87 - wedding photo

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Dylan

Wir hatten dafür, dass wir hergekommen waren, weil Mom Krebs hatte, tatsächlich einen einigermaßen angenehmen Abend. Julia und Dad hatten mit uns zu Abend gegessen und wir haben gemeinsam einen Wein getrunken. Alle haben sich gut unterhalten und wir haben es sogar ein paar Mal hinbekommen, zu lachen, ohne dass wir es so zwanghaft fälschen mussten, wie ein paar andere Male. Es tat wirklich gut, jetzt hier zu sein. Auch, wenn wir Mom erst morgen besuchen können würden, da sie im Krankenhaus blieb, war es schon eine kleine Erleichterung, hier in Amerika zu sein. Und es war eine noch größere Erleichterung, Thomas bei mir zu haben. Er ging so unfassbar verständnisvoll mit mir um und wusste immer genau, was zu tun und zu sagen war. Er war gerade wirklich wie mein Fels in der Brandung und egal wie hoch die Gewässer und Flutwellen werden würden, er würde immer alles fern von mir halten. Er würde meine momentan so verletzliche Statur immer davor beschützen überflutet zu werden, wie ein Wellenbrecher. Und er würde mich immer in den Arm nehmen, als könnte er die kleinen Teile, in die ich momentan drohte zu zerbrechen, allein mit einer Umarmung wieder beieinander halten. Ich wusste, egal was kommen würde, er würde mich halten. Das machte er mir mit allem was er war klar. Mit jedem Blick, jeder zärtlichen Berührung, mit jedem Wort das er sprach. Und er war gerade wirklich eine unfassbar große Hilfe.

Gerade gingen wir gemeinsam die Treppen unseres Hauses nach oben, zu meinem Zimmer. Wir hatten uns zwar oft in Amerika getroffen, aber hier war er noch nie gewesen. Es war schon fast süß, wie er sich in unserem Haus umsah, als wäre er ein kleines Kind, das gerade eine neue Welt entdeckt hatte. Und das, obwohl unser Haus nicht einmal etwas besonderes war. Vor allem war mir aufgefallen, wie genau er die Familienfotos und die Bilder von Ju und mir in Betracht nahm. Jetzt, als wir den Flur entlang liefen, blieb er auch kurz stehen, um ein Bild an der Wand zu begutachten. Es war das Hochzeitsbild von Mom und Dad. Ich war damals vielleicht drei oder vier gewesen und trug auf dem Bild einen Anzug, Julia, die schon ein bisschen älter gewesen war, ein Kleid. Meine Eltern lächelten, während meine Schwester und ich eine Grimasse zogen. Leise kicherte Thomas, als er das sah. Auch ich musste schmunzeln, schüttelte den Kopf. ,,Mom wollte, dass wir das aufhängen, statt dem eigentlichen Hochzeitsfoto. Sie meinte, das würde uns besser beschreiben.", erklärte ich ruhig, woraufhin der ein Jahr Ältere leicht lächelnd zu mir sah. ,,Es ist richtig niedlich.", stellte er fest, was mich zu einem erneuten Schmunzeln brachte. Dann sah ich jedoch selbst auf das Bild, wobei mein Blick etwas verträumter wurde. ,,Dad war an dem Tag so glücklich. Allgemein mit Mom." Mein Lächeln verschwand, mein Gesichtsausdruck wurde etwas trauriger. ,,Ich glaube, ihn trifft es von uns allen am meisten. Auch, wenn er das niemals zugeben würde."

Tommy hatte natürlich gemerkt, dass ich wieder trauriger wurde, hatte seine Arme um meinen Hals gelegt und mich daran vorsichtig zu sich gezogen. Leicht lächelte er mich an, zog mich etwas näher und gab mir einen Kuss auf die Stirn. ,,Wir bekommen das hin, Dylan. Morgen können wir deine Mutter besuchen. Und ich bin mir sicher, dass sie sich sehr freuen wird, dich zu sehen.", meinte er sanft, kraulte mir mit den Fingerspitzen durch die Haare meines Hinterkopfes. ,,Lass uns jetzt erstmal schlafen gehen, okay? Das hast du dringend nötig und vielleicht ist es hier in Amerika mit den Alpträumen ja besser?" Ich lächelte schwach über seine Geste, zog ihn dankbar in meine Arme und drückte ich zaghaft an mich. Er zeigte mir gerade wieder aufs Neue, dass es weitergehen würde. Morgen würde die Sonne wieder aufgehen. Und wieder unter. Und übermorgen dasselbe Spiel. Und das würde so bleiben. Wir konnten wohl oder übel nur weitergehen, nach vorne schauen. Es gibt immer noch ein Morgen, egal wie aussichtslos es scheint. Und morgen würden wir Mom sehen. Aber jetzt würden wir schlafen gehen. Thomas machte mir mit diesen kleinen Sätzen klar, dass es weitergehen würde, aber auch, dass er zumindest eine ungefähre Vorstellung davon hatte, wie es weitergehen würde. Und gerade das war das, was mir solche Sicherheit versprach. Er würde mich führen, so gut er konnte.

Alle guten Dinge sind 4?! (Dylmas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt