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„Ich hoffe du irrst dich. Es wäre mein Todesurteil. Ich plante heute Venia schroff in die Schranken zu weisen. Doch als ich sie sah... war all mein Wille gebrochen." „Ich suche das Buch. Und frage Ora. Vielleicht hat dein Vater noch Aufzeichnungen davon. Er schaffte es ja das süße Gift weitgehend zu überleben.", erklärte sie. Ich seufzte. „Vielleicht haben wir ja Glück und deine Menschenhälfte schützt dich." „Meinst du?" „Ich hoffe es. Aber ergib dich dem Gift nicht einfach, Niala! Noch würdest du ihren Tod vielleicht verkraften. Wir sollten das Mädchen töten und..." „Oh nein! Sie ist uns verbündet und Dreuvens Schwester und..." „Gut! Sehr gut! Du nennst rationale Gründe. Das ist gut! Das bedeutet, es gibt noch Hoffnung für dich! Also reiß dich zusammen und straff dein Training! Schwächen darf es dich nicht! Und behalte das Ziel im Auge! Du willst deine Familie rächen, Wolf! Du willst kämpfen! Du bist ein von Hass und Zorn getriebener Wolf! Kein liebestoller Idiot! Also los! Und Luan wird die Menschenfrau hinüberbringen. Wir stellen dich auf Entzug und... hoffen." „Aber..." „Nein. Bitte, vertrau mir einfach.", bat sie und ich nickte. Es wäre schon besser. Ich durfte das süße Gift nicht trinken! Es wäre mein Ende. Doch war ich bereits jetzt süchtig nach Venias Nähe. Nach dieser Ruhe, die sie ausstrahlte... Doch bekam ich bei ihr auch einen Tunnelblick. Sah nur das Menschenmädchen. Vergaß die Feinde die drohend um mich standen. Ihre Nähe war ungesund!

Mit dem festen Entschluss Luan mit Venia fort zu schicken trat ich ein. Venia war zum Aufbruch bereit und gerade als ich ihr verkünden wollte, dass Luan sie begleiten würde sah sie mich an. „Niala... begleitest du mich bitte?", bat sie. „Natürlich.", lächelte ich und erntete einen vernichtenden Blick von Laila. Ich wusste es ja selber... diese Menschenfrau konnte mich führen wie an einer Leine. Und bis zu ihrer Frage lag mir die Ablehnung auf der Zunge aber... ich konnte am Ende doch nur direkt zustimmen. „Niala, darf ich dich an deine Pflichten hier als Anführerin erinnern?", knurrte sie. „Darf ich dich an deine Aufgaben als Spionin erinnern? Geh und sieh nach was... was die Ratten machen, was die Katzen machen oder von mir aus eben, was so für andere Clans in der Gegend sind!" „Das kann ich dir aus dem Gedächtnis aufzeichnen! Das..." „Dann tu das. Gewissenhaft.", knurrte ich und nickte zum Ausgang. „Gehen wir?", lächelte ich. „Gerne.", erklärte Venia und folgte mir hinaus.

Etwas abseits meines Lagers bot ich ihr meinen Arm an und sofort nahm sie ihn. „Niala, ich glaube die Fuchsdämonin mag mich nicht." „Nein... daran liegt es nicht. Uns Dämonen sind Menschen einfach suspekt." „Wieso? Ihr seid tausendmal stärker als wir! Die Fuchsdämonin könnte mich doch binnen einer Sekunde umbringen!" „Das wüsste ich wohl zu verhindern. Keine Angst.", lächelte ich. „Ich danke dir aber... wieso schützt du mich? Wieso hast du meine Kuss erwidert, das frage ich mich.", erklärte sie. Ich seufzte. „Ich fühle mich in deiner Gegenwart einfach so wohl wie sonst wohl nirgends.", lächelte ich dümmlich wie ein Trottel. „Das ist... so geht es mir ebenso, Niala.", lächelte sie und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Glücklich führte ich sie in Richtung Fluss. „Den Karren lasse ich von Luan über die Brücke bringen.", erklärte ich und sie nickte. Venia hing an meinem Arm. Schien mehr als glücklich darüber, dass sie nun hier war, bei mir. „Niala... das gestern Abend... ich... also das lag nicht an dir ich... ich bin einfach noch nicht soweit und..." „Was? Ach das! Ähm... ja... entschuldige... ich bin es nun einmal einfach gewohnt so... so zu sein. Das ist... meine Art und ich versichere dir, dass ich nicht nur mit dir schlafen möchte. Ich möchte dich kennenlernen, Venia. Ich möchte... dass du mich kennen lernst.", hauchte ich und sie sah mich mit großen grauen Augen an. So gingen wir eng aneinandergeschmiegt zum Fluss.

Auf der Brücke, direkt in der Mitte, hielten wir an. „Soll ich dich bis zur Festung bringen?" „Nein. Ich gehe davon aus, dass Franziskus Grenzposten positioniert hat die mich geleiten. Also... wann soll ich wieder zu dir?", wollte sie wissen. „Ach, ich vergaß!", ich griff an meinen Gürtel und reichte ihr ein Horn. „Gib drei Hornstöße ab, bevor du die Brücke überquerst. Dann komme ich und erwarte dich auf der anderen Seite.", erklärte ich und reichte es dir. „Ich danke dir. Dann...", sie sah mich unschlüssig an. Einer kurzen Eingebung folgend zog ich sie an der Taille näher zu mir und sie legte wie selbstverständlich ihre Arme um meinen Nacken. „Komm zu mir wann immer du willst. Zu jeder Tages- und Nachtzeit bist du mir willkommen.", erklärte ich und legte eine Hand an ihre zarte Wange. Wir sahen uns in die Augen. Eine wundervolle Ewigkeit und so könnte ich den Rest meines unsterblichen Lebens stehen. Sie haltend auf dieser Brücke. „Komme zu mir, wenn du dich allein fürchtest. Komme zu mir, wenn dich einer der Männer bedrängt. Komme zu mir, wenn die Lieferungen kommen. Und vor allem, komme zu mir, solltest du dich nach mir sehnen.", hauchte ich. „So könnte ich fast schon bleiben. Doch muss ich los. So sehr es mich auch schmerzt.", sanft strich sie über meine Wange bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihre Lippen auf meine legte. Tausend Blitze jagten durch meinen Körper und erfüllten mich mit einer wohligen Wärme. Himmlisch. Als sie sich löste sahen wir uns in die Augen. Ein so zarter doch auch so intimer Moment für mich. „Bis bald, Niala.", hauchte sie. „Bis bald, Venia.", lächelte ich und sie ging. Ich sah ihr nach, blieb noch eine Weile auf der Mitte der Brücke stehen bis ich sie nicht mehr im Dickicht des Waldes erahnen konnte. Unter mir brauste das Wasser des Flusses. Dann machte ich mich zurück auf den Heimweg. Jeden Schritt den ich mich von Venia entfernte schien mir wie ein Schnitt ins Herz. Doch ich ertrug den beinahe schon körperlichen Schmerz. Denn ich hatte Aufgaben. Ich musste trainieren. Und als ich Venias Geruch von Wildrosen nicht mehr betäubend in der Nase hatte biss ich die Zähne zusammen. Verdammt... meine Gefühle zu Venia... sie waren wirklich gefährlich! Noch konnte ich mich sorgen aber wenn ich Pech hatte würde auch die Sorge bald vergehen! Und das wäre dann der Punkt, der für Dämonen so tödlich war.

„NIALA!", sprintete mir Ora entgegen. „Mmh?" „Hier!", sie drückte mir ein Notizbuch in die Hand. „Was ist das?" „Das habe ich in einer Truhe gefunden. Die Handschrift ist der Deinen ähnlich und..." „WAS ist das?" „Vaters Tagebuch. Das erste, dass ich fand beginnt an seinem 15. Geburtstag. Interessant wird es hier. In diesem Buch. Seite drei. Er lernt Mutter kennen.", erklärte sie und drückte es mir in die Hand. Ich schluckte und sah es mir an. Würde Vater da drin dokumentiert haben wie es ihm damals gegangen war... und es würde sich mit meinen Gefühlen decken... so trank ich das süße Gift.

Das süße Gift: Der einsame WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt