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Ich machte mich auf den Weg zurück. Venia lag noch in einer halben Ohnmacht im Bett, wo ich sie mit einem innigen Kuss verabschiedet hatte. Ich suchte meinen Weg allein durch die Burg, bis ich ein Keuchen hörte. Ich stockte und blieb vor der Kapellentür stehen. Immer wieder ein Schnappen und ein Keuchen. Lautlos öffnete ich die Tür und sah hinein. Mit den wenigen Kerzen war der Raum eher düster beleuchtet. „Im Namen des... Vaters... AH! Und des... Sohnes... AH! Und des... heiligen Geistes... AH!", ich trat näher und sah Richard Dreuven, der mit nacktem Oberkörper vor dem Altar kniete. Sein Rücken blutig. Die Peitsche in der Hand. „In Ewigkeit... Amen!", erneut schlug er zu und keuchte auf. „Ich hörte davon, dass manche auf Schläge stehen. War lange bei jemandem der das tat. Aber so extrem nun auch wieder nicht. Ich meine... Kratzer mag ja jeder. Manche mehr, manche weniger. Aber das hier ist schon extrem. Wie kriegt man denn einen hoch, wenn man sich nicht mal mehr auf den Rücken legen kann?", wollte ich wissen und trat ein. Dreuven fuhr herum. „Wolf! Was tust du hier?", wollte er wissen und stand auf. „Ich komme von Venia. Habe sie her begleitet. Und was tust du?" „Büßen. Du sahst es sicher. Die Pest." „Ja... die sah ich." „Kennt ihr die Pest? Seid ihr Dämonen mit einem Heilmittel ausge..." „Nein. Wir heilen Wunden damit sie sich nicht entzünden, wenn sie zu schwer sind. Wir nähen unsere Wunden und verbinden sie. Krankheiten suchen uns selten heim und wenn, dann sind wir eh zu schwach um zu leben.", erklärte ich und trat weiter näher. „Schade." „Finde ich auch. Was werdet ihr tun?", wollte ich wissen. „Dagegen ankämpfen so gut wir eben können.", er ließ sich auf eine der Bänke nieder. „Was sollen wir sonst tun?" „Wohl wahr, Dreuven." „Wolf?" „Ja?" „Du liebst meine Schwester, nicht wahr?" „Ja, ich liebe deine Schwester." „Dann nenn mich doch Richard. Ist persönlicher.", bemerkte er. „Dann nenne mich Niala.", bat ich. „Niala... ungewohnt. Dir einen Namen zu geben. Es macht dich menschlich." „Beleidige mich nicht.", bat ich. „Überdenke ob es eine Beleidigung ist. Denn auch Venia ist menschlich.", erklärte er. „Das ist wahr.", ich seufzte. „Und Venia trägt mein Herz in der Hand. Doch nun zurück zu dir. Wieso prügelst du dir den Rücken blutig?", wollte ich wissen. „Um die Pest abzuwenden... Stößt du zu mir?" „Sicher nicht. Ich trage genug Narben. Da brauche ich nicht noch solche. Sollte das Leder überhaupt durch meine Haut hindurch kommen...", bemerkte ich und griff eine der Peitschen. Ich besah sie mir. Der Griff und neun kleinere Lederkordeln die davon ausgingen. Jeweils zwei Knoten darin. Ich holte aus und schlug mir auf den nackten Oberarm. „Au! Das ist ja doch überraschend schmerzhaft.", bemerkte ich. „Es soll weh tun! Um bei Gott um Vergebung zu bitten!" „Aha... naja ich sage dazu einmal gar nichts. Sag mir... wie lange machst du das schon? Dein Blut läuft dir bereits bis zur Hose.", bemerkte ich. „Ich weiß... ich tue es seit zwei Stunden aber es erscheint mir noch nicht genug... Wolf... Niala? Du hast doch Kraft mehr als jeder Mensch!" „Ja?" „Schlag du mit zu! Mit aller Kraft auf meinen Rücken! Das wird genug sein! Ein dämonischer Henker für einen menschlichen Sünder!", bat er. „Ich werde sicher nicht den Bruder meiner Geliebten schlagen." „Du schlägst auch den Anführer der Dämonenjäger! Ich habe dich auf einen Scheiterhaufen gekettet, Niala! Das eiserne Kreuz hat sich in deinen Rücken eingebrannt!" „Das sieht man kaum mehr.", bemerkte ich. „Du musst mich ja nicht totprügeln! Sagen wir zehn Schläge!", bat er. „Nach einem wärst du ohnmächtig.", erklärte ich. „Ach was! Ich halte einiges aus." „Richard, würde ich dir nun in die Magengrube schlagen würde es dich bis zur Wand schleudern." „Bitte, Niala! Wende damit die Pest ab." „Ich kenne mich mit Krankheiten nicht aus, doch bin ich mir nicht sicher, ob es so funktioniert.", bemerkte ich. „Ich auch nicht. Aber versuchen wir es!", bat er. Ich seufzte. „Deine Schwester brächte mich um!" „Meine Schwester erfährt doch nichts! Bitte!" „Nein, Richard. Bist du jetzt völlig von sinnen?", wollte ich wissen. Er seufzte und stand auf. „Ja. Ich fürchte. Aber was soll ich tun? Ich habe mir hier den Grafentitel erkämpft und mit ihm einige Ländereien erlangt! Es obliegt mir die Pest abzuwenden!" „Bist du Arzt?" „Nein aber..." „Dann hol Ärzte her. So viele wie du nur kannst. Aber das hier wird wenig nützen.", erklärte ich. „Es ist die einzige Möglichkeit, Wolf.", seufzte er und erneut traf die Peitsche seinen blutigen Rücken. „Wenn du meinst. Ich gehe zurück zu meinem Clan. Wir müssen noch Vorräte einlagern." „Verstehe. Das mit Rakura... die Ratten belästigen uns kaum mehr. Wir scheinen sie nicht mehr zu interessieren. Tut mir leid, ich hätte dir gerne Informationen gegeben um sie zu be..." „Nein, nein. Selbst die Erkenntnis wo Rakura schläft von wann bis wann würde mir nicht helfen. Es ist unmöglich, das habe ich eingesehen. Ich will leben für Venia und mit ihr sterben. „Weise, Niala. Dann komm gut heim.", verabschiedete er sich. „Ich danke dir, Richard. Und du bring dich nicht um.", bemerkte ich und ging.

„Niala! Auch wieder da?", grinste Laila und reichte mir einen Zettel. „Bitteschön. Dein strenger Trainingsplan. Diese Brandspuren an Hagen könnten irgendein ganz komischer Zufall sein ODER der Beginn von etwas sehr großem! Halte dich ran und..." „Nein." „Was?" „Nein. Laila, wozu denn? Was soll ich trainieren?" „Oh nein...", hauchte sie. „Was bringt es mir noch dagegen zu kämpfen? Es bringt mir doch gar nichts. Am Ende würde ich verlieren. Also wozu trainieren?" „Ähm..." „Ganz einfach. Gehen wir lieber noch Holz hacken. Oder fischen! Das..." „Niala?" „Ja?" „Fieberst du?" „Nein. Ich werde nicht krank.", bemerkte ich. „Ja noch nicht! Aber du schwächelst! Nicht nur in deiner Einstellung! Du wirst immer schwächer und schwächer! Und wenn du einen bestimmten Punkt erreicht hast wirst du all deine dämonischen Züge verlieren! Ich habe es nachgelesen! Ich dachte zuvor ihr Halblinge seid vielleicht sogar immun gegen das süße Gift. Doch das Gegenteil ist der Fall! Gerade für euch ist es umso giftiger! Leider auch umso süßer. Zieh doch gleich zu Venia.", bemerkte sie abfällig. „Meinst du? Dann wärt ihr ja allein aber du und Ora würdet schon auf euch acht geben... ein kleines Häusche und..." „NEIN! Das war ein Witz, Wolf! Wage es nicht uns zu verlassen! Verdammt, wie weit ist es denn schon mit dir?", knurrte sie. „Nenn es nicht immer so als wäre es eine Krankheit! Ich liebe Venia! Ich..." „Wolf! Du trinkst das süße Gift und... ich fürchte schlimmer geht es gar nicht mehr!" „Es ist nicht schlimm! Es ist himmlisch! Ich liebe Venia! Und nur, weil ich dich nicht mehr ficken will brauchst du deinen untervögelten Mist gar nicht erst an mir ausla...", eine Ohrfeige ihrerseits unterbrach mich. Mit einem wütenden Knurren packte ich Laila am Hals und hob sie hoch. Sie keuchte auf und klammerte sich an meinen Arm. „Niala... lass mich... los...", keuchte sie. „Keiner schlägt mich ungestraft! Niemand! Und..." „Du beleidigst mich! Mit Untervögelung hat das gar nichts zu tun! Ich fände schon jemanden und du... du bist nur schwach! Denkst nur an Venia! Dabei musst du viele schützen! Neben Luan und mir musst du auch Venia schützen können. Ach und solltest du es vergessen haben, du hast auch eine Schwester, Niala.", keuchte sie. Erschrocken ließ ich sie los. Keuchend hielt sie ihre gerötete Kehle. „Trink doch das süße Gift und verreck dran! Aber die Kette um deinen Hals bedeutet etwas.", knurrte sie und ging. Ich schluckte schwer und griff an meinen Hals. Die Kette daran ja... ich durfte mich nicht so hängen lassen... auch wenn ich gute Lust dazu hatte.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt