35. Verbrecherliebe

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„Sag mal, Machi", flüsterte Pakunoda, als die beiden gerade mit ihrer Gruppe in das Spinnenversteck zurückgekehrt waren. Der Bankraub hatte nicht wirklich viel hergegeben, sie mussten nämlich feststellen, dass diese Bank eine ziemlich arme Bank gewesen war. Aber immerhin hatten sie wieder genug Geld - für's Erste. Doch das war für die Phantomtruppe jawohl nicht genug.
„Was ist denn, Pakunoda?", fragte Machi zurück.
Was wollte Pakunoda bloß von ihr, dass sie es ihr so heimlich zuflüstern musste, ganz unauffällig, dass  bloß keiner etwas mitbekam?
„Nun ja", Pakunoda fing an zu grinsen, „Warum seid ihr beiden eigentlich immer noch nicht zusammen? Es sind jetzt 2 Jahre seit der Pyramide vergangen, und ehrlich, man sieht, wie gut ihr euch versteht. Es passt perfekt."
Machis Wangen verfärbten sich rot, aber nur leicht. War es wirklich so auffällig, dass sie ein Auge auf Hisoka geworfen hatte? Das hatte sie schon lange, aber natürlich wollte sie nicht, dass es jemandem auffiel, dass es eine Person gab, die es geschafft hatte, ihre kalte Schale zu brechen. Dass er es sogar schafft hatte, sie dazu zu bringen, ihm zu vertrauen und ihn irgendwie zu mögen.
Aber, wahrscheinlich aufgrund der damaligen Ereignisse mit dem Mann, als sie 12 war, hatte sie sich noch nicht getraut, Hisoka irgendetwas zu sagen.
„Müssen wir ja nicht. Nur Freunde zu sein ist doch auch okay", beantwortete Machi Pakunodas Frage und versuchte dabei so zu klingen, als würde diese Frage komplett überflüssig sein.
„Ich mein ja nur. Ich dachte früher sogar, du stehst eher auf Chrollo, aber als dann Hisoka kam...", entgegnete Pakunoda und lachte.
Machi seufzte. Chrollo? Vielleicht früher mal, ein ganz kleines Bisschen, aber jetzt jawohl nicht mehr.
„Konzentrieren wir uns lieber darauf, wann die anderen zurückkommen und ob sie beim Raub erfolgreich waren", wechselte Machi das Thema.
„Jaja", antwortete Pakunoda.

„Leute, ich glaub ich hör den Motor ihres Autos!", rief Franklin auf einmal, der gerade zur Wache an der Tür eingeteilt war. Tatsächlich, draußen heulte der Motor des dicken, schwarzen Vans der Spinnen auf. Hisoka musste mal wieder angeben. Naja, der Van war auch nicht nur irgendein Van gewesen, wie man ihn von Entführungen kennt, sondern ein richtiges Prachtstück, und ziemlich teuer.
„Da sind wir wieder", lachte Hisoka und betrat das Versteck, als wäre er hier der König. Ihm nach folgten Chrollo, Feitan, Phinks, Shizuku und Shalnark.
Gespannt fragten die anderen Spinnen, wie erfolgreich die Gruppe denn gewesen war, doch wie wir alle wissen, war die Antwort enttäuschend.
Sie hatten ja leider kaum etwas erbeutet.
Doch plötzlich stellte sich Chrollo auf einen Felsen, der etwas höher lag, in diesem ranzigen Versteck, und fing an, zu reden: „Hört mal alle her! Wir haben zwar nichts gefunden, aber eins der Opfer hat uns von etwas sehr Schönem erzählt!"
Er fing an zu grinsen, fuhr sich durch die strubbeligen, schwarzen Haare,  setzte sich breitbeinig auf den Stein und redete weiter: „Die Auktion in Yorkshin-City. Da soll es alles geben, was das Herz eines Diebes begehrt. Teure Sachen aus aller Welt.
Was haltet ihr davon, wenn wir die Auktion komplett ausrauben? Dieses Jahr wird's zwar nichts mehr, aber nächsten September ist die gleiche Auktion noch mal."
Die Spinnen jubelten. Endlich mal wieder ein großer Raub, endlich mal wieder leckere Beute für diese Raubtiere, seit der Pyramide hatte es ja nur mageres Zeug gegeben. Und dieser Raub, das war sicher, würde noch viel größer werden, viel gefährlicher. Denn in Yorkshin City lag das Nest der Mafia, die Auktion wurde behütet wie ein Präsidentenhaus.
Doch die Phantomtruppe würde wie ein Sturm über sie hinwegfegen. Ja, eindeutig, sie alle stimmten Chrollo zu, sie alle freuten sich riesig auf diesen Raub. In genau einem Jahr war es dann soweit. Solange würden sie sich dann noch mit kleineren Überfällen über Wasser halten.
Aber geführt von Chrollo, würden sie alles erreichen.

Die Phantomtruppe hatte also mal wieder gute Laune, sie feierten ein bisschen, nur ein bisschen, da dieses Versteck hier nicht gerade so sicher war, aber etwas Alkohol floss trotzdem.
„Ich wusste es, wir können gar keinen besseren Danchou haben!", brüllte Uvogin in die Menge, lachend, und von Alkohol zugedröhnt.
Machi, wieder lachte sie an Hisokas Seite. Sie dachte an das, was Pakunoda vorhin gesagt hatte. Hmm, warum sollte sie ihm eigentlich nicht sagen, dass sie auf ihn stand? Was konnte es schon schaden? Sie hatte sich ja wirklich sehr gut mit ihm verstanden, die letzten Jahre, so oft machte er ihr Komplimente, manchmal behandelte er sie sogar, als wäre sie eine Prinzessin. Sie hätte nie gedacht, dass es ihr solchen Spaß machen könnte, mit ihm zusammen zu kämpfen.
Also stopfte sie ihre Zweifel in eine unwichtige Ecke ihres Kopfes, dachte sich, wegen damals, in Meteor,  sollte sie ja keine Probleme mehr haben und fragte Hisoka, ob er kurz mit ihr mitkommen könnte, etwas tiefer ins Versteck rein, wo sie alleine waren. Lächelnd willigte er ein, also gingen sie los, nach hinten in eine Ecke, aber noch in der Nähe der Toilette, damit es nicht ganz so dunkel war.

„Also, du wolltest mir was sagen, Süße?", fragte Hisoka gespannt. Ja, er nannte sie immernoch so.
Machi stotterte nicht, so schüchtern war sie nicht, sondern kam gleich zum Punkt. Sie erzählte ihm also, welche Gefühle sie in den letzten zwei Jahren für ihn entwickelt hatte.
Aufmerksam hörte er ihr zu, beobachtete, wie sie röter und röter wurde und lächelte immer mal wieder. Geheimnisvoll, wie auch sonst.
„Also, was sagst du dazu?", beendete sie irgendwann ihr Geständnis. Ein Bisschen aufgeregt war sie schon, sie wusste ja nicht, wie der Clown reagieren würde.
Sie waren trotzdem noch Mörder, allesamt, und nicht alle Mörder konnten Gefühle haben und trotzdem kaltblütig sein.
Hisoka starrte sie einfach nur an, wie sie da an der Wand lehnte, sein Blick machte sie nervös, sie drehte ihren Kopf in jede Ecke des Raumes, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
Sie konzentrierte sich auf eine Spinne, die sich irgendwo von der Decke abzuseilen begann, mit einem dicken, weißen Kreuz auf dem Rücken, wie damals in Chrollos Keller. Machi versuchte sich an dieser Spinne zu beruhigen, da sie von Hisoka immernoch keine Antwort erhalten hatte, sie fixierte ihre Augen auf sie, ballte die Hände zusammen, begann zu schwitzen.
Sie wollte gerade etwas sagen, doch da stapfte der Clown auf einmal ganz trocken auf sie zu. Er kam immer näher und näher, sie wurde nervöser, er trat direkt vor sie. So nah war sie ihm noch nie gewesen. Was hatte er bloß vor?
Er starrte sie an, mit seinen giftigen, gelben Augen, lächelte, beugte sich plötzlich zu ihr herunter und küsste sie einfach. Lange, und er nahm dabei ihre Hand, anfangs hatte sie noch versucht, ihn von sich zu drücken, doch hatte es aufgegeben, da er erstens zu stark für sie war und sie es zweitens eigentlich genoss. Also machten sie weiter, irgendwann hob er sie sogar hoch, drückte sie an die Wand und küsste sie weiter.

Im selben Moment kam Chrollo aus der Toilette heraus. Hach ja, er wollte nur mal kurz sein Geschäft verrichten, musste dann an diesem Raum vorbeilaufen und sehen, was er niemals hätte sehen wollen. Wäre er bloß nicht aufs Klo gegangen, dachte er.
Er verbarg seine Präsenz, er konnte das so gut, wie beinahe kein anderer, also bemerkten sie nicht, dass er zusah. Er war kein Spanner oder so, er war nur für 2 oder 3 Sekunden erstarrt bei dem Anblick vor ihm, wie Hisoka Machi küsste, nur diese 2 oder 3 Sekunden sah er zu, schüttelte seinen Kopf, um wieder klare Gedanken zu fassen, und ging mit schnellen Schritten wieder zu den anderen Spinnen.
Ihm war klar, früher oder später wäre es sowieso dazu gekommen, er hatte ja auch gemerkt, wie gut die beiden sich verstanden hatten in der letzten Zeit.
Chrollo wusste, er hätte eh keine Chance bei Machi gehabt, also fing er an, seine Gefühle für sie zu verdrängen. Auch wenn er immer wieder an seine erste Begegnung mit ihr denken musste. Und wie glücklich sie aussah, als er sie vor dem Mann gerettet hatte. Aber das war nun mal Vergangenheit, für Chrollo ging das mit Hisoka in Ordnung, solange er Machi gut behandelte. Also fand sich Chrollo damit ab.

Irgendwann stoppten Machi und Hisoka ihren Kuss, aus Mangel an Luft. Mit hochrotem Kopf sog Machi die Luft um sie herum ein und sagte, leicht wütend, als sie Hisoka lächeln sah: „Was sollte das?! Das geht doch ein bisschen zu schnell, oder etwa nicht?!"
Hisoka lachte wieder. „Tut mir leid, du sahst nur so süß aus. Aber, jetzt ehrlich, hattest du Angst? Wegen dem, was dir damals passiert ist?", fragte er.
Machi lockerte ihren wütenden Blick und versank für einen Moment in Gedanken. Der Mann damals hatte sie auch auf das Bett gedrückt, aber viel fester, als Hisoka. Mit Hisoka war es einfach anders gewesen. Nicht schmerzhaft. Sie hatte überhaupt keine Angst gehabt. Vielleicht nur einen Augenblick lang, da Hisoka ja stärker war, als sie, aber danach nicht mehr. Sie hatte es dann einfach nur noch genossen. Sie hatte das Trauma von damals längst überwunden. Sie war eine Spinne, also hatte sie keine Angst.
Nein. Sie war glücklich, dass er das getan hatte.
„Nein, eigentlich... fand ich es ganz schön", nuschelte sie, und lief dabei noch weiter rot an.
„Na wusste ich es doch", lachte Hisoka, ließ seine geheimnisvollen goldenen Augen direkt in ihr Gesicht wandern und fügte hinzu: „Natürlich bis du mir genauso viel wert. Seit dem Tag, an dem wir uns begegnet sind, wusste ich, diese gefährlichen, blauen Augen gehören meiner Königin."
Hinterlistiger konnte seine Stimme gar nicht klingen, aber er meinte es ernst. Komplett ernst. Er strich ihr eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und sagte noch: „Keine Sorge. Ich pass auf dich auf. Ich bin besser als Chrollo, nicht wahr?"
Darauf antwortete Machi nicht.

Machi zeigte nicht, wie sehr es sie freute, sie war auch nicht sicher, ob die beiden jetzt zusammen waren oder nicht, aber für den Moment genügte ihr das. Ob Chrollo das verletzte? Daran dachte sie gar nicht. Es verletzte ihn ja auch nicht so sehr, er war zu stark dafür.
Pakunoda warf ihr einen Blick zu, der aussagen sollte, sie könnte sich alles denken, was gerade passiert war, doch Machi wich ihm gekonnt aus.
Die Phantomtruppe war immernoch die Phantomtruppe. Diebe und Mörder.
Hisoka und Machi gaben dabei das perfekte Verbrecherpaar ab.
Und nächsten September stand die größte Mission an, die die Truppe jemals ausführen würde.

A Story about ThievesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt