Chapter 62.

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Frühling.
Die Zeit, in der alles anfing zu blühen und die Kälte vom Winter sich langsam verabschiedete.
Die Sonne schien endlich wieder länger und wärmer und ließ kleine Blümchen auf dem Gras und in den Blumenkästen blühen.
Auch die Assassinen freuten sich auf den Frühling.
Es wurde Wärmer, Beute würde nun leichter zu jagen sein und auch im Wasser würden nun die Fische sich wieder an die Oberfläche begeben.
Aber am schönsten waren immer noch die hübschen Blumen.
Verträumt berührte ich mit meinen Fingerspitzen leicht die weißen Blüten der Schneeglöckchen, die in Lyans Blumenkästen wuchsen, gemischt mit den hübschen violetten und gelben Krokussen.
Sie waren so wunderschön und ließen in mir Freude aufsteigen.
Die letzten Monate waren hart gewesen.
Ich hatte die meiste Zeit damit verbracht, an meine Mutter zu denken und zu überlegen, wie es ihr wohl ginge.
Wenn ich in diesen Gedanken war, konnte nicht einmal Pakkas süßes Gesicht mich ablenken und mich aufheitern.
Ich machte mir Sorgen und vermisste sie schrecklich.
Doch der anbrechende Frühling ließ Hoffnung in mir aufsteigen, sowie die Schneeglöckchen, die leicht mit ihren Köpfchen nickten.
Meine Mutter war bei mir, in Form dieser Blumen.
Das hatte sie mir gesagt.
Und sie hatte recht.
Die Blumen, egal wo ich hinsah, erinnerten mich an sie.
Und so lebte schon mal ein Teil von ihr.
In Gedanken versunken, berührte ich vorsichtig mit einer Hand meinen kleinen Bauch, der in den letzten zwei Monaten nun recht sichtbar geworden war.
14 Wochen.
So lange hatte ich dieses kleine Wesen nun schon in meinem Bauch.
Es fühlte sich immer noch so irreal an.
Langsam aber sicher konnte man das Bäuchlein auch sehen, wenn ich keinen Mantel trug, der ihn kaschieren könnte.
So wurde im ganzen Lager der Assassinen gemunkelt und geflüstert, was mich betraf.
Einige vermuteten ein Baby, andere nur einen normalen Bauch.
Auch waren einige sehr neugierige Leute bereits zu uns ans Lagerfeuer gekommen und hatten gefragt, ob wir ein Baby bekamen.
Jedoch äußerten Lyan und ich uns dazu nicht.
Noch nicht.
Wir hatten gerade so unsere Beziehung verkündet und wollten nun mit den Neuigkeiten zum Baby warten, bis es langsam offensichtlich wurde.
Es war unsere gemeinsame Entscheidung.
Dennoch war der Gedanke ein Kind im Bauch zu haben, immer noch sehr neu und ungewohnt.
Seit dem Vorfall mit Kamil und dessen Tod, fing ich an, immer mehr Zuneigung zu dem Baby zu empfinden.
Kamil war tot, also war das Kind nicht mehr sein.
Es war mein und Lyans.
Dieser liebte dieses kleine Wesen selbst schon so sehr.
Seitdem man langsam bei mir ein deutliches Bäuchlein sah, war der hübsche Omega auf Wolke 7.
Gespräche zu dem Baby, Streicheleinheiten auf meinem Bauch und gute Speisen, die mich zufrieden stellten, genau wie die erwachsenen Dinge, die wir ab und an taten.
Das Leben mit ihm war einfach großartig.
Ich drehte leicht den Kopf, als ich Lyans Schuhe auf dem Holz der Veranda hörte.
Sofort fühlte ich Freude und Geborgenheit in mir aufsteigen.
Der hübsche Omega schien im warmen Licht der Sonne zu leuchten, als er mir einen schönen Blumenstrauß reichte, der in himmlischen Farben leuchtete.
Mit großen Augen sah ich auf die schönen Blüten.
,,Hübsche Blumen, für meinen hübschen Omega." meinte Lyan und lächelte.
Ich schmunzelte dankbar.
,,Danke, Lyan, sie sind wunderschön." erwiderte ich mit roten Wangen.
Der Omega strahlte.
,,Heute sind wir genau drei Monate zusammen. Da dachte ich, dass dir Blumen sicher gefallen würden." meinte er.
Drei Monate.
So lange waren er und ich schon ein Liebespaar.
Drei Monate war unser Geständnis her und drei Monate lebten wir gemeinsam in seinem Haus.
Die Zeit schien wie im Fluge vergangen zu sein.
,,Schläft Pakka?" fragte Lyan.
Ich nickte.
,,Ganz entspannt in der Wiege, nachdem er mich von Oben bis Unten mit Brei bekleckert hat." erwiderte ich.
Mein Partner konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.
,,Ich hoffe die Flecken gehen wieder aus." meinte er.
Ich nickte wieder.
,,Das hoffe ich auch."
Lyan lächelte und legte seine eine Hand zu meiner, die wieder zu meinem Bauch gewandert war.
,,Und was macht mein kleines Baby?" fragte er, wobei ich etwas rot wurde und schmunzeln musste.
Er sagte oft, dass das Baby sein war.
Konnte man es ihm verübeln?
Kamil war tot, ich war schwanger und er liebte mich, sowie das Kind.
Da war es klar, dass er es als sein sehen wollte.
Und für mich, war das sowieso kein Problem.
Ich hätte es sogar lieber, würden wir den Assassinen erzählen, dass es von ihm wäre, anstatt von einem alten Typen, den ich erschossen hatte.
Am liebsten, würde ich meinem Kind seine eigentliche Abstammung verschweigen wollen, doch es würde irgendwann bemerken, dass es nicht von Lyan war und die Wahrheit wissen wollen.
Das würde sehr hart werden.
Das Kind würde sich sicher fühlen, als wenn es nie gewollt wäre.
Schließlich hatte Kamil mich nicht gefragt, ob ich ein Kind haben möchte und auch Ali konnte nichts dagegen unternehmen.
Jedoch wurde dieses Kind in jenem Moment auf der Veranda durch aus geliebt.
Es hatte Überwindung und Zeit gekostet, doch nun war ich mir sicher, dass ich selbst eine gute Mutter werden würde.
Jedenfalls hoffte ich das.
Den Ausmaß meiner Erziehung würde ich nur anhand der Reaktionen meines Kindes sehen können.
Ein leichtes Geräusch ließ mich zur Seite sehen.
Zwei weibliche Assassinen liefen gerade den Weg entlang und beobachteten Lyan und mich ganz genau, wobei sie leise Flüsterten und leicht auf Lyans Hand auf meinem Bauch deuteten.
Eine Situation, die ich beinahe täglich erlebte.
Das Tuscheln, das Deuten und die Blicke.
Mit einem etwas unangenehmen Gefühl drehte ich mich weg und legte meinen Mantel etwas enger um meinen Bauch.
Ich wusste nicht warum, doch ich fühlte mich noch nicht bereit meinen Bauch voller stolz zu präsentieren.
Lyan schien das zu verstehen.
,,Sieht so aus, als würde dir mein Essen sehr gut bekommen. Du warst nach deiner Ankunft hier so dürre und zerbrechlich, doch jetzt wirkst du endlich etwas kräftiger." meinte er, laut genug, damit die Assassinen es hörten.
Ich wusste, dass er das nur sagte, um sie von meiner Schwangerschaft abzulenken.
Die zwei Frauen sahen sich kurz an, dann gingen sie schweigend an uns vorbei.
,,Tut mir leid, dass ich es noch nicht zeigen kann." flüsterte ich.
Lyan schüttelte den Kopf und strich sanft über meinen Arm.
,,Das ist völlig in Ordnung. Jeder empfindet so etwas anders ." erwiderte er und lächelte.
Erleichterung stieg in mir auf.
Er war so verständnisvoll und sanft.
Jedoch hatte ich eine Vermutung, weshalb ich meine Schwangerschaft außerhalb des Hauses nicht genießen konnte.
Diese verfluchten Alpträume.
Jede Nacht erschienen sie in meinem Kopf und raubten mir die Erholung des Schlafes.
Jede Nacht sah ich das selbe Bild.
Die tiefroten Blutflecken im Schnee, die wilden braunen Augen, das verzerrte Gesicht.
Und dann der Schuss.
Laut und nachhallend in meinen Gedanken.
Oft wurde ich nach ihm direkt wach, mitten in der Nacht.
Doch an anderen Tagen träumte ich weiter und sah immer wieder ganz genau, wie die Kugel durch die kahle weiße Stirn schoss, Blut auf mich herab spitzte und der tote schwere Körper auf meinen fiel.
Immer wieder hörte ich Worte, die mir kalte Schauer über den Rücken jagten.
Irgendwann komme ich dich und dein Kind holen, Dai.
Merke dir das gut.
Ich werde kommen und du wirst gehen!
Danach wurde ich wach, setzte mich aufgeschreckt auf und versteckte kleine Tränen, die voller Angst meine Wangen hinab gelaufen waren.
Dann reagierte mein Körper mit Zittern, auf die Gedanken und Träume.
Manchmal musste ich sogar den Schlafraum verlassen, um mich im Badezimmer oder in der Wohnstube zu beruhigen.
Diese Alpträume jagten mich Nacht für Nacht und auch am Tage.
Es war der Horror.
Lyan hingegen wusste nichts von meinen Alpträumen.
Er fragte mich zwar immer, weshalb ich so müde sei, doch ich schob es ihm gegenüber auf die Schwangerschaft.
Ich konnte ihm nichts von meinen Alpträumen erzählen.
Ich konnte einfach nicht.
Er würde mich sicher für ein kleines Kind halten, wenn er herausfand, dass ich Angst vor diesen Träumen hatte.
So schwieg ich, versteckte alles hinter einem hübschen Lächeln.
Doch innerlich schrie ich vor Angst.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt