde ich sehr wütend.", knurrte ich. „Pah! Brenn, dreckiger Dämon!", grinste er und warf die Fackel auf den Haufen. Ich spannte mich an. Das Holz fing wie befürchtet sofort Feuer und kroch über den gesamten Haufen. Ich sah, dass Dreuven noch etwas zu seiner Schwester sagte und noch einiges lachend verkündete doch die Flamen züngelten zu laut und das Feuer knisterte um mich herum. Rauch stieg auf und ich begann zu husten. Verdammte Menschenlunge... Es begann warm zu werden. Dann unerträglich. Die Nässe des Regens, die mich hatte ausfrieren lassen, wurde sofort verscheucht und wich unerträglicher Hitze. Ich wollte schreien. Husten und mich in den Fesseln winden. Doch mein Stolz gestattete es mir nicht und so stand ich da. Panisch starrte ich hinab in die Flammen die in kürzester Zeit um mich waren und mich umschlossen. Das eiserne Kreuz erhitzte sich und brannte auf meiner Haut. Ich gab ein schmerzhaftes Keuchen von mir. Sie würden es eh nicht hören und nun konnten sie aufgrund des Rauches auch nicht mehr sehen, wie ich mich unter den Schmerzen wand. Mein Herz schlug laut und ich riss die Augen auf. Die Sonne ging auf. Ich spürte die Kraft zurückkehren. Der Schmerz wurde erträglicher. Dumpfer. Meine Kraft kam schneller zurück als das Feuer und ich grinste breit als ich es schaffte meine rechte Hand loszureißen. Die Wunden an den Handgelenken heilten zu und ich riss mit der Hilfe meiner Rechten die Linke los. Dann riss ich die Riemen an den Füßen auf. Mit einem Satz sprang ich vom Scheiterhaufen, der von der Wucht hinter mir zusammen prallte und einen Sturm aus Funken in die Luft entließ. Der Saum meiner Hosenbeine brannte ganz leicht doch der Regen löschte meine Kleider sofort, die kaum Schaden erlitten hatte. Meine Haut beruhigte sich durch meine Dämonenkraft und den Regen und dann richtete ich mich auf und sah auf meine Peiniger. Das Mädchen entließ einen erschrockenen Schrei und Dreuven fuhr herum. „Nein... das... das kann nicht sein!", keuchte er. Ich grinste breit und trat näher. „Und wie es sein kann! Nun seid ihr des Todes.", grinste ich und trat mit mordlustigem Blick näher. Hinter mir ging langsam die Sonne auf. „Nein... nein! Wir... wir verhandeln! Verhandle mit uns, Dämon! Bitte! Ich flehe dich an! Das... es bringt dir doch nichts, wenn du uns tötest!", flehte er und sah mich panisch an. „Mmh... das stimmt wohl. Aber ihr seid Dämonenjäger. Ihr habt auch einst meine Schwester angegriffen." „Bitte! Wir verteidigen nur unser Land! Gegen die Ratten!" „Ihr paktiert mit ihnen!" „Nein! Wir werden gezwungen! Wenn... wenn du willst, wir zahlen dir Preise! Wenn du nur unsere Leben verschonst!", bat er. „Pah! Was sollt ihr mir geben können?", grinste ich und packte schnell einen Pfeil, den einer der Wachen auf mich schoss. Mit einer Hand zerbrach ich ihn. „Was war denn das?", grinste ich. „Nicht schießen! Lasst sie! Nenn mir einen Preis, Dämon. Wir zahlen ihn.", flehte Dreuven. Ich seufzte. „Mmh... gut.", ich hörte wie er aufatmete und seine Fassung wieder fand. „Schnaps. Schnaps, Met... alles was ihr an Alkohol habt. Beliefert mich. Aber kommt nur an die Brücke! Der nächste Mensch, der auf meine Seite kommt, den werfe ich persönlich in Einzelteilen zurück!", knurrte ich. „Verstehe! Wird gemacht." „Ich bin noch nicht fertig!" „Was will sie denn noch?", hörte ich einen Wachmann flüstern und fuhr herum. „Du... deine Stimme! Du elender Hurenbock... komm sofort her! Ich fordere deine rechte Hand ein, mit der du mich so schamlos schlugst!" „W... Was? Aber er hat doch auch...", stotterte er und deutete auf einen anderen. „Beide! Ich verlange die rechte Hand beider und den Dolch, den ihr mir stahlt!", knurrte ich. Dreuven nickte. „Gut. Abgemacht.", bestätigte er. „Herr... nein!", flehten die Wachen als sie gepackt und vor mir auf die Knie gezwungen wurden. So gefiel mir das. Natürlich war mir bewusst, dass Dreuven nur den weinerlichen Mistkerl spielte. Er suchte nach einem günstigen Moment mich zu überrumpeln doch würde ich ihm diesen nicht geben. „Der Dolch! Wer hat ihn? Händigt ihn mir sofort aus!", befahl Dreuven und einer seiner Männer reichte ihn ihm. Dann sah er mich an. „Tu es schon.", forderte er. Ich grinste breit. „Mit dem größten Vergnügen.", ich packte die rechte Hand eines der Männer und dann sein Handgelenk, bevor ich mit aller Kraft daran zog und ihm mit einer schnellen Bewegung die Hand abriss. Ein Schrei, kaum mehr menschlich, kam von dem Mann bevor er panisch seinen stark blutenden Stumpf hielt und der andere mich panisch anstarrte. „Bitte... bitte ich... ich..." „Sei still.", grinste ich und riss auch ihm die Hand ab, bevor ich sie Dreuven vor die Füße warf. Nun waren die Fronten geklärt. Die Männer wanden sich unter ihren Schmerzen und versuchten ihre Blutungen zu stillen. Doch keiner wagte es sich ihnen zu nähern. Zu nah war ich ihnen. „Gib mir meinen Dolch.", forderte ich. Er nickte, zögerte allerdings und sah sich um. Er wusste, würde er sich mir nähern wäre es sein sicherer Tod. Ich tötete ihn nur nicht, da gerade gut einhundert Männer mit Armbrüsten auf mich zielten. Silberpfeile geladen, schätzte ich. „Venia, mein liebstes Schwesterchen. Tu deinem Bruder einen Gefallen.", lächelte Dreuven und reichte seiner Schwester die Klinge. Ich starrte ihn an. Welch feiger Bastard. „Richard... ich... ich..." „Geh! Oder soll sie uns alle töten?", bat Dreuven und die Frau taumelte zitternd mit gesenktem Kopf zu mir. Ihr Gesicht unter der Kapuze versteckt. „Du schickst deine Schwester vor, Dreuven? Sie ist jünger als du, nicht wahr?" „Ja. Meine einzige und jüngere Schwester.", lächelte er. „Du hast keine Ehre im Leib wenn du sie statt deiner in die Gefahr schickst. Doch ich handle ehrenvoll. Mädchen, du hast mir nichts getan. Ich habe keinen Grund dir ein Leid zuzufügen.", erklärte ich doch schien ihr das eher wenig ihrer Angst zu nehmen. Mit gesenktem Kopf blieb sie vor mir stehen und streckte die Hände aus, als sie mir den Dolch reichte. Ich starrte sie an. Sie war verborgen unter einem schwarzen Umhang. Nur ihr Geruch, den nach Wildrosen, konnte ich wahrnehmen. Ich nahm ihr den Dolch aus der Hand und sie zuckte zusammen, als meine Hand die ihre berührte, so viel Angst hatte sie vor mir. Gut! „Ich werde nun gehen. Ich erwarte morgen Mittag eine Fuhre. Und ich rate euch keine dummen Tricks zu versuchen. Heute bin ich noch gnädig. Aber ein andermal kann ich euch auch noch meine Wut zeigen.", erklärte ich, wand mich ab und sprang los um in Gestalt eines Wolfes davon zu laufen. Niemand schoss mir nach. Niemand folgte mir. Ich hatte meinen Standpunkt klar gemacht. Aber verflucht... ich hatte heute beinahe mein Leben verloren!


Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt