Chapter 75.

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Etwas enttäuscht und frustriert strich ich dem schönen schwarzen Pferd über den Kopf, während es auf einem Heubüschel kaute.
,,Die Dame vom Blumenstand weiß leider auch nichts von Martha und warum oder wohin sie verschwand." berichtete Noëlle.
Lyan neben mir schnaubte.
,,Der Typ bei der Schmiede wollte nicht mal mit mir reden, weil ich schwarz bin." erzählte er.
Armer Lyan.
Kaum jemand hier wollte mit ihm reden, wegen seiner Herkunft und seiner Hautfarbe.
Das war so gemein und unfassbar unfair.
Ich seufzte leise.
Niemand konnte uns etwas über Martha oder Matthias sagen.
Es war, als würden wir Geister suchen.
,,Vielleicht sollten wir aufgeben. Schließlich können wir ja nicht das ganze Land durchsuchen oder in andere Länder reisen und dort nachfragen." meinte ich mit einem unglücklichen Unterton.
Ich wollte nicht aufgeben, das war klar.
Doch es wurde langsam dunkel und bisher konnte uns keiner sagen, was mit Martha war.
Immer nur das selbe.
Man hatte sie ewig nicht gesehen und vermutete, dass sie weggezogen sei.
Zusammen mit einem Soldaten namens Matthias und zwei Kindern.
Immer nur das selbe zu hören war einfach frustrierend.
,,Wie kann es sein, dass jeder Martha kannte, aber uns niemand wirklich was zu ihr sagen kann?" fragte ich laut aus Frust und strich dem Pferd wieder über den Kopf.
Das konnte doch unmöglich sein.
Eine Frau, die meine Klage gehört hatte, blieb stehen beobachtete uns einen Moment lang.
Sie hatte geflochtene braune Haare und dunkle Augen, die mich genau musterten.
Ein seltsames Verhalten für eine Fremde, wenn ihr mich fragt.
Sie sah uns an, als hätte sie etwas zu sagen.
Als würde sie etwas wissen.
Mehr, als alle hier.
Ich erwiderte ihren Blick, in der Hoffnung, dass sie etwas sagen würde, doch sie wandte sich ab und ging weiter.
Ich seufzte wieder.
,,Es ist zwecklos. Ich glaube wir sollten den Heimweg antreten." sagte ich.
Wir würden Martha, oder Elaine, nicht finden.
Nicht so.
,,Entschuldigung-"
Ich wandte den Kopf, als ich eine Stimme hörte.
Es war die Frau, die uns eben so komisch angeguckt hatte.
Sie war zurückgekommen, wahrscheinlich, als ich betont hatte, dass wir gehen sollten.
,,-du hast eben von Martha gesprochen, richtig?" fragte sie.
Schnell nickte ich.
Diese Frau wusste etwas, das konnte ich fühlen.
Die Frau senkte leicht den Kopf.
,,Ich bin Anna und war mit Martha befreundet. Vielleicht sollten wir uns unterhalten, in meinem Haus." stellte sie sich vor.
In ihrem Haus?
Allein?
Ich sah zu meiner Schwester.
Diese sah zu Lyan.
,,Begleite ihn, bitte. Ich bleibe bei der Kutsche." befahl sie.
Ich sah wieder zu Anna.
,,Es wäre schön, wenn wir reden könnten." erwiderte ich schließlich.
Anna nickte.
,,Folgt mir, bitte."
Mein Herz fing wieder etwas schneller an zu klopfen, als Lyan und ich Anna folgten.
Ich warf meinem Partner einen langen Glaubst-du-sie-weiß-was-?-Blick zu, worauf er mit einem Schulterzucken antwortete.
Es deutete darauf hin, dass Anna mehr wusste, als das ganze Dorf zusammen.
Sonst würde sie uns nicht bitten, mit ihr in einem privaten Raum zu reden.
Wir betraten ihr hübsches, gemütliches Haus, in dem gerade zwei Kinder spielten.
Zwei Mädchen, eines braunhaarig, das andere blond.
Anna schickte die Mädchen in ein anderes Zimmer und bat uns Platz auf den Holzstühlen am Tisch zu nehmen.
Mein Atem setzte fast aus vor Aufregung, als sie sich ebenfalls setzte.
,,Warum genau sucht ihr Martha?" fragte Anna direkt.
Lyan und ich sahen uns kurz an, da wir mit dieser Frage nicht gerechnet hatten.
Doch Anna wollte wahrscheinlich sicher sein, dass wir Martha nicht einfangen oder sonst irgendwas antun würden.
Ich sah wieder zu ihr.
,,Ich glaube, dass Martha meine Mutter Elaine ist. Sie hat mich damals auf einem Sklavenmarkt geboren und ist verschwunden, als ich 10 Jahre alt war. Meine Halbschwester hat herausgefunden, dass sie wahrscheinlich von einem Wächter namens Matthias von dem Markt befreit und hierher gebracht wurde. Sie hatte weiße Haare und blaue Augen, wie diese Martha, die hier lebte." erklärte ich ihr die Kurzfassung.
Anna nickte leicht, als würde sie das kurz verarbeiten.
,,Martha kam ganz plötzlich hierher an Matthias Seite, der schon etwas länger hier gewohnt hat. Ich habe mich schnell mit ihr verstanden und viel mit ihr geredet. Sie hat mir irgendwann auch von einem Sklavenmarkt erzählt, doch davor hatte sie sich am Kopf gestoßen, weshalb ich dachte, sie würde Irrsinn erzählen. Scheint so, als hätte sie das alles doch erlebt." erwiderte sie.
Mein Herz raste.
Es passte also.
Martha und Elaine mussten ein und die selbe Person sein.
,,Hat Martha auch irgendwann mal ein Kind erwähnt?" fragte Lyan neugierig.
Anna überlegte kurz.
,,Ich habe sie, als sie schwanger wurde, gefragt, ob das ihr erstes Kind sei. Sie hat es verneint aber nichts weiter dazu sagt und ich habe es auch nicht weiter angesprochen. Jedenfalls wirkte sie oft deprimiert, wenn es um ihre Kinder ging. So, als würde sie jemanden oder etwas vermissen." erklärte sie.
Als würde sie jemanden vermissen?
Aber sie hatte mich doch absichtlich zurückgelassen, laut der Omega in der Beta 27.
Was war nun die Wahrheit?
,,Hat Martha noch was von ihrer Zeit vor diesem Dorf hier erzählt? Irgendwas?" harkte ich weiter nach.
Meine Mutter konnte unmöglich ihre ganze Vergangenheit verschwiegen haben.
Wenn man so ein Leben geführt hatte und nun frei war, wollte man darüber reden.
Anna nickte leicht.
,,Sie hat mir Narben gezeigt, die sie wohl von diesem Markt hatte. Schnittnarben aber auch Narben von hartem Leder und Ketten. Wir haben auch mal Schuhe zusammen anprobiert und da habe ich gesehen, wie vernarbt ihre Füße waren. Das war kein schöner Anblick." sagte sie.
Ich nickte.
Auch ich hatte diese Narben.
Sie konnte es nur sein.
Annas Augen leuchteten plötzlich.
,,Sie hat mir auch etwas komisches erzählt. Etwas von weißen Rosen und lila Augen. Ich wusste nicht so ganz, was sie damit gemeint hat aber jetzt fällt mir auf, dass deine Augen ja lila sind."
Meine Augen wurden groß.
Sie hatte Anna vom White-Rose-Syndrom erzählt?
Beziehungsweise, sie hatte es versucht.
Denn Anna hatte es anscheinend nicht so ganz verstanden.
Ich deutete auf meine Augen.
,,Ich habe das so genannte White-Rose-Syndom. Wahrscheinlich hat Martha, oder Elaine, dir davon erzählt." erklärte ich.
Anna nickte.
,,Ich erinnerte mich noch genau daran. Wir saßen zusammen auf einer Decke am See. Sie hat etwas mit ihren Händen gedreht und gewoben und gesagt, dass sie auf eine Person mit White-Rose-Dings wartet. Ich hab nicht verstanden, was sie damit gemeint hat, also hat sie gesagt, sie wartet auf eine Person mit weiß-blauen Haaren und lila Augen. Das bist du, oder?"
Ich nickte mit offenen Mund.
,,Sie hat dir gesagt, dass sie auf ihren Sohn wartet." stellte Lyan mit leuchtenden Augen richtig.
Anna nickte.
,,Sieht so aus." erwiderte sie.
Ich starrte durch die Gegend.
Martha, oder Elaine, meine Mutter wartete auf mich!
Sie wartete darauf, dass ich kam und mit ihr sprach!
Sie hatte die Hoffnung, dass ich am Leben war!
Wir mussten sie sofort weiter suchen und finden.
Sie schien seit Jahren zu warten, dass ich sie suchen kam, um wieder vereint mit ihr zu sein.
Und Anna konnte dabei helfen, dass wir uns wiederfanden.
,,Wo ist Martha? Wo ist die hingezogen? Hat sie zu dir etwas dazu gesagt?" fragte ich schnell.
Anna sah mir in die Augen.
Sie sah überrascht aus.
Ihr Blick verunsicherte mich, also sah ich kurz zu Lyan und dann wieder zu ihr.
,,W-Was?" fragte ich sie zögernd und blickte ihr wieder in die dunklen Augen.
Kummer und Trauer leuchteten in ihnen, sodass sich meine ganze Brust zusammenzog, als sie sprach.
,,Es tut mir Leid, aber Martha ist vor zwei Jahren gestorben."

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt