1 - Nasenbluten

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»Ok Finn, nochmal.« Eren, mein bester Freund, stellte sich in geduckter Angriffshaltung mir gegenüber. Seine Augen funkelten abwartend und ein freches Grinsen lag auf seinen Lippen, während seine zurzeit viel zu langen Haare ihm vereinzelt in die Augen hingen.
Ich nahm ebenfalls meine Angriffshaltung ein und atmete noch einmal tief ein, ehe ich einen halben Schritt nach vorne tat. Eren verfolgte jede meiner Bewegungen genau. Eine weiteres Mal gegen mich zu verlieren wollte er verhindern. Diese Blamage wollte er nicht noch einmal über sich ergehen lassen.
Unweigerlich musste auch ich Grinsen. Ich machte eine ruckartige Bewegung nach links. Eren hatte damit gerechnet, denn auch er bewegte sich nach links. Ich duckte mich unter seinen nach mir greifenden Armen weg, packte ihn am Bauch und drehte ihn an mir vorbei auf den Boden. Der Schwung, den er draufhatte nütze mir dabei gut und Eren fiel an wie ein nasser Sandsack an mir vorbei. Kaum hatte er den Boden berührt, sprang er blitzschnell wieder auf und erwischte mich am Oberarm. Schmerzhaft drehte er ihn nach hinten, wodurch ich mich dem Schmerz hingebend nach vorne auf die Knie fallen ließ. Geschickt griff ich jedoch dabei nach seinem Unterschenkel und zog in weg, wodurch Eren das Gleichgewicht erneut verlor und nach hinten umfiel. Sofort drückte ich mein Knie gegen seine Brust um ihn auf dem bemoosten Waldboden zu fixieren. Außer Atem sah er mich feindselig an und schnaubte.

Ein triumphierendes Lachen entwich mir und ich fing an ihm die Wange zu tätscheln. »So schnell kann es gehen. In der einen Minute so selbstüberzeugt in der anderen am Boden.« Ich erhob mich und klopfte mir den Dreck von den Klamotten.

»Jetzt komm. Es wird später und heute läuft Fußball. Ich will vorher noch duschen.« Wortlos stand auch Eren auf. »Irgendwann werde ich eine Rangelei mit dir gewinnen. Der Tag wird kommen.«, prophezeite mir mein bester Freund und hob seinen Zeigefinger spitz in die Höhe um seine Worte zu untermalen.

»Ich zähle schon die Tage.«, grinste ich und streckte kurz meine Arme, ehe ich mich in meine Wolfsgestallt verwandelte. Eren tat es mir gleich. Sein Wolf war nur einige Zentimeter kleiner als meiner. Sein hellgraues Fell glänzte matt in den vereinzelten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne, die das dichte Blätterdach zum Waldboden durchließ.
Zwar konnte man den an dieser Stelle sehr lichten Wald auch in Menschengestallt gut durchqueren, jedoch war es als Wolf um einiges komfortabler und auch schneller. Außerdem gab es einem eine gute Möglichkeit Eren zu einem Rennen herauszufordern.

Nebeneinander preschten wir durch den Wald. Die kühle Abendluft bließ angenehm an uns vorbei und kitzelte unser Fell. Die Vögel begleiten uns mit einem gut einstudierten Lied und in der Ferne konnte ich einige Rudelmitglieder wittern.
Innerhalb weniger Minuten hatten wir die Kilometer zum Dorf zurückgelegt. Ab hier trennten sich unsere Wege. Eren bog leicht nach links ab. Wir sehen uns später Das waren Erens Worte, die in meinen Kopf ertönten. So konnten wir auch in Wolfsgestallt miteinander kommunizieren.

Einen Augenblick später war ich schon bei meinem Elternhaus angekommen.
Obwohl ich schon 18 Jahre alt bin und der Beta unseres Alphas, wohnte ich immer noch zuhause. Für mich hatte es keinen Sinn auszuziehen solang ich meine Gefährtin noch nicht gefunden hatte. Außerdem war Mamas Essen viel zu lecker als das ich ohne Weiteres hätte ausziehen können.
Ich verwandelte mich zurück und betrat das kleine Haus. Es war klein und gemütlich. Mein Großvater hatte das Haus damals gebaut und es meiner Mutter vermacht. Als Mum sich dann auf Dad geprägt hatte, zog er hier ein. Seit dem wohnen meine Eltern, ich und meine kleine Schwester Melinda hier.
»Hey Mum.« Die zierliche Frau stand im Wohnzimmer und goß die Topfpflanzen, die wir zu Hauf zuhause hatten. Mama liebte Pflanzen über alles.
»Hallo mein Liebling. Ich koche heute etwas später.« Sie strich ihre hellblaue Bluse glatt, die durch ihre Bewegung etwas verrutscht war. Ihre schwarzen Haare hatte sie mit einer Klammer provisorisch aus ihrem Sichtfeld verräumt. Ihre blauen Augen stachen und den dunklen Augenbrauen markant hervor. Sie ist eine so schöne Frau und ich konnte stolz sein sie meine Mutter nennen zu können.
Meine Schwester und ich waren das exakte Ebenbild unserer Mutter. Dad konnte sich gegen ihre Schönheit zum Glück nicht durchsetzten. Dafür hatten sowohl Melinda als auch ich überwiegend Dads Charakterzüge übernommen.
»Ist in Ordnung. Ich esse heute sowieso nicht mit. Ich bin bei Lukas. Heute läuft Fußball.«, klärte ich meine Mutter auf. Sie nickte nur und wand sich wieder ihren Pflanzen zu.
»Du gehst zu Lukas?« Melinda kam die Treppe herunter gehüpft und sah aus ihren blauen Augen zu mir auf. Sie war genauso zierlich gebaut wie Mama und reichte mir gerade mal bis zur Brust. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr in großen Wellen auf die Schultern und das hellgrüne Kleid, das sie trug schmeichelte ihrer Figur.
Ich nickte. »Nimmst du mich mit?« Aus großen Hundeaugen bettelte sie mich an. Mit ihrem frischen 16 Jahren wollte sie bei allem dabei sein was irgendwie nach Action klang. Und warum auch immer verband sie Zeit mit meinen Ü18 Freunden zu verbringen mit Action. Auch wenn es nur Pizza essen und Fußball schauen war.
Mit einem klaren Nein, ging ich an ihr vorbei und die Treppe nach oben. Das konnte mir gerade noch fehlen. Ein Abend mit den Jungs UND meiner Schwester. Nein danke.
»Ach bitte Finny. Ich werde auch brav sein.« Sie rannte hinter mir die Treppe hinauf und versuchte mein Oberteil zu greifen zu bekommen.
»Nein!«, sagte ich erneut mit Nachdruck und schloss meine Zimmertür vor ihrer Nase. »Kleine Mädchen haben nicht bei den großen Jungs verloren.«, pfiff ich ihr noch durch die geschlossene Tür zu. Ich konnte dank meinem empfindlichem Gehör hören wie sie genervt davon stapfte.

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