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Direkt am Morgen hatte ich gehen müssen. Nachdem mir alle herzlichst gratuliert hatten. Aus Angst wieder jemanden zu treffen, den ich nicht treffen wollte, hatte ich mich irgendwo auf einen Felsen gelegt und geschlafen. Auch hörte ich am Abend die Hornstöße. Doch klammerte ich mich an den Stein. Laila sagte, sie würde sie holen. Und erst wenn sie fertig waren, würden sie mich holen. So döste ich noch etwas, bis Laila mich holte. Sie sagte kein Wort. Grinste nur bis über beide Ohren und führte mich zu meinem Lager. Man hatte mich bereits heute Morgen dazu gezwungen mich zu baden und anständig anzuziehen.

„Hier ist die Frau der Stunde.", lächelte sie und führte mich in das Lager. Ich lächelte breit. Sie hatten die große Tafel raus geschafft und sogar eine Tischdecke daraufgelegt. Ebenso reichlich gedeckt. Über dem Feuer brutzelte ein Wildschwein und bereits allerlei anderes Fleisch wartete entweder bereits auf den Tellern oder noch auf dem Rost über dem Feuer. Ora und Luan standen an ihren Plätzen und grinsten breit. Venia trat auf mich zu. Ihr Kleid war hellblau mit leichten schwarzen Akzenten. Ihr Haar hatte sie sicher aufwendig hergerichtet, denn es fiel ihr in sanften Locken über die Schulter. Sie trat zu mir und legte ihre Arme um meinen Nacken. „Alles Gute zum Geburtstag, Niala.", hauchte sie und legte ihre Lippen auf meine. Genüsslich erwiderte ich den Kuss und ließ mich vom Duft der Wildrosen umfangen. Ewig hätte ich so mit ihr stehen können und ihr schien es nicht anders zu gehen doch ein Räuspern seitens Laila ließ uns auseinander fahren. Ich grinste und trat neben Venia zum Tisch. „Alles Gute, große Schwester!", Ora warf sich mir in die Arme und problemlos hielt ich sie als sie die Füße vom Boden hob und wirbelte sie herum. „Setz dich, Niala!", grinste sie und führte mich zu meinem Platz, kaum dass ihre Füße wieder den Boden berührten. Venia und Ora neben mir. „Tada!", verkündete Ora und deutete auf das Essen. Woher sie so viel hatten wusste ich nicht. „Dort auf dem Feuer. Wildschwein. Gefüllt mit Wacholder, Kräutern und Wurzeln. Habe ich in einem Rezeptbuch gefunden.", lächelte Ora und freudig sah ich zu, wie Laila uns allen etwas abschnitt.

Das Bier, der Wein und der Met floss in Strömen. Wir schlugen uns die Bäuche voll. „Prost, Wolf. Trinken wir sonst platzen wir noch.", lachte Laila, die bereits einiges getrunken hatte und stürzte einen bitteren Kräuterschnaps hinunter. Ich tat es ihr gleich um meinen rumorenden Bauch zu beruhigen. Luan klopfte auf den Tisch und wir sahen ihn an als er aufstand und seinen Krug erhob. Er räusperte sich. „Niala... ich möchte dir heute zu deinem Geburtstag etwas sagen. Du hast uns ein Heim geschenkt. Du hast uns nicht zurück in die kalten Nacht gescheucht. Mag sein, dass du dich selbst als Bestie siehst doch in meinen Augen bist du am Ende doch ein Held! Denn du hast uns nicht fortgejagt. Du hast uns aufgenommen. Uns beschützt. Ansonsten... wer weiß ob wir noch leben würden.", verkündete Luan und ich lächelte verlegen. Doch bevor er trinken konnte stand seine Schwester auf und hob ihr Glas. „Wahrlich, Niala. Auch wenn du Entscheidungen triffst die ich lautstark regelmäßig anprangere und ich oft keine Ahnung habe, was der Morgen mit sich bringt, so fühle ich mich hier tausendmal sicherer als dort draußen. Vor allem, im nächsten Winter bin ich froh vor einem warmen Kamin sitzen zu dürfen statt in einer gegrabenen Höhle im Schnee. Dafür möchte auch ich dir danken.", verkündete Laila. Nun stand noch Ora auf und ich wurde immer verlegener. „Niala, meine große Schwester. Du hast mich damals nicht getötet. Dafür schon mal danke.", grinste sie. „Aber auch, dass du mir das alles beigebracht hast. Ich weiß, nach dieser furchtbaren Nacht warst du wohl am schlimmsten von uns beiden getroffen. Trotzdem hast du dich immer nur um mich gesorgt. Du bist lieber selbst halb verhungert anstatt mich auch nur einmal hungrig ins Bett gehen zu lassen. Danke, dass du in mein Leben getreten bist, wenn auch nicht ganz freiwillig. Danke, Niala, dass du da bist.", lächelte Ora sanft. Ich lächelte nur weiter verlegen als noch Venia aufstand und meine Hand ergriff. Ich sah sie an. „Niala, ich kenne dich von allen hier am wenigstens. Oder eher am kürzesten. Trotzdem hast du es irgendwie geschafft... dass ich dich liebe. Dass ich nur bei dir sein will. Danke, dass du mich liebst. Danke, dass ich dich lieben darf.", lächelte sie und alle hoben die Becher. „Auf Niala!", verkündeten sie alle und tranken. „Möge sie uns noch eine lange Ewigkeit erhalten bleiben.", grinste Laila und trank ihren Krug leer. Ich trank ebenso. Ihre Worte ehrten mich sehr und ließen mein Herz aufgehen. So stand auch ich auf. Denn auch ich musste doch etwas sagen! „Nun muss ja wohl auch ich was sagen.", grinste ich und trank erst noch einen Kurzen. „Also... fangen wir an. Luan, du großer Dummkopf.", begann ich und er rieb sich verlegen den Hinterkopf. „Der Hellste bist du ja nicht. Das sage ich dir ja oft genug. Aber verdammt... Ich habe Monate gebraucht um einen hässlichen Dolch zu schmieden und du... stellst dich hin und fertig ist das Meisterwerk. Dafür hast du meinen Respekt, Luan. Und ich gebe gerne zu, dass ich ohne dich wohl ein deutlich anstrengenderes Leben hätte. Da so ein Kerl der aus reiner Kraft besteht schon recht praktisch ist.", grinste ich. Er lächelte und nippte an seinem Krug. „Laila. Puh... Also...", ich zog meinen Dolch. „Meiner. Ich wollte es nur noch einmal klargestellt haben.", grinste ich und steckte ich weg. Laila lachte auf. „Ora. Geliebtes Schwesterchen. Was wäre mein Leben ohne dich? Du warst in der schwarzen Nacht mein einziger Grund aufzustehen. Ansonsten wäre ich einfach auf diesem Felsen geblieben und wäre verblutet. Dank dir stand ich auf, Ora. Auch, wenn ich anfangs wohl recht... schroff zu dir war.", lächelte ich. „Wärst du anders würde ich nicht glauben, dass es du bist.", grinste Ora und ich wand mich meiner Liebsten zu. „Venia. Ich liebe dich. Ich bin nicht gut in Gefühlen und dergleichen. Aber ich musste erst so alt werden um überhaupt erst richtig zu lieben. Nie liebte ich jemanden. Erst dich. Und es ist... es ist mir nun unmöglich ohne dich zu sein.", erklärte ich und küsste sanft ihre Hand, die ich ergriffen hatte. „Auf euch, die ich als meine Familie und meinen Clan betrachte!", rief ich aus und trank. Die anderen ebenso. „Noch eine Runde!", lachte Laila und füllte den Schnaps nach. Sie hatte eindeutig Spaß. Ora trank ebenso dem Anlass entsprechend. Nur Luan schien noch wenig Gefallen an dem stärkeren Zeug zu finden. Eher der Met sagte ihm zu und der Wein.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt