37. Der 1. September

51 6 0
                                    

„Also Leute, wie besprochen, bei Sonnenuntergang treffen wir uns alle wieder hier", sagte der Anführer der Spinnen zum Abschied, kurz bevor sie alle in unterschiedlichen kleineren Gruppen in die Stadt hinaus schwärmten. Am Abend war ja die erste Untergrund-Auktion, bis dahin wollten sie sich also noch frei auf den normalen, unspektakuläreren Auktionen austoben und nötige Vorbereitungen für diesen Abend treffen. Der Treffpunkt lag in einem etwas abgelegeneren, leeren Viertel der Stadt, aber nicht allzu weit vom Auktionsgebäude entfernt. Wie Chrollo bereits gesagt hatte, bei Sonnenuntergang würden sie dich dort wieder treffen, um den ersten Überfall zu starten.

Doch der Tag hatte erst angefangen. Neugierig schlenderten die Spinnen durch alle möglichen Teile der Stadt, in zweier- bis fünfer-Gruppen erledigten sie die letzten Vorbereitungen und konnten danach tun und lassen, was sie wollten, auf diesen Auktionen.
„Danchou hat Recht. Mit den Kleidern sehen wir viel zu auffällig aus", meinte Phinks, als er, Feitan und Bonolenov wie besprochen in Richtung eines vornehmen Kleidungsgeschäftes steuerten, um sich für abends auf der Auktion Anzüge zuzulegen. Das sollte jeder der Spinnen tun, die Anzüge fungierten als wichtiges Element ihres Plans.
„Besonders ihr beide seht aus, als wärt ihr irgendwo ausgebrochen", lachte Phinks und warf einen Blick auf Bonolenovs Bandagen und auf Feitans langes, pechschwarzes Gewand mit dem Totenkopf auf dem hohen Kragen. Phinks selbst trug seinen Trainingsanzug, die ägyptischen Sachen hatte er im Versteck gelassen.
Die Drei betraten also den Laden und probierten die teuersten schwarzen Anzüge, die der Laden im Angebot hatte an.
„Ich hätte fast keine passende Größe gefunden....", murmelte Feitan leise, als er endlich einen geeigneten Anzug gefunden hatte und sich daher niedergeschlagen im Spiegel betrachtete.
„Wir hätten eben in der Kinderabteilung suchen sollen", grinste Phinks, wodurch zwischen ihm und Feitan, wäre Bonolenov nicht gewesen, wohl eine kleine Schlägerei ausgebrochen wäre.
„Reißt euch zusammen. Wir dürfen jetzt noch nicht auffliegen", meckerte Bonolenov, die beiden nickten widerwillig.
Ein paar Minuten vergingen und die drei hatten alle ihre passenden Anzüge. Ein Mitarbeiter fragte in die Umkleide: „Seid ihr drei schon fertig?", doch bekam keine Antwort. Als er hineinblickte, musste er feststellen, dass die drei längst verschwunden waren.
Höhnisch lachend waren die Diebe schon aus dem Laden heraus und ein paar Straßen weiter gelaufen, niemand hatte sie bemerkt. „Ich liebe dieses Leben!", jubelte Phinks und gab Feitan ein knochenbrecherisches High-Five.

„So, die Anzüge haben wir. Was machen wir dann jetzt?", fragte Nobunaga und blickte zu Machi rüber, die nachdenklich neben ihm ging. Sie schwieg.
„Machiii, bist du noch da?", fragte Nobunaga ungeduldig.
Abrupt schreckte Machi hoch und entgegnete: „Klar.. War nur ein bisschen in Gedanken. Lass uns doch mal die Auktionen hier anschauen." Sie deutete in irgendeine Richtung.
„Okay", stimmte Nobunaga zu, „hach ja, bist wohl immer nur in Gedanken an den Clown."
Machi wollte das schon abstreiten, als Nobunaga weiterredete: „Was findest du bloß an ihm? Vertraust du dem Typ wirklich? Ich frag mich nämlich schon seit drei langen Jahren, warum Danchou ihm traut. Und ich frag mich auch, ob ich der Einzige bin, der ihn nicht ausstehen kann."
„Ich kenn ihn ja besser als du. Ich weiß, dass er okay ist, auch wenn er nicht so aussieht", meinte Machi in gelangweiltem Ton.
Was hatten nur so viele gegen Hisoka?
Naja, einige aus der Truppe kamen ja doch ganz gut mit ihm zurecht.
Nobunaga gab sich mit dieser Antwort zwar nur ungern zufrieden, sagte dann aber nichts mehr.
Die beiden schlenderten also weiter durch die belebte Straße, umgeben von unzähligen Menschen und tausenden von kleinen Ausstellungsständen, an denen die verschiedensten Dinge angeboten wurden, aber nichts, was die Phantomtruppe irgendwie begehrte.
Die beiden Spinnen liefen einfach nur hindurch, und lachten innerlich darüber, wie diese ganzen unschuldigen, aber verdammt noch mal schwachen und einfältigen Menschen sie anglotzten, da Machis Kunoichi-ähnliche und Nobunagas traditionell japanische Kleidung in dieser neumodischen Menschenmenge nicht gerade unauffällig waren.
Yorkshin-City war eine der größten, modernsten und einflussreichsten Städte dieses Kontinents. Leute, wie die Spinnen, passten da eben nicht so gut rein.
Tja, wenn diese ganzen dummen, gaffenden Leute wüssten, wen sie da eigentlich angafften.
„Hey, das da sieht interessant aus", meinte Machi plötzlich, nach einer gefühlten Ewigkeit des wahrlosen Umherirrens.
Sie deutete auf einen Stand, mit einem Plakat und der Aufschrift: „Armdrücken gegen Geld".
Der Typ, der an dem dafür vorgesehenen Tisch saß, hatte lange, sehr lange, schwarze Haare, ausdruckslose Augen und seltsam aussehende Nadeln an seiner Kleidung. Und da er absolut nicht schwach aussah, wollten Machi und Nobunaga unbedingt einmal Armdrücken gegen ihn spielen.
„Er hat starkes Nen", flüsterte Machi, als sich die beiden dem Stand näherten.
„Dann wollen wir mal sehen, ob er genauso stark ist, wie wir", antwortete Nobunaga leise und krempelte schon mal seinen Ärmel hoch.
„Ihr wollt also gegen mich antreten?", fragte der Typ ruhig, machte aber einen ähnlich unheimlichen Eindruck, wie ein Spinnenmitglied.
„Na dann", meinte der Typ, als Machi sich ihm gegenüber setzte. Die beiden packten sich an den Händen und begannen.
Machi hatte zwar erwartet, dass er stark war, aber nicht, dass er soo stark war... Nach ein oder zwei Minuten musste sie sich geschlagen geben.
Wütend stand sie auf und ließ Nobunaga ans Werk. Finster fixierte sie ihren Blick auf diesen Typ mit den langen, schwarzen Haaren. Etwas an ihm kotzte sie an. „Mit dem stimmt was nicht", flüsterte sie Nobunaga ins Ohr, als auch dieser, ganz knapp, verloren hatte.
Widerwillig drückte er dem schadenfreudigen Gewinner das Geld in die Hand und verschwand mit Machi.
„Du hast Recht, Machi. Hoffentlich macht der uns keine Probleme. Der ist bestimmt so stark wie einer der Besten aus der Truppe."
„Falls er noch mal irgendwie auffällt, behalten wir ihn im Auge und melden es Danchou", stimmte Machi zu. Ihre Intuition sagte mal wieder nichts Gutes.

Kortopi, Shalnark, Franklin und Shizuku hatten die perfekte Geschäftsidee, eine gemeine Idee, aber eine passende Idee für Diebe.
„Wie wär's, wir haben ja schon alle Anzüge, wenn Kortopi Kopien von dem ganzen Zeugs hier macht und wir es dann verkaufen?", war Shizukus Vorschlag. Die anderen waren natürlich begeistert und ließen Kortopi Kopien von den fragwürdigsten Gegenständen anfertigen, die da angeboten wurden.
Mit einem hämischen Grinsen bauten sie also ihren eigenen kleinen Stand und vertickten das unechte Zeug für viel zu hohe Preise an die Leute.
„Entschuldigen sie, ist das da eine echte Skulptur aus den Pyramidenruinen?", fragte eine etwas ältere Frau. Ihre Augen strahlten beim Anblick dieser Figur. Obwohl es ja nur eine Kopie war.
Damals in der Pyramide hatten die Spinnen bestimmt eine Echte gefunden und verkauft. Vielleicht ja sogar genau die, die sie gerade bei einem anderen Stand kopiert hatten.
„Aber klar doch", nickte Shalnark mit der größtmöglichen Euphorie, die er auszustrahlen schaffte. Die Frau griff sofort zu und machte die Spinnen ein ganzes Stück reicher.
„Tja, die Leute sind eben viel zu dumm", lachte Shalnark und tippte auf seinem Handy herum, er prahlte grade in der Spinnen-Nachrichtengruppe, welches Spiel sie hier trieben.

„Was ein schöner, erster September, nicht wahr, Danchou?", schwärmte Hisoka, während er, Pakunoda, Uvogin und Chrollo durch die belebten Auktionsstraßen wanderten.
Sein spießiges Lächeln ging selbst Chrollo auf die Nerven. Warum hatte er sich bloß mit dem Clown in eine Gruppe eingeteilt?
„Der erste September wird erst richtig schön, wenn wir es heute Abend krachen lassen", brüllte Uvogin und lachte laut. Umstehende Leute starrten sie daraufhin an, misstrauisch, wegen ihrer seltsamen Kleidung und dem, was Uvogin herumgeschrien hatte. Auch ein paar patrouillierende Mafia-Soldaten.
Pakunoda wollte schon reagieren, doch da
fakete Chrollo ein Lächeln, zog eine Alkoholflasche hervor und deutete darauf. Die Soldaten zogen beruhigt weiter, doch in Chrollos Kopf schoss nur ein Gedanke umher: ‚Spätestens übermorgen haben wir euch alle zur Strecke gebracht.'

Je näher der Abend rückte, und je näher man dem Auktionshaus kam, desto mehr patrouillierende Mafia-Männer ließen sich erspähen. Es wimmelte nur so von ihnen.
„Ist ja wirklich wie ein Insektennest hier", grinste Shalnark, als Feitan, Phinks und Bonolenov gerade am vereinbarten Treffpunkt angekommen waren.
Shalnarks Gruppe war schon ein paar Minuten früher da gewesen. Er saß auf einem sandigen Felsen neben einer alten Hausruine, die anderen irgendwo neben ihm. „Bald kommt die Abrechnung!", rief Phinks zur Begrüßung und klopfte Shalnark fest auf die Schulter.
Etwas später traf auch der Rest der Truppe ein.
Machi und Nobunaga erzählten Chrollo von dem seltsamen Typen, Chrollo nickte und gab den Befehl, ihn zu beschatten, sollte er noch einmal auffallen.
Die Sonne widmete sich ihrem Untergang, der Himmel verfärbte sich rosarot, wie eine schöne, aber gefährliche Blume. Die Auktion war drauf und dran, zu starten.
„Also Leute", fing Chrollo die letzte Ansprache vor dem Überfall an und rückte die Krawatte seines schwarzen Anzugs zurecht. Jeder von ihnen hatte seinen Anzug bereits angezogen, sie sahen beinahe aus, wie ein Haufen Auftragskiller.

„Diesen Überfall widmen wir Nummer 4. Er ist gestorben, wegen diesen Arschlöchern von der Mafia. Außerdem haben wir alle noch einige Rechnungen mit denen offen. Die sollen sehen, zu was die Kinder aus Meteor City geworden sind. Wir werden ihr größter Alptraum sein", sprach Chrollo entschlossen. Ein Teil seiner bösartigen Aura machte sich in der Umgebung breit.
Gefahr lag in der Luft und die Mafia ahnte es nicht einmal.
Die Spinnenbeine jubelten, so bereit zum Angriff waren sie noch nie. Das Feuer brannte in ihnen. Mordlust drängte sich durch die Venen ihrer Körper. Es sollte den Untergang der Mafia bedeuten.
„Ich zähl auf euch, Leute. Nehmt alles, was ihr wollt. Wir sehen uns nach dem Überfall", lächelte Chrollo und ging. Denkt jetzt nicht, er beteiligte sich nicht an diesem Überfall, er tat es durch und durch.
Denn bei dieser Auktion gab es noch ein extra Lager, in dem überflüssige Dinge deponiert wurden, die doch nicht ausgestellt werden sollten, aber trotzdem sündteuer waren. Und wenn die Phantomtruppe etwas nahm, dann nahm sie alles.
Dieses Lager war mindestens genauso abgesichert wie die Auktion selbst. Es handelte sich um einen Tresor, in dem vorher alle Sachen gebunkert wurden, jetzt eben nur noch das Überflüssige. Aber bewacht wurde er von bis an die Zähne bewaffneten Mafia-Soldaten. Das war eben der Job für den Danchou selbst.

Die Auktion startete. „Dann wollen wir mal", grinste Hisoka, als die Spinnen den Auktionssaal betraten.

A Story about ThievesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt