65. Der Hurricane aus der Hölle

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Feitan hatte das Herz nur kurz ansehen müssen.
Er wusste sofort, zu wem es gehörte.
„Ich habe es ziemlich präzise herausgerissen, man hat es bei der Leiche kaum gesehen, nicht wahr?", fragte Illumi, nachdem er keine direkte Reaktion bei Feitan hatte wahrnehmen können.
Feitan wollte auch gar nicht reagieren, in dem er etwas sagte. Er wollte einfach nur töten.
Nichts als das. Vielleicht war es schlimmer, als bei Chrollo.
Da war auch etwas an ihm, etwas Furchterregendes.
Feitans Herz bebte.
Etwas brodelte in ihm wie in einem Vulkan.
Phinks kam näher, er hatte ein paar Soldaten, die ihn daran hindern wollten, abgeschüttelt.
Bis die nächsten da waren, hatte er bestimmt noch eine Minute.
„Verdammte scheiße, was ist dein Problem?!", brüllte er Illumi an.
Er kochte vor Wut.
Der Anblick von Shalnarks Herzen bohrte sich in ihn.
„Ganz einfach. Das macht es mir einfacher, euch zu besiegen", erklärte Illumi ganz trocken.
„Bist du dir da sicher?", hörte er jedoch auf einmal eine Stimme in seinem Nacken.
Feitan hatte so schnell angegriffen, dass man gar nicht gesehen hatte, wie er von der Stelle, auf der er gestanden hatte, verschwunden war.
Doch Illumi durfte man nicht unterschätzen.
Er konterte den Angriff einfach, fing das Schwert mit seinen Nadeln ab.
Aber das Furchterregende an Feitan verschwand nicht. Warum versuchte er dann bloß solch schwache Angriffe?
Währenddessen stürmte auch Phinks auf Illumi zu.
Er kurbelte beim Rennen seinen Arm und wollte damit Illumi zur Strecke bringen.
Doch Illumi wich einfach aus.
„Misch dich nicht in meinen Kampf ein, wenn du sowieso schon halb tot bist", meinte Illumi kühl und verpasste Phinks einen schmerzhafzen Tritt in den Bauch.
Phinks wich zurück.
Illumi hatte Recht. Diese Soldaten hatten ihm schwere Wunden zugefügt.
Es waren eben zu viele. Und sie waren stärker, durch Illumis Nadeln.
Mit 100 hätte er noch fertig werden können, aber es waren doppelt, vielleicht dreifach so viele.
Phinks atmete schwer, Blut lief ihm aus verschiedensten Wunden und aus seinem Mund.
Lange könnte das nicht mehr so gehen.
Es waren wahrscheinlich noch etwa 100 Soldaten übrig.
„Phinks!", Feitan sprach auf einmal doch wieder, „erledige den Rest von ihnen! Ich weiß, du schaffst das! Und ich....bring ihn um. Und wenn ich dabei draufgehe."
Phinks ballte seine Fäuste zusammen.
Wie lange würde er noch durchhalten?
Wie lange würde Feitan noch durchhalten?
Doch sie vertrauten sich gegenseitig blind.
„Mach, dass er leidet!", gab Phinks mit wütender Stimme zurück.
„Werde ich!", rief Feitan und stach weiter mit seinem Schwert auf Illumi ein.
Dieser wehrte die meisten dieser Angriffe ab, doch Feitan tat es auch mit Illumis Angriffen.
Aber nicht immer.
Zahlreiche Stichwunden zogen sich über Feitans Körper, Illumis Krallen waren einfach zu scharf.
Doch Feitan gab nicht nach. Der Schmerz war nichts für ihn.

„Stirb, verdammt noch mal!", schrie er, und konzentrierte sein gesamtes Ko in seiner Schwertspitze.
Er traf Illumi.
Aber nur seine Krallen, da er die Hand rechtzeitig vor sich gehalten hatte.
Ein lautes Geräusch, wie von Scherben, die zerbrachen, ertönte.
Feitans Schwert zersplitterte.
Sein so schon freier, verwundeter Oberkörper bekam noch ein paar Schnitte mehr.
Feitans Blut spritzte, er fiel zu Boden.
Und blieb liegen.
„War es das etwa schon? Was ein schwacher Zoldyck", spottete Illumi.
„Fei!", hörte man Phinks schreien.
Doch mehr kam nicht von Phinks.
Er vertraute Feitan, auch wenn es in den Tod ging.
Das Furchterregende an Feitan war immernoch da.
Und es schien, als hätte es gerade angefangen, größer zu werden.
„Phinks", meinte er, während er langsam dabei war, sich aufzurichten, „Verschwinde von hier. Geh in die Stadt rein, bring die Soldaten da um. Such am Besten auch gleich nach Shizuku. Aber du musst weiter weg von hier. Du weißt, was ich vor habe, nicht wahr?"
Phinks hielt einen Moment inne.
Dann grinste er auf einmal.
Er wusste, wovon Feitan sprach.
„Mach ihn fertig", gab er von sich und fing daraufhin an, zurück in die Stadt zu rennen, die Soldaten folgten ihm.

„Erst zeigst du mir das Herz meines Bruders, und dann nennst du mich wieder Zoldyck", meinte Feitan mit böser Stimme, zu Illumi.
„Du kannst diese beiden doch nicht wirklich Brüder nennen", meinte Illumi kalt.
„Du bist zu weit gegangen", sagte Feitan.
Er stand da, tat nichts.
Aber er hatte Recht.
Illumi war zu weit gegangen.
Es war, als würde Feitan bloß puren Hass austrahlen, an Stelle von Aura.
Es war, als könnte dieser Hass, der mit jeder Sekunde größer zu werden schien, Bäume verdorren, Flüsse austrocknen und Menschen das Leben aussaugen.
Das war das Furchterregende an ihm.
Dieser Hass war schon da, als er Shalnarks Herz gerade erst gesehen hatte.
Doch jetzt ließ er ihm freien Lauf.
Illumi wurde ungeduldig.
Er stürmte auf Feitan zu, weil er keine Lust mehr hatte, ihn noch länger am Leben zu lassen, und zückte die Krallen.
Doch er musste zurückweichen.
Etwas spiegelte sich in seinen Augen.
War es... Furcht?
„Was... ist das?", fragte sich Illumi.
Er kam nicht an Feitan heran.
Er konnte sich keinen Weg durch Feitans Hass bahnen.
Es war unmöglich.
Zitterte Illumi da etwa?
Feitan sagte ein paar drohende, beängstigende Sachen.
Sein Japanisch war verdreht, schon wieder.
Aber es war verdrehter, als es je gewesen war.
„Warum kannst du die antike Sprache der Zoldycks...?", fragte Illumi voller Entsetzen.
Seine gesamte kalte und emotionslose Erscheinung war wie vom Winde verweht.
Feitans Hass hatte ihn in die Knie gezwungen.
Wenigstens war jetzt das Rätsel von Feitans seltsamer Sprache geklärt.
„Weil ich gerade nur Hass empfinde. Weil ich die Zoldycks hasse", antwortete Feitan auf dieser antiken Sprache.
Ja, er beherrschte sie, gerade weil er die Zoldycks hasste. Er beherrschte sie, um zu zeigen, dass er nicht zu ihnen gehörte. Vielleicht mochte das sinnfrei klingen, aber für ihn ergab es Sinn.
Für ihn war diese Sprache der Ausdruck seines Hasses und seiner Wut, gegen die Zoldycks und gegen alles, was ihm in die Quere kam.
Illumi konnte nichts mehr tun, als Feitan zuzusehen.
„Ich will dich leiden sehen", meinte Feitan auf der anderen Sprache.
Illumi verstand kein Wort, er wusste nur, das das diese antike Sprache war.
Eine Aura wie aus der Hölle umgab Feitan.
„Pain Packer", flüsterte er.
Sofort hüllte ihn seine Pain Packer-Rüstung ein.
Aber es war eine andere, als vorhin.
Sie war jetzt pechschwarz. Sie hatte bei weitem mehr Stacheln. Über die Ärmel zogen sich blutrote, umgekehrte Kreuze.
Als wäre die Rüstung vom Teufel gemacht.
„Hell's Hurricane", flüsterte er.
Die Erde fing zu beben an.
Ganz laut.

Phinks rannte weiter in die Stadt hinein.
Er musste seine Wunden halten, um den Blutfluss zu stoppen, doch als die Erde bebte, lachte er.
„Das ihn ein Gegner tatsächlich mal dazu bringt... Feitan, Bruderherz, ich liebe dich, du verrückter Bastard! Tu's für Shalnark!!", schrie er laut lachend in die Nacht hinein.

Die Erde bebte, und es wurde stürmisch.
Ja, ein riesiger Sturm umgab Feitan und Illumi.
Er war wirklich gigantisch, und abnormal schnell.
Und zugleich wie ein Erdeben.
Und aus Feitans Nen gemacht.
Ein Hurricane aus Nen.
Doch auf einmal fasste Illumi wieder seinen Mut.
Er hob sich die Hand vor's Gesicht und meinte: „Das ist alles? Ein kleines Lüftchen um uns herum? Traurig, dass ich ernsthaft Angst vor dir hatte."
Daraufhin hatte er doch den Mumm, Feitan anzugreifen.
Doch Feitan fing an, auf eine verrückte Weise zu lachen.
„Stirb!", rief er, wieder und wieder, in der seltsamen Sprache.
Die Mordlust mischte sich mit seinem Hass.
Und auf einmal, bevor Illumi ihn treffen konnte, machte Feitan eine kleine Bewegung mit seinem Arm, der in der Rüstung steckte.
Der Hurrican zog sich zusammen.
Die äußeren Wände kamen näher, der innere Kreis wurde kleiner.
Rasend schnell.
„Was willst du mit einem billigen Wirbelsturm?!", schrie Illumi, doch da traf ihn der Hurrican, kurz bevor er bei Feitan angelangt war.
Nur ein kleines Lüftchen hatte ihn gestreift.
Und sein Arm flog quer durch die Luft.
„Was...?", fragte er, verwirrt und entsetzt.
Doch mehr konnte er gar nicht fragen.
Schmerz durchzog seinen Körper.
Der Hurricane hatte ihn längst gefangen.
Der zerberstende Hurricane aus der Hölle.
Tausende Luftströme trafen ihn.
Jeder Luftstrom schnitt etwas mehr von ihm ab.
Er schrie. Er litt Höllenqualen.
Feitan lachte, lachte, und lachte. Es war ein wahnsinniges Lachen.
Illumi zu töten fühlte sich für ihn an, als hätte er gerade Ecstasy geschluckt, wobei, wahrscheinlich war das Gefühl sogar noch intensiver.
Illumis Blut spritzte in alle erdenklichen Richtungen.
Feitan lachte immer noch.
Ja, er war wohl ein Psychopath.
„Das ist für Shalnark! Für meinen echten Bruder Shalnark!", rief er auf der antiken Sprache.
Illumi schrie nicht mehr.
Er war längst tot.
Aber der Hurricane zerstückelte ihn immernoch.
Die Erde bebte immernoch.
Hier und dort landete ein Fuß oder ein Arm, doch der Hurricane war so schnell, dass es Sekunden dauerte, bis auch diese abgetrennten Körperteile wieder kleingeschnitten waren.
Feitan lachte, erfüllt von Schadenfreude und befriedigter Mordlust.

Illumi hatte Feitans Hass so provoziert und ihn so verletzt, dass er die zweitstärkste Form seines Pain Packers genutzt hatte.
Der Anblick war wirklich traumatisierend.
Aber nicht für Feitan.
Er hatte es in vollen Zügen genossen, bei jedem noch so kleinen Stück, das von Illumi abgetrennt worden war.
Irgendwann klang der Hurricane ab, Feitan ließ seine schützende Rüstung verschwinden.
Er fiel zu Boden.
Seine Wunden bluteten stark.
Die, die er durch Phinks erlitten hatte machten ihm ja auch noch zu schaffen.
Aber er grinste.
„Meine einzigen Brüder sind Phinks und Shal", flüsterte er zufrieden, während er Illumis Einzelteile betrachtete. Seine Rache war vollbracht.
Das Land um sie herum war wie weggefegt. Der Hurrican hatte alles zerstört, was im näheren Umkreis dagewesen war. Wahrscheinlich auch den ein oder anderen Soldaten, der Feitan und Illumi unbedingt zusehen wollte.
Feitan blieb mit diesem verrückten Grinsen liegen.
Diese Wunden hätten ihn zum Tode verurteilen sollen.
Aber sie taten es nicht.
Er lag da, und überlebte.
Wieso?
Andere Spinnen mussten sterben.
Wieso starb er nicht?
Das Schicksal war tückisch. Und unberechenbar.
Er wollte zwar aufstehen, um Phinks zu helfen, aber dann wäre er wohl verblutet.
Also wartete er dort, beobachtete, aus irgendeinem Grund, vergnügt sein fließendes Blut.
Er vertraute Phinks.
Phinks würde zurückkommen. Ganz sicher.

A Story about ThievesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt