86 - patrick o'brien

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Thomas

Als wir dann im Haus standen, das von innen relativ schlicht gehalten war, schloss Julia die Tür hinter uns, Dylan hielt meine Hand immer noch in seiner. Ich war mir fast sicher, dass wir beide grade froh waren, die Hand des anderen halten zu können. Auch, wenn wir wegen seiner Mutter hier waren, war ich irgendwie froh, dass wir uns jetzt auch vor seiner Familie als offizielles Pärchen outen konnten. Dennoch sollte und wollte ich mich jetzt erstmal auf Dylan und dessen Mutter konzentrieren.

Ich schluckte leise, als ich Schritte hörte, die zu einem mir nicht allzu unbekannten Mann gehörten. Patrick kam auf uns zu, wobei sein trauriger, leerer Blick an einem kleinen Fünkchen Hoffnung gewann, als er zu uns dreien schaute. ,,Dyl!", meinte er leise, doch deutlich erleichtert, kam auf uns zu und nahm seinen Sohn in den Arm. Dieser brauchte eine Sekunde, ehe er meine Hand langsam losließ und ebenfalls seine Arme um seinen Vater legte. ,,Oh, Gott sei Dank bist du hier.", murmelte Patrick weiter, legte seinen Kopf mit geschlossenen Augen auf die Schulter meines Freundes. ,,Natürlich. Tommy und ich haben uns noch in derselben Nacht einen Flug gebucht.", erwiderte dieser, zog den Älteren etwas näher an sich. Man konnte förmlich sehen, wie viel Sicherheit Dylan seinem Vater mit dieser Umarmung versprechen wollte. Genauso konnte man Patrick ansehen, dass dieser kleine Beweis der Zuneigung auch deutlich eben diese Wirkung auf ihn zeigte.

Matt lächelnd stand ich daneben, bis sich Vater und Sohn wieder voneinander lösten und Julia auf den Ältesten zukam. Sie nahm ihn ebenfalls in den Arm, schniefte dann kurz. Ich hatte nicht gesehen, ob sie weinte oder nicht, doch es schien so. Liebevoll schloss ihr Gegenüber sie in seine Arme, hielt ihren Hinterkopf mit der einen Hand. Da ich vermutete, dass die beiden einen Moment brauchen würden, sah ich zu Dylan. Dieser hatte seinen mitleidigen Blick auf seine Schwester und seinen Vater gerichtet, drehte seinen Kopf aber zu mir, als er meinen Blick bemerkte. Er warf mir ein knappes Lächeln zu, griff wieder vorsichtig nach meiner Hand. Es tat gut, ihn jetzt etwas, wenn auch nur sehr wenig, erleichterter zu sehen. Das sollte aber nicht viel heißen. Er war nach wie vor deutlich angespannt und man hatte das Gefühl, er traute sich fast nicht mehr zu atmen, weil das bedeuten würde, dass wieder etwas Zeit verstrichen war. Es würde bedeuten, dass das Leben weiterginge, selbst wenn es jetzt so zerbrochen schien. Es würde bedeuten, dass seine Mutter einen Atemzug näher am Tod war. Und das war offensichtlich das Letzte, was er wollte.

Sanft drückte ich seine Hand, legte meine andere an seine Wange und sah ihm tief in die Augen, die so viel Leid darin trugen, dass es mir beinahe das Herz brach. Er hatte seine Mutter bis jetzt nicht einmal gesehen. Ob es dadurch wohl schlimmer werden würde? Oder vielleicht besser, weil er dann vergewissert war, dass sie auf jeden Fall jetzt noch da war, für diesen Moment. Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich bei ihm bleiben würde. Egal wie es ihm ging, ich würde für ihn da sein. Genau das schwor ich mir in eben diesem Moment. Dylan schien mir das wie aus den Augen gelesen zu haben, denn er schmiegte seine Wange etwas an meine Handfläche und schloss kurz die Augen. ,,Danke.", flüsterte er fast tonlos.

Patrick und Julia hatten sich nun auch voneinander gelöst. Oder besser gesagt, Julia war davon gerannt, um wahrscheinlich nicht von uns gesehen zu werden, wie sie so weinte. Dylan hatte die Augen geöffnet, sobald er hörte, dass sich ihr Schluchzen entfernte, wollte ihr hinterher, doch sein Vater hielt ihn mit einer sanften Geste zurück. ,,Lass sie, Dyl. Ein bisschen Zeit für sich wird ihr sicher gut tun.", meinte er ernst und zaghaft, ehe sich seine Miene dann etwas gekünstelt, doch auch ein wenig hoffnungsvoll aufhellte. Er sah zu mir, während er Dylan mit einem kleinen Handzeichen bedeutete, sich jetzt auf schönere Dinge zu konzentrieren. Ich wurde etwas verlegen, als mir klar wurde, dass das scheinbar ich, bzw die Beziehung von Patricks Sohn und mir, sein sollte. Mit heißen Wangen lächelte ich etwas. Der Braunhaarige, dem mein Freund tatsächlich sehr ähnlich sah, kam auf mich zu und breitete die Arme aus. ,,Hallo, Thomas. Es ist schön, dass du da bist. Tut mir leid, dass die Stimmung so gedrückt ist.", begrüßte er letztendlich mich. Auch ich breitete nun die Arme aus, umarmte ihn kurz und schüttelte dann den Kopf, hatte eine freundliche, aber auch etwas schüchterne Miene aufgesetzt. Patrick roch nach Alkohol. Ich war mir sicher, er hatte selbst sehr mit der Krankheit seiner Frau zu schaffen. ,,Das ist doch vollkommen okay, Sir. Und vor allem ja auch total verständlich. Es tut mir sehr leid, das mit der Krankheit. Und ich bin auch sehr dankbar, dass ich mit herkommen durfte, um Dylan und ihnen ein wenig Beistand leisten zu können.", antwortete ich auf seine Begrüßung, was er, mit einer tatsächlich etwas glücklichen Miene, annahm. ,,Danke, wirklich. Aber bitte, nicht so formell. Das mit dem 'Sir' kannst du dir abgewöhnen. Bist ja schließlich schon länger ein bisschen wie ein Teil der Familie." Dylan hatte uns zugesehen, schaffte es auch, ein wenig zu lächeln.

,,Und seit wir zusammen sind, ist er das noch ein Stück mehr.", meinte er, klang dabei fast schon stolz, was mich zu einem etwas breiteren Lächeln brachte. Er nahm demonstrativ meine Hand, was mich leise kichern lies. Dennoch machte sich ein etwas unwohles Gefühl in mir breit. Was würde Patrick wohl dazu sagen, dass wir jetzt zusammen waren? Nicht, dass ich ihn für homophob halten würde oder sowas, im Gegenteil, Dylans Familie hatte ich immer nur von guten Seiten gesehen, aber trotzdem konnte ich den Gedanken nicht loslassen, er würde mich zurück nach London schicken und mir verbieten, hier bei ihnen zu sein. Bei Dylan zu sein. Für ihn da zu sein.

Doch wie ich es schon fast gewusst hatte, grinste der Älteste nur. ,,Ganz genau. Ich bin wirklich froh für euch, wenn ihr dadurch beide so glücklich seid. Und auch, weil ihr scheinbar sehr füreinadner da seid." Seine Worte erleichterten mich wirklich. Und auch Dylan schien ein kleines Bisschen von seiner Anspannung zu verlieren, die er die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte. ,,Danke, Dad.", lächelte er matt.

Alle guten Dinge sind 4?! (Dylmas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt