Verwirrt blinzelnd öffnete ich meine Augen.
Strahlendes Sonnenlicht lachte mir entgegen und hüllte den Wald in ein warmes Licht.
Ein neuer Morgen war angebrochen und die Sonne ging langsam auf.
Ich befand mich immer noch auf Belle, die wohl die ganze Nacht in dem langsamen Schritt durch den Wald getrottet war.
Aus ihren Nasenhöhlen dampfte es und leichte Schneeklumpen hingen an ihren Beinen.
Ich setzte mich etwas gerader auf und streckte mich kurz.
Ein Kälteschauer lief über meinen Körper.
Wo befanden wir uns?
Bisher kam mir der Weg noch bekannt vor, was etwas erleichternd war.
So wusste ich wenigstens, dass ich auf einen vertrauten Weg ritt.
Kurz blickte ich hinter mich.
Ich hörte nichts.
Die Assassinen schienen noch nicht bemerkt zu haben, dass ich fehlte, sonst würde man den Galopp ihrer Pferde sicher schon aus der Ferne hören können.
Ich legte eine Hand auf meinen Bauch, als dieser leicht knurrte.
Ich sehnte mich nach einem leckeren Frühstück, welches Lyan morgens immer so liebevoll vorbereitete.
Ein leichter Schmerz schnitt durch mein Herz, als ich an ihn dachte.
Ich vermisste ihn so sehr.
War das normal, wenn man ein Liebespaar war?
Ich schob den Gedanken bei Seite, als ich bemerkte, dass mir mein Hintern vom Sitzen ziemlich weh tat.
Also hielt ich Belle an und rutschte langsam von ihrem Körper, um selber einige Schritte zu gehen.
Die Stute trottete langsam neben mir her.
Ich atmete tief die kalte klare Luft ein.
Es war irgendwie ein schöner Morgen.
So ruhig, so schön.
Ich stieg über einen Baumstamm, der mir sehr bekannt vorkam.
Ich war schon einmal hier gewesen und über ihn gestiegen, als Noëlle mich zu den Assassinen gebracht hatte.
Als ich meinen Fuß in den Schnee setzte, flogen plötzlich aufgeschreckte Vögel hinter dem Holzstamm hervor und flüchteten in die hohen Bäume.
Kein großer Schreck für mich, doch für Belle der Horror.
Die große Stute wich vor Schreck zurück und sah sich panisch um, riss den Kopf hin und her.
,,Ruhig, Belle." versuchte ich das große Tier zu beruhigen.
Doch es half nichts.
Schnell ging ich in Deckung und ließ den Strick los, als das dunkle Pferd sich aufbäumte, über den Holzstamm sprang, eine kleine Runde drehte und dann losstürmte, zurück über den Baum.
Mit großen Augen sah ich zu, wie sie noch einmal mit den Hinterhufen ausschlug und dann in die Richtung zurück galoppierte, aus der wir gekommen waren.
,,Belle!" rief ich ihr nach, doch das Pferd hörte nicht und rannte weiter.
Leicht zitternd stand ich da, ganz allein, ohne Pferd, im kalten Schnee.
Na toll und jetzt?
Wie sollte ich jetzt schnell zur Beta 27 kommen?
Ich seufzte und beschloss nach einer kleinen Weile meinen Weg ohne Belle fortzusetzen.
Sie würde sicher selbst zurück ins Lager finden.
So stapfte ich missmutig durch den Schnee.
Eine leichte Brise fegte über den Weg und die grauen Wolken kündigten eine Ladung Schnee an.
Ich kuschelte meinen Kopf tiefer in den pelzigen Kragen meines Mantels und steckte die Hände in meine Taschen.
Vielleicht sollte ich mir für die nächste Nacht ein Wirtshaus suchen.
Jedoch hatte ich kein Geld und auch nichts anderes zu bieten, außer den Mantel, die Handschuhe und meine Stiefel.
Und meinen Körper.
Schnell verscheuchte ich diesen Gedanken.
Ich würde niemals meinen Körper verkaufen!
So viel Eigenehre durfte ich doch wohl besitzen, oder nicht?
Ich horchte auf, als ich ein Geräusch hörte.
Ein schweres und gleichmäßiges Geräusch.
Ein Pferd.
War Belle wieder zurückgelaufen?
Kurz warf ich einen Blick nach Hinten, um enttäuscht festzustellen, dass es nicht Belle war, sondern ein hellbraunes Pferd mit einem vermummten Reiter.
Schnell drehte ich den Kopf wieder weg.
Ich durfte fremden Menschen auf keinen Fall vertrauen und auch niemanden zeigen, dass ich ein Omega war.
Sonst wäre es vorbei mit mir.
Die Geräusche von schweren Hufen kamen näher, sowie das schnauben des Pferdes, wurden jedoch etwas langsamer kurz hinter mir.
Oh, oh.
Innerlich betete ich, dass die Person einfach weiter reiten und mich ignorieren würde.
,,Einen guten Tag, haben Sie sich verlaufen?"
Bei diesem Satz lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
Diese Stimme, auch wenn sie etwas gedämpft klang, kam mir viel zu vertraut vor.
Und diese Pheromone.
Der Geruch nach Lilien.
Oh nein!
Ich wusste ganz genau, wer da nun neben mir auf dem braunen Pferd ritt.
Es war Kamil auf seiner Rückkehr von einem morgendlichen Ritt.
,,A-Alles gut. Einen guten Tag." stammelte ich leise, ohne ihn anzusehen.
Noch mehr als zuvor, betete ich, dass er weiter ritt.
Er durfte nicht bemerkten, wer ich war.
,,Sicher? Sie wirken nicht, als wüssten Sie, wo Sie sich befinden." meinte er.
Ich zog den Kopf mehr ein und richtete meinen Blick auf den Boden.
,,Ich weiß genau, wo ich bin, vielen Dank." erwiderte ich und beschleunigte meinen Schritt etwas, da langsam Panik in mir aufstieg.
Leider sorgte meine plötzliche Beschleunigung dafür, dass einige meiner weißen Haarsträhnen aus meiner Kapuze fielen und in mein Gesicht hingen, sehr gut sichtbar.
Kamil bemerkte das natürlich sofort und er wusste ganz genau, zu wem diese gehörten.
,,Moment mal, Dai?" fragte er und zog mit einem Ruck meine Kapuze runter.
Noch nie in meinem Leben hatte ich so eine Angst verspürt, als ich zu dem Alpha sah.
Dieser sah mich überrascht mit seinen braunen Augen an.
,,Was tust du denn hier?" fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern.
,,L-Laufen?" erwiderte ich.
Ich bemerkte Kamils Blick, der nun skeptisch wurde.
,,Du riechst so anders." bemerkte er.
Mein Herz blieb einen Moment lang stehen.
Noëlle hatte mir mal gesagt, dass man als schwangerer Omega irgendwann einen anderen Geruch bekam.
Roch Kamil meine Schwangerschaft?!
Ich setzte schnell meine Kapuze wieder auf.
,,Ich muss jetzt leider weiter, Kamil." meinte ich und lief etwas schneller, doch Kamil ließ nicht locker.
,,Warte, ich kenne diesen Geruch. Du bist schwanger, nicht wahr?" fragte er.
Mein Herz schlug augenblicklich schneller.
Er hatte es bemerkt.
,,N-Nein!" erwiderte ich ängstlich.
Kamil ließ sein Pferd etwas beschleunigen.
Wie unfair.
Er hatte vier Beine, die ihn trugen und ich nur zwei.
,,Natürlich, ich rieche es doch. Mein Plan hat also funktioniert." meinte er.
Etwas Ärger stieg in mir auf.
Er hatte es also tatsächlich geplant!
Noëlles Vermutung war wahr!
Er war so widerlich!
,,Ich muss gehen, ich werde erwartet." erwiderte ich nur und wollte eine Biegung in einen Seitenweg machen, als ein Klicken ertönte.
Mein ganzer Körper erstarrte, als ich einen leichten Druck an meinem Kopf spürte.
Panisch riss ich die Augen auf.
,,Du gehst nirgendwo hin."
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𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega)
Fantasy[Abgeschlossen Februar 2023] ~~~ England 1814 Sklaverei herrscht im Land. Omegas werden wie Waren an Alphas verkauft und ohne Wert behandelt. Dai, ein Omega, sieht nach seiner Versteigerung die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Verzweiflung, A...