57. Melodie des Todes

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„Tut das wirklich nicht weh?", fragte Shizuku leicht verwundert. Sie war gerade dabei, Feitans Wunden zu versorgen. Sie musste eine seiner Wunden nähen, eine am Bauch, Phinks hatte es eben etwas übertrieben, aber Feitan wollte es ja so.
Die Naht sah nicht so sauber aus, aber sie war nun mal nicht Machi. Und diese war ja leider nicht mehr...da.
„Als wenn das weh tun würde", meinte Feitan ganz gelassen. Er genoss gerade eher das Gefühl, die Hauptstreitmacht der Mafia zu Asche und Staub verbrannt zu haben.
„Wenn du meinst", murmelte Shizuku und zog den Faden fester. Eigentlich hätte ihm das ja jetzt ziemlich weh tun müssen, aber naja.
„Wenn du so weich wärst, wären wir keine Freunde, Fei", lachte Phinks.
Doch dann verzog sich sein Lachen. Er blickte auf, in den dunkelblauen Himmel. Die gewaltigen Flammen waren so gut wie erloschen, nur noch der Rauch verdeckte die meisten Teile des Himmels.
Das HQ war ein Häufchen Sand.
Und Shalnark war es auch.
Shizuku wickelte noch ein paar Verbände um Feitans Wunden.
„So!", rief Feitan und sprang auf, als hätte man seine Lebensenergie erneuert.
„Jetzt müssen wir nur noch die drei großen Nummern erledigen. Sonst ist die Rache für Shal nicht vollkommen."
Shizuku nickte, Phinks blickte auf. „Sieh uns zu, Shal", flüsterte er, er hoffte, sein bester Freund konnte seinen Frieden finden. Wenigstens waren es Feitans Flammen, die ihn erlöst hatten, auch wenn er schon tot war.

Das Trio machte sich also auf den Weg zurück in die Stadt, über den trockenen Boden. Ihre Mission war noch lange nicht erledigt. Ihr Zorn war noch lange nicht vorüber.
„Aus dem Weg damit!", brüllte Phinks durch die Gegend, und ließ noch einmal seine Wut heraus, in dem er eine der einzelnen Betonmauern, die die Stadt kläglich einkreisen sollten, zerstampfte, als wäre sie aus Kunststoff.
Die Mauer zerbrach und den Dreien öffnete sich der Eingang zur Stadt.
Doch sie hätten nicht erwartet, was ihnen da begegnete.
Hunderte Männer standen da. Allesamt Nen-Nutzer.
Sie hatten ihre Aura verborgen und die drei Spinnen hatte gerade nicht darauf geachtet, ob da noch jemand war, der irgendwie gefährlich sein konnte.
Doch jetzt standen sie da vor ihnen, die Armee aus Nen-Nutzern.
„Wie viel Verstärkung haben diese Arschlöcher bitte gerufen? Denken die, wir lassen hier eine Atombombe hochgehen?", fragte Feitan und leckte sich blutdurstig über die Lippen.
Phinks schlug sich eine Faust in die Handfläche der anderen Hand und jubelte auf: „Darauf hab ich gewartet! Endlich kann ich euch zeigen, wie wütend ihr mich gemacht habt!"
„Dann mal los", fügte Shizuku hinzu.
Und dann stürzten sich die drei in die Armee aus Nen-Nutzern.
Man muss schon sagen, Illumi hatte einen gewaltigen Einfluss auf die Mafia. Denn sie stellten ihm so viele Leute zur Verfügung, wie er wollte.
Und so würzte er diesen Krieg noch mit dem nötigen Feuer.
Die Einäscherung des HQs war erst der Anfang für das Trio gewesen. Der Anfang vom Ende dieses Krieges.

„Hey, was zur Hölle ist denn jetzt los?!", fragte Nobunaga ganz verärgert, er schrie es richtig in die Nacht hinein.
Er, Franklin und Bonolenov standen mitten auf einer schwarzen, gepflasterten Straße am Rande von Yorkshin. Es war der Rand, der zu den Bergen führte. Sie würden Pakunoda mit einem Überraschungsangriff da rausholen. Zu dritt sollte das ja wohl schon klappen. Dachten sie.
Die drei standen da, umgeben von unzähligen Mafia-Soldaten. Es war eine weitere Gruppe von Nen-Nutzern. Eine weitere große Gruppe.
Und das alles war Illumis Werk gewesen.
„Den Scheiß können wir jetzt absolut nicht gebrauchen", fluchte Nobunaga laut und wollte zum Angriff auf die Soldaten ansetzen.
„Warte!", hielt Bonolenov ihn ab.
„Was?!", fragte Nobunaga zurück.
„Durch diese Armee hier wissen wir ja jetzt, dass sie eine verdammt große Streitmacht haben. Wir dachten, die hauptsächlichen Feinde wären nur Hisoka, Illumi und Kurapika. Aber jetzt belästigen die uns hier auch noch. Und dadurch verlieren wir Zeit, viel Zeit. Zeit, in der Pakunoda umgebracht werden könnte", erklärte Bonolenov.
Nobunaga beruhigte sich etwas und musterte die immer näher kommenden Mafia-Soldaten mit giftigen Blicken.
„Und was tun wir jetzt? Wir müssen die alle loswerden, ansonsten kommen wir hier nicht weg", fragte Nobunaga leicht angespannt.
„Genau. Wir werden sie auch alle los. Aber nur wir beide", meinte Bonolenov und deutete mit den bandagierten Fingern auf sich und Franklin, „du gehst und schnappst dir den Kettennutzer."
„Wie soll ich denn alleine einen Überraschungsangriff machen? Der bringt Paku um!", argumentierte Nobunaga, jetzt gereizt. Er wollte auf keinen Fall noch mehr Kameraden verlieren.
Das, was sie alle damals in Meteor City aufgebaut hatten, hatte angefangen, hier in Yorkshin City, einfach zu zerbrechen. Alles ging den Bach herunter.
„Nobunaga, wie wollen wir es denn sonst machen? Der Kettennutzer sollte doch noch verletzt sein, von seinem Kampf mit Uvogin. Das ist die Chance. Aber wir können hier nicht alle weg", widersprach Bonolenov.
Die beiden blickten sich einige Momente tief in die Augen, da Nobunaga gerade so scharf nachdenken musste.
Die Nen-Nutzer erreichten die Gruppe.
„Gut, Okay! Ich hol Paku da raus! Aber ihr beide, ihr sterbt hier auf keinen Fall, okay?", schrie Nobunaga, machte einen großen Sprung in die Luft und dadurch einen Abgang.
Die Soldaten wollten ihm folgen, doch Bonolenov und Franklin stellten sich ihnen in den Weg.
„Tut mir leid, aber hier ist eure Endstation", grinste Franklin, klappte seine Finger um und eröffnete das Feuer auf die Soldaten.
Es war klar, die waren viel stärker als normale Soldaten. Es würde also umso schwerer werden.
Aber die Phantomtruppe war aus einem noch edleren, pechschwarzen Holz geschnitzt.

Chrollo irrte durch die ganze Stadt. „Hisoka...Hisoka...", flüsterte er immer wieder vor sich hin. Er verbarg seine Aura kein bisschen.
Die ganze Stadt sollte den Zorn fühlen, den er in sich trug.
Chrollo brach in geschlossene Geschäfte ein, zersplitterte jede dreckige Fensterscheibe, und überfiel jedes verdächtig aussehende Haus mitsamt dem Keller.
Er verbreitete Schrecken in der Stadt.
„Hisoka... ich finde dich", knurrte er überall, wo er einfiel.
Es war, als wäre er nicht mehr er selbst.
Klar, er ging sonst auch immer recht brutal vor, aber gerade in diesem Moment konnte er an nichts anderes denken, als dem Clown den Kopf abzureißen.
Es machte ihn verrückt, noch verrückter als zuvor.
Nichts anderes mehr war in seinem Kopf.
Nur Zerstörungswut, Mordlust und Boshaftigtkeit, gegen alles, was ihm in die Quere kam.
Allem voran Hisoka.
Immer wieder flüsterte er die Namen seiner verstorbenen Kameraden. „Machi...Kortopi...Uvogin...Nummer 4... Shalnark..."
Es wurde nämlich noch schlimmer, als er den Anruf von Phinks erhalten hatte, dass es auch noch Shalnark erwischt hatte.
Chrollo war der wandelnde Tod. Aber nein, er war noch er selbst. Es war nur die Seite in ihm, die noch dunkler war, als seine Aura.

Irgendwann kletterte er auf ein Hochhaus, um die Stadt zu überblicken. Er starrte in jeden Winkel, der von dem Hochhaus aus sichtbar war, und suchte nach Hisoka.
Doch er fand Hisoka nicht, nein, er erspähte etwas anderes.
Die riesigen Mafia-Armeen blieben in seinen Augen hängen. Er sah sie. Er sah diese ganzen Mafia-Armeen mit seinen dunklen Augen.
Dann biss er die Zähne zusammen, stellte sich an den Rand des Hochhauses und hob die Arme in die Lüfte. Er bewegte sie, als wollte er etwas dirigieren.
Er schloss die Augen und ließ seiner schrecklichen Aura freien Lauf.
„Löscht sie alle aus. Lasst nicht einmal Staub zurück", flüsterte er.
Dann dirigierte er weiter.
Er dirigierte die Melodie des Todes.
Phinks, Feitan und Shizuku starteten ihren Kampf mit der Armee, so auch Franklin und Bonolenov.
Es war nicht leicht.
Aber trotzdem floss das Blut der Mafia.
Aber auch das der Spinnen, die zahlreiche Wunden im Kampf erlitten.
Aber die Spinnen waren hier die Skrupellosen.
Als hätten sie Chrollos Worte gehört, brachte jede Spinne die Soldaten der Mafia, einen nach dem anderen auf brutalste Weise zur Strecke.
Blut spritzte in alle Richtungen, bis zum dunklen Himmel.
Nobunaga eilte mit Unmengen an Wut in Richtung Berge, wo Kurapika gerade Pakunoda ausfragte.
„Sie haben begonnen", lächelte diese und spuckte Blut. Das Verhör war wohl nicht so gut verlaufen.
„Was hat begonnen?!", fragte Kurapika erbost.
Pakunoda lachte bloß. „WAS HAT BEGONNEN?", fragte Kurapika noch einmal aggressiver.
Pakunoda lachte wieder. Sie lachte einfach weiter, egal, wie oft er nachfragte. Egal, ob das ihr Leben kosten konnte.

Chrollo dirigierte weiter.
Die schwarze Melodie des Todes spielte mit dem Klang der sterbenden Soldaten.
Die Spinnen würden keinen übrig lassen.
Keinen.
Und keinen würden sie schmerzlos töten.
Denn es war die Trauerfeier ihrer gefallenen Kameraden.
Eines der wenigen Dinge, worüber Chrollos Schicksalsverse nicht gelogen hatten.
„Ich hoffe ihr könnt uns hören... Denn das ist eure Feier", rief Chrollo zu seinen Kameraden in den dunklen Himmel, während er immer weiter diese böse Melodie dirigierte.

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