4. Gassen

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Die Geschichte dieser beiden Kinder führt uns etwas tiefer in die Gassen von Meteor City. Sie waren dunkel und stickig, da so wenig Platz zwischen den Häusern lag und manchmal war es so dunkel, dass einem bereits am Tag die volle Sicht geraubt wurde.
Gab es Sandstürme, zogen sie hindurch und machten es denjenigen, die dort ihr Leben zubrachten, noch schwieriger.
Der Müll lag hier in allen Ecken verstreut, wahrscheinlich durch den Wind in die Gassen getrieben, die Böden waren uneben und die Hauswände verschimmelt. Und trotzdem boten diese Gassen die peferkte Heimat für alle Kriminellen, Diebe und Banditen, die sich gegenseitig um ihre mangelnden Besitztümer rissen. Denn die engen Gassen waren so verzweigt und die Häuser so hoch, dass man an keinem Ort besser Flucht und Vefolgungsjagden tätigen konnte, ebenso bot der Ort zahlreiche, schwer zu findende Unterschlüpfe.

Einen dieser Unterschlüpfe teilten sich ein Handwerker namens Hazama, etwa mittleren Alters, und zwei verwaiste Kinder. Hazama sicherte sich ihr Überleben, in dem er Handwerksaufträge von den Kriminellen erledigte, was zwar nicht wirklich legal war, aber ehrlich, welche Schandtat wurde in Meteor City denn schon bestraft?
Er lehrte die beiden Kinder außerdem alles, was wichtig war, da sie nicht zur Schule gehen konnten.
Sie trugen die Namen Uvogin und Nobunaga Hazama. Nobunaga nahm den Namen seines Ziehvaters an, da er für ihn wirklich wie ein Ziehvater war, doch Uvogin fiel der Anschluss schwerer. Deshalb war er einfach nur Uvogin.

Eigentlich lebte es sich in dem kleinen, gar nicht mal so dreckigen Unterschlupf ganz gut. Sie hatten meist genug zum Essen und zum Trinken, auch herrschte ein angenehmes Klima zwischen den Dreien vor. Und obwohl das Verhältnis zwischen Nobunaga und dem Handwerker enger als bei Uvogin war, kam es fast nie zu Streitigkeiten oder Problemen.
Nun ja, bis zu dem Tag, an dem Handwerker Hazama von Schulden überhäuft wurde, die sein Vater ihm nach seines Todes hinterlassen hatte. Wogegen er auch nichts tun konnte, bezahlte er nicht, würde man ihn ins Shino-Arbeitslager im Osten von Meteor schicken, und glaubt mir, dort kam keiner mehr lebend raus.
Das Eine führte also zum Anderen- die Lebensbedingungen wurden schlechter und die drei hungriger. Die Stimmung wurde angespannt, besonders, als Mr. Hazama Wind davon bekam, was Nobunaga und Uvogin sonst noch so trieben.

Eigentlich waren die beiden glückliche Kinder. Sie fragten auch nie, woher sie kamen, oder wie der Handwerker sie gefunden hatte, oder warum er sie bei sich leben ließ. Das zählte für die beiden nicht. Sie hatten den Menschen, den sie brauchten.
Mr Hazama war ein gutherziger und ruhiger Mann, weswegen Nobunaga mit seiner eher vernünftigen Natur  auch besser mit ihm zurecht kam, als der aufbrausende Uvogin. Uvogin war nämlich schon von klein auf gerne mal gemein zu anderen und mochte es, sich selbst aufzuspielen oder zu beweisen.
Er war außerdem von Geburt an unnormal groß und muskulös, Nobunaga dagegen ziemlich dünn. Daher hatte wohl kaum ein anderer sich in seiner Kindheit so oft geprügelt, wie Uvogin.

Doch Mr Hazama war so gutmütig, dass er Uvogin nach jedem einzelnen Schlag, den er jemandem verpasst hatte, verzieh. Egal was er tat, egal wie er andere behandelte, Mr Hazama konnte ihm nicht böse sein, solange Uvogin niemanden tötete, denn das war für Mr Hazama das größte Vergehen.
Doch er zeigte Uvogin ihm nicht, dass er gar nicht sauer war, er sagte einfach gar nichts, wenn Uvogin mal wieder zerbeult nach Hause kam.
Vielleicht war auch das genau der Grund, warum die beiden nicht viel miteinander sprachen, vielleicht hätte Mr Hazama ihm zeigen sollen, dass er ihn trotz allem lieb hatte, so wie er es Nobunaga zeigte. Aber er wusste nun mal nicht wie, wie er zu einem Streitsüchtigen wie Uvogin durchdringen konnte, obwohl dieser sich das von Herzen gewünscht hatte. Und vielleicht dachte Mr Hazama manchmal, dass er bei Uvogin als Vater versagt hatte.
Trotzdem wirkten beide stets zufrieden und bereiteten ihm so wenige Probleme, wie nur möglich, zumindest innerhalb dieser kleinen Familie.

Zur Zeit seiner Schulden merkte man ihm die Traurigkeit und Verzweiflung richtig an. Es zerstörte ihn, dass er seinen Ziehsöhnen nicht mehr bieten konnte als Hunger, der gerade so gestillt werden konnte.
Auch wenn er noch immer einer der nettesten Menschen auf dieser Welt war, machte es Nobunaga und selbst Uvogin fertig, Mr Hazama so zerbrechlich zu sehen. Ja man könnte es so sagen, er war tief in den Depressionen versunken. Da sie ihm nicht zu helfen wussten, suchten sie einen Weg, ihren Frust rauszulassen, um nicht selbst mit nach unten gerissen zu werden. Also wählten sie den wohl einfachsten Weg.
Sie gingen von Tag zu Tag öfter raus auf die Gassenstraßen und prügelten die Räuber, denen sie über den Weg liefen, nieder.
Uvogin schlug aggressiver zu, öfter. Teils wegen seiner „wilden" Natur, doch auch weil ihn die derzeitige Verfassung seines Vaters wohl noch mehr belastete, als Nobunaga. Woran das lag? Vielleicht hatte er immer gewusst, dass er geliebt worden war, die beiden konnten ihre Verbundenheit nur einfach nicht ausdrücken. Anders war es zwischen Uvogin und Nobunaga, sie bedeuteten sich schon immer so viel,  als wären sie echte Brüder, deren Band in Zeiten wie diesen noch mehr gestärkt wurde. Sie kämpften zusammen und beschützen sich gegenseitig, sie würden auf ewig zusammenhalten.

Eines Tages, als beide genug vom wahllos Prügeln und dabei stehlen hatten, kam Nobunaga eine Idee. Er wollte seinen geliebten Vater aus seiner Depression und aus den Schulden holen. Zusammen mit Uvogin schmiedete er den Plan, die Schuldeintreiber zu finden, auszuschalten und so ihren Vater zu befreien. Es war nicht die beste Variante, aber wohl die einzige. Dass sie darauf nicht früher gekommen waren, war fragwürdig.
Es dauerte nicht einmal so lange, die Schuldeintreiber ausfindig zu machen.
Gemeinsam stürmten die Brüder deren Unterschlupf und schafften es, sie auszuschalten. Während Uvogin mit Fäusten kämpfte, war Nobunaga schon damals vertraut mit Messern und Schwertern, beide waren von Natur aus ziemlich stark.
Und gerade, als sich Uvogin durch die dunklen Locken streifte und sie zufrieden die Kluft verlassen wollten, konnte sich einer der Niedergestreckten aufräppeln und Uvogin mit unvorhersehbarer Geschwindigkeit und dem Schutz der Dunkelheit ein Messer in den Rücken rammen. Uvogin spuckte Blut, der Mann grinste hämisch, doch bemerkte Nobunagas schnelle Reaktion nicht und ehe er sich versah, klemmte Nobunagas Messer schon in seinem Kopf. Und aus reiner Wut und reinem Hass töteten sie noch die beiden anderen Schuldeintreiber.

Der Fehler, der sie von ihrem Vater trennte. Denn Mr Hazama konnte, so sehr er sie liebte, nicht mit Mördern leben. Er war von den Schulden befreit, dafür dankte er ihnen, doch es fühlte sich für ihn wie ein Pfeil an, der sein Herz durchbohrte, was seine Söhne getan hatten. Er schickte sie weg, er hätte es nicht ertragen. Sie erfuhren niemals, ob Mr Hazama jetzt noch depressiver wurde, oder ob es ihm besser ging. Sie wollten es nicht wissen.

Doch sie respektierten ihren armen, gutherzigen Vater weiterhin jeden Atemzug lang, den sie taten- auch wenn Nobunaga und Uvogin jetzt auf sich gestellt in den Gassen lebten und nicht mehr davor scheuten, wieder zu morden.
Zwei kaltherzige Diebe, die in der Kriminellenhierarchie aufsteigen wollten und deren brüderliche Bindung niemand mehr durchtrennen konnte.

A Story about ThievesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt