2. Die Spinne

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Eigentlich war es ein ganz normaler Tag. Aber einer von den schöneren, an dem die Sonne schien und den staubigen Boden von Meteor City angenehm erwärmte. Der Wind war auch nicht stark, er trieb nur hin und wieder die leichten Sandkörner des trockenen Bodens durch die Lüfte. Doch dieser Tag brachte ein Unheil mit sich.

Die Müllhalde roch gar nicht so schlimm, wie eine Müllhalde riechen sollte, was ein Bonus für die Bewohner war. Deswegen kamen wohl immer so viele dorthin, in der Hoffnung, etwas Brauchbares zu finden. So tat es auch ein junges Ehepaar, ein armes Ehepaar, auf der Suche nach einem alten Kühlschrank oder ähnlichen Dingen, die in ihrem Haus noch fehlten.
In jenem Moment, als sie schon dabei waren, sich ihrem Heimweg zu widmen, entdeckten die beiden in der Nähe ein strahlendes, weißes Leuchten. Neugierig, wie sie waren, gingen sie der Sache auf den Grund und fanden ein kleines Baby, von dem Leuchten umhüllt. Es hatte mittelgroße graue Augen und bereits pechschwarze Haaransätze. „Wie kann man hier nur Babys abladen", ärgerte sich Mrs Akira und drängte ihren Mann, es zu ihrem Kind zu machen.
Nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit ließ er sich also überreden, das Kind mitzunehmen und aufzuziehen. Obwohl beide große Bedenken hatten, da das Kind einfach nicht zu leuchten aufhören wollte, hatten sie eben zu viel Mitleid, es dort liegen zu lassen, wo es wahrscheinlich dem Tode geweiht gewesen wäre.
Bei dem Kind fanden sie einen Zettel, auf dem sein Name geschrieben stand:
„Chrollo Lucilfer".

Chrollo wuchs unter sehr bedürftigen Umständen auf. Mr und Mrs Akira stritten oft, wenn mal wieder die Vorräte ausgingen, aber sie stritten auch über Chrollo. Das Licht, durch das sie ihn gefunden hatten, war die Austrahlung seiner Aura, wie sie nachlesen konnten. Sie besaßen nämlich einen alten Keller mit Büchern, so weit das Auge reichte, der endlich mal zu etwas nützlich wurde.
Und es machte ihnen Angst, dass Chrollo schon als Baby Aura, oder auch Nen, ausstrahlen konnte. Denn es war ein absolut düsteres Nen. Also es war farblich nicht schwarz, aber es war mehr als nur angsteinflößend.
Sie versuchten, ihn zu lieben, konnten es aber nicht. Stattdessen hassten sie ihn. Aber sie zwangen sich, ihn aufzuziehen, weil sie ihn aufs Tiefste bemitleideten und nicht verrotten lassen konnten. Also spielten sie ihm etwas vor.
Anfangs fiel Chrollo die Abneigung seiner Eltern kaum auf. Wobei er es sogar hätte bemerken können, da sie ihm stets einredeten, man könne seinen Nachmahmen nicht ändern, weshalb er nie den Namen „Akira" erhalten hatte. Sie wollten nicht, dass er ihren Namen trug.

Im Glauben, geliebt zu werden, schlich sich Chrollo Lucilfer nachts, oder wenn er von der Schule kam, auf die Straßen und raubte die Schwächeren aus, um seine Lebensumstände zu verbessern. Auch um seinen Eltern nicht mehr ganz so viel von dem wenigen kostbaren Essen, das sie hatten, wegzuessen. Ihnen erzählte er nur, sein Hunger sei nicht mehr allzu groß.
Die Müllhalde selbst, stellte nämlich nicht die nötige Quali- und Quantität an Lebensmitteln da, die eine Familie brauchte, da gab es hauptsächlich nur irgendwelche Geräte. Außerdem verscheuchte die Mafia, welche die Müllhalde mittlerweile fast vollständig kontrollierte, immer mehr als störend empfundene, auf sich gestellte Kinder, weshalb die rottigen Straßen auch so viele dieser Kinder beherbergten.
Chrollos Nen war inzwischen so ausgebildet, dass er sein Diebesgut zwar nicht durch Kampfen, aber durch seine so entstandenen schnellen Reflexe erlangte oder andere mit der Aura einschüchterte. Und diese Aura wurde stärker.
Je stärker sie wurde, desto mehr wuchs die Abneigung seiner Eltern, bis dies schließlich auch Chrollo bemerken und ihre Lügen durchblicken konnte.
Das Nen erschien so unheimlich, dass sie manchmal Angst hatten, sich ihm zu nähern oder nur vor seinem dunklen Blick erschauderten. Ihn machte das aber nicht traurig; es machte ihn eiskalt.

Die Zeit verging und er spürte ihren Hass deutlicher, sein Charakter wandelte sich dadurch immer mehr in Richtung grenzenloser Dunkelheit. Was auch sonst, wenn er jeden Tag von den verachtenden Blicken seiner Eltern nur so überschüttet wurde. Und sie immer gemeiner zu ihm wurden. Ihn für jeden kleinen Fehler, den er beging, gleich beleidigten. Und er als Krönung die ein oder andere Ohrfeige dazu bekam.
Chrollo konzentrierte sich nun ganz auf seine nächtlichen Raubzüge. Er war ein Dieb. Und er genoss es. Vielleicht gehörte er ja auf die Straße. Seine Eltern wollten ihn ja sowieso nicht. Außerdem konnte er sich so selbst holen, was er zum leben brauchte, und zwar so viel er wollte.
Von Zeit zu Zeit empfand er nichts mehr für sie. Er brauchte sie nicht mehr.
Und sein besonderes Nen kam ihm nur zu Gunsten.

A Story about ThievesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt