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POV Laila

Dass ich es nicht rechtzeitig schaffen würde war mir bewusst geworden, als die ersten Menschen mich angespuckt hatten. Ich trug doch einen Umhang! Niemand wusste davon, dass ich ein Dämon war! Die Menschen waren furchtbar unhöflich! Zumindest bis ich an den Zaun einer Dame trat. Sie war schon recht verrunzelt. Ich sah selten einen Körper, den die Zeit so zugerichtet hatte. Ein Dämon starb meist mit jugendlichem Körper. „Guten Abend.", grüßte ich die Dame und sie sah auf. In der Hand hielt sie eine frisch geerntete Zwiebel. „Mädchen, was machst du denn um diese Zeit noch draußen?", wollte sie wissen. „Ich suche die Burg von Graf Richard Dreuven. Könnt Ihr mir den Weg sagen?" „Natürlich.", lächelte sie und ich war heil froh. Ich hatte noch... vielleicht zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang! Oder eher bis zum Aufgang des Neumondes... „Aber willst du nicht hier die Nacht verbringen? Selbst zu Pferde bräuchtest du einen halben Tag." „Ich schaffe es mit Sicherheit in ein paar Stunden. Wohin?", wollte ich wissen. „Mädchen, das..." „Bitte.", bat ich und sie seufzte. „Dort den Weg entlang und an der Gabelung links. Ab da ist alles ausgeschildert aber Mädchen, das..." „Vielen Dank.", lächelte ich und ging weiter, während die Frau mir nachsah.

Nun... ganz geschafft hatte ich es nicht. Es war knapp zwei Stunden nach Sonnenuntergang als ich eintraf. Ich hatte auch durch einige Dörfer irren dürfen und einige Kranke sehen können. Das war also die berühmte Pest, die die Menschen so dahinraffte. Da war man doch froh ein Dämon zu sein. „Halt! Wer da!", rief jemand. „Ich habe einen Brief für Niala!", rief ich aus. „Komm morgen wieder!", rief der Wachmann. „Aber..." „Kein Einlass!", verkündete er. Ich seufzte. Zu diskutieren war mir nun auch zu blöd und kämpfen war keine Option. So ging ich und umkreiste die Burg, bis ich ein angelehntes Fenster fand ungefähr zwei Meter über meinem Kopf. Ich machte ein paar Schritte zurück, rannte darauf zu und sprang. Gerade so erwischte ich den Sims und zog mich daran hoch.

Ich sah mich in der Dunkelheit um. Eine große Küche umgab mich. Derartiges hatte ich noch nie gesehen! Nun musste ich nur noch Niala finden... Ich schlich aus der Küche und huschte die Treppe hinauf bis ich stockte. Endlich. Holzig, animalisch, wölfisch. Eindeutig Nialas Geruch. Ich schlich den Gang entlang und hatte kurz darauf auch Venias Geruch in der Nase. Wildrosen... man musste Niala nur einmal zugehören haben um zu wissen, dass Venia nach Wildrosen duftete. Doch auch roch es nach Essig und... Kamille? Ach sollte man die Gerüche der Menschen verstehen... gerade als ich an der Tür klopfen wollte stockte ich und lauschte. Natürlich... Stöhnen und Keuchen. Typisch Niala. „Ah! Niala...", hörte ich den Menschen keuchen und rieb mir die Schläfe. Da hatte ich mich so beeilt... Was hatte Ora mich auch so hetzen müssen? Ich hörte Nialas kehliges Lachen und dann ein weiteres Stöhnen Seitens Venia. Niala musste aufpassen. Menschen waren doch so verflucht leicht zu beschädigen! „Schneller!", stöhnte Venia. Das konnte ich mir doch nicht mit anhören! Dreuven wusste also mit Sicherheit was Niala da mit seiner Schwester tat. Denn das war schwer zu verbergen. Wenn Dreuven des Nachts dem Zimmer seiner Schwester auch nur ein Stückchen näher kam hörte er sie sicher den Namen der Dämonin stöhnen. Als ich das Stöhnen Nialas hörte ebenso mit einem Schrei Venias gab ich ihnen noch zwei Sekunden, bevor ich eintrat.

Das Zimmer war in fahles Licht getaucht und ich sah die beiden im Bett. Venia mit geschlossenen Augen hatte den Kopf in den Nacken geworfen und lag mit einem zufriedenen Lächeln keuchend unter Niala. Niala küsste sanft ihren Hals, die Decke gerade so über ihrer Hüfte. Die Narben auf ihrem Rücken standen deutlich hervor... oder machte das nur das Licht? „Guten Abend ihr beide.", lächelte ich. Venia riss die Augen auf und keuchte auf vor Schreck bevor sie mit den Armen ihre Brüste verbarg. Niala fuhr herum und starrte mich seitlich liegend an. Sie schämte sich ihrer Nacktheit nicht. Ich wusste wie sie nackt aussah. Hatte ich doch selbst schon mit ihr geschlafen. „Was zur Hölle tust du hier?", knurrte sie doch ihr Knurren hatte heute... irgendwie keinen Biss. „Niala?", fragte ich verwirrt nach und trat näher. „Was? Verdammt, schließ zumindest die Tür! Bestenfalls von außen!", knurrte sie. Ich verschloss die Tür, allerdings von innen und trat zum Bett. „Bleib gefälligst stehen, verdammt!", befahl sie und ich gehorchte. Niala stand vom Bett auf und zog sich grob ihre Hose an und ihr Hemd, bevor sie sich mir zu wand. Venia kroch schüchtern tiefer unter die Decke.

Als Niala sich mir gegenüber stellte starrte ich sie an. „Was?", knurrte sie. „Es ist also wahr... meine schlimmsten Befürchtungen! Du bist zum Mensch geworden!", keuchte ich. „Was? NEIN! Das macht der... das ist... ach verfluchter Dreck! Jede verdammte Nacht hättest du von mir aus hier rein platzen können! Musste es an Neumond sein?", knurrte sie und atmete tief durch. „Was willst du denn von mir?", knurrte sie. „Das gab mir deine Schwester mit. Solltest du dich noch erinnern, Mensch. Du hattest mal einen Clan.", bemerkte sie. „Habe. Nicht hatte. Gib das her.", knurrte sie und riss mir den Brief aus der Hand. Sie überflog ihn und ihr Blick wurde weicher, bevor sie sich aufs Bett setzte. Venia sah über ihre Schultern hinweg auf den Brief und auch sie sah Niala an. „Ach verflucht... ja... die Zeit verging so schnell... Was soll ich tun? Kannst du... kannst du vielleicht bis zum Morgen warten?" „Ich soll dich sofort zurückbringen! Sofort!" „Sofort komme ich aber nicht mit dir mit! Punkt. Geh ins Nebenzimmer. Das ist offiziell meines und noch ziemlich unberührt. Also ruh dich aus! Ich und Venia auch und morgen reden wir!" „Aber deine Schwester..." „Wird noch einen Tag ohne mich ertragen!", knurrte sie. Ich seufzte und besah sie mir genauer. „Wieso genau bist du jetzt eigentlich menschlich?", wollte ich wissen. „Verdammter Dreck... weil Neumond ist! Und an Neumond passiert das mir nun einmal... Ich erkläre es dir morgen genauer im Lager aber jetzt ist Ruhe, verstanden?", knurrte sie. Ich nickte des lieben Friedens Willen und ging aus dem Zimmer. Ich hörte Niala seufzen und das Knarren des Bettes, als sie sich wieder zu Venia gesellte. Wie mir aufgetragen ging ich in das Nebenzimmer und fand ein Zimmer vor, welches praktisch unberührt war. War mir ja klar... Niala hing ständig an Venia und demnach hatte sie auch nicht einmal das Bett angefasst...

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt