Chapter 1.

5.5K 171 32
                                    

Sandiger, grauer Boden.
Hohe dunkle Wände.
Drahtige, spitze Zäune.
So und nicht anders, hatte ich das Sklavenlager Beta 27 im Jahr 1814 in Erinnerung.
Kein einziger Grashalm wuchs auf der kalten, toten Erde, die seltsam schleimig wurde, wenn der Regen fiel.
Oft versank man bis zu den Knöcheln tief im Schlamm, der wie Kleber an einem haftete.
Hier im Sklavenlager gab es viele verschiedene Sklaven.
Junge und alte.
Dicke und dünne.
Männliche und weibliche Omega-Sklaven.
Jeder sah anders aus und jeder war auf sich allein gestellt.
Das sah man besonders gut, wenn es mal ein kleines Stück Brot gab.
Jeder kämpfte und rang um einen winzigen Krümel des trockenen Weizengebäcks.
Doch das war nie genug.
Nachts konnte man Mägen knurren hören und einige Sklaven fingen schon an an sich selbst herum zu knabbern und Wunden zu reißen.
Viele verendeten an den Verletzungen, um die sich die Wächter nicht scherten.
So viele Tote durch Hunger und Wunden.
Selten wurden Sklaven auf diesen Märkten geboren.
So auch ich.
Meine Mutter kam als Sklavin auf den Markt, entdeckte nur wenig später, dass sie schwanger war und brachte mich wenige Monate später auf die Welt.
Wäre ich ein Alpha gewesen, hätte man mich als Wächter aufgezogen und wäre ich ein Beta gewesen mich getötet.
Doch ich war ein Omega, ein Sklave von Geburt an.
Kostbar, so nannte man mich, wenn man mich sah.
Ich litt an einem sehr seltenen Gendefekt, der sich White-Rose-Syndrom nannte.
Es sorgte für eine weiß-blaue Verfärbung meiner Haare und das schimmern meiner Augen in einem leichten Violett.
So schön mich andere auch fanden, nützte mein Aussehen mir wenig.
Ich bekam nur große Augen zu sehen und das betrachten von allen Seiten.
Doch es half mir nicht in meiner Situation.
Ich war eine attraktive Unterhaltung, mehr nicht.
Immer noch ein Sklave, geboren und aufgewachsen.
Ich musste verkauft werden, egal wie mein Leben danach aussehen würde.
Sonst würde ich sterben, das war klar.
Viele Omega, die nicht verkauft wurden, wurden danach erschossen, um Platz für neue Omega zu machen, die besser verkauft werden würden.
Niemand konnte genau sagen, ob man eine bessere Zukunft haben würde, wenn man verkauft werden würde. Viele Alpha, die hierher kamen, wollten Omega als Putzkraft, Mägde oder um Kinder zu zeugen, wenn der Partner oder die Partnerin selbst keine Kinder austragen konnten.
Jeder hier hatte eine schwache Hoffnung, wenigstes eine etwas bessere Zukunft zu erhalten nach dem Verkauf.
Doch manchmal schien mir der Tod der beste Ausweg.
Wer wollte schon auf seine Funktion reduziert werden und 10 Kinder für ein Alpha-Paar gebären?
Wahrscheinlich nur die, die selbst von einem Leben mit Nachwuchs träumten, auch wenn dieser Nachwuchs keinen Bezug zu ihnen haben würde.
Das war kein Leben, was ich mir wünschte.
Ich wollte frei sein.
Frei von diesen Ketten.
Frei von Alpha.
Frei von dieser Ständeordnung.
Doch war das überhaupt möglich?
Ich kniete hier vor einer großen Menge an Alpha.
Es war ein stickiger Raum, erfüllt mit Zigarettenqualm, Schweiß und Erregung.
Die Alpha saßen alle, schick eingekleidet, auf Stühlen und hatten einen guten Blick auf die kleine Bühne, auf der ich mich befand, gemeinsam mit einem Mann, der auf einem Hocker stand und einem anderen Mann, der dafür sorgte, dass ich nicht weglief.
Heute würde der Tag sein, an dem ich in ein neues Leben startete.
Oder der Tag, an dem ich starb.
Der 14 November 1814.
Das enge Band aus Leder, welches um meinem Hals hing, schmerzte und meine Handgelenke waren wund von den schweren Eisenketten, die an ihnen hingen.
Die scharfen Blicke der Alpha lagen genau auf mir, brannten wie Feuer und ließen in mir ein unangenehmes Gefühl aufsteigen.
Ein tiefer Hass gegenüber dem Typen auf dem Hocker brodelte in mir.
Er hatte mich schon oft im Lager gegen irgendwelche Wände und in Gassen gedrängt, mich berührt, dort wo ich es nicht wollte und mich nur ausgelacht, wenn ich mich wehren wollte.
Ein widerlicher Kerl.
Jetzt leitete er meine Versteigerung und spuckte förmlich große Töne.
Seine Stimme war schon ganz kratzig und zerstört von den Zigaretten, die er stündlich nahm.
,,Dies ist unsere Nummer 10015, Dai. Ein männlicher Omega, im zarten Alter von 18 Jahren. Jung und frisch, wie eine Rosenknospe, ebenso unberührt. Wie sie sehen, trägt er WRS und ist somit sehr kostbar, weshalb wir direkt bei 1 Millionen starten. Kann wer mehr bieten?"
Ich zog ängstlich den Kopf ein, als alle möglichen Summen in die stickige Luft gerufen wurden.
Nach wenigen Sekunden war bereits die 10 Millionen-Marke geknackt und es ging mit zweistelligen Summen weiter.
Ich zitterte leicht.
War ich wirklich so viel wert?
Wer würde mich kaufen?
Wie würde sich meine Zukunft gestalten?
Ich bemerkte, wie aufgeregt die Alpha wurden.
Viele verschiedene Pheromone waberten durch die Luft und mischten sich mit dem Gestank nach Schweiß, Zigaretten und Erregung.
Mein Blick glitt durch die Reihen, konnte aber nur wenige Alpha erkennen.
Sie waren hauptsächlich männlich und in einem etwas höherem Alter.
Warum wollten mich so alte Leute?
Wahrscheinlich, weil sie nie geheiratet hatten, aber dennoch Erben produzieren mussten.
Da war ein Omega-Sklave die letzte Möglichkeit vor dem Tod noch Erben zu zeugen.
,,Wer kann mehr, als 22 Millionen bieten?" hallte laut die Stimme des Typen auf dem Hocker in mein Ohr.
22 Millionen.
So viel Geld für eine Person, die frei geboren werden sollte mit Rechten und einer Stimme.
,,Ich biete 30 Millionen für Nummer 10015." ertönte eine letzte Stimme.
Damit war es nun beschlossen.
Ich war verkauft worden, wie ein Rind auf dem Schlachtmarkt.
In den Augen der Leute war ich auch nichts anderes.
Ein Tier, welches dazu da ist Arbeit zu verrichten, zu gehorchen und Nachkommen zu produzieren.
Das waren wir Omega.
Ich keuchte überrascht auf, als der Wächter neben mir mir plötzlich in die Seite trat.
,,Steh auf." grollte er tief.
Zitternd und kämpfend rappelte ich mich unter den schweren Ketten auf.
Viel zu langsam in seinen Augen.
,,Los, runter von der Bühne oder ich jage eine Kugel in dich!" drohte er.
Ängstlich nahm ich die Treppe runter von der Bühne und stolperte dabei leicht.
Ich zuckte vor Schreck zusammen, als der Wächter über mir plötzlich eine Kugel in die Luft jagte und ein lauter Knall ertönte.
Die letzte Treppe stolperte ich ungeschickt hinunter und knallte mit den Kopf gegen einen schweren Eisenschrank, sodass ich zu Boden ging.
Der Wächter über mir trampelte und schrie vor Wut.
Doch es half nichts.
Das Blut, welches leicht über meine Schläfe lief und der Druck in meinem Kopf sorgte dafür, dass vor meinen Augen immer größer werdende schwarze Punkte erschienen, bis schließlich meine ganze Sicht schwarz wurde, mein Gehör aussetzte und ich in eine Ohnmacht fiel.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt