Chapter 67.

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Etwas verunsichert starrte ich auf das zerbrochene Gestell vor mir.
,,Das ist die Kutsche?" fragte ich.
Zweifel und Unbehagen schwangen in meiner Stimme.
,,Ja, sie wurde schon ewig nicht mehr benutzt und mit den Jahreszeitenwechsel gehen solche Dinge nun einmal schnell kaputt." erklärte Oliver neben mir, etwas verlegen bei dem Anblick dieses Wracks einer Kutsche.
Dieses Schrottteil war nicht mehr zu retten.
Doch, wie sollten wir sonst zu diesem kleinen Dorf an der Küste fahren, in dem meine Mutter sich aufhalten sollte?
,,Kann man das nicht irgendwie reparieren?" fragte ich den dunkelblonden Omega.
Dieser blickte kritisch auf die Teile.
,,Glaube mir, dieses Ding kann man nur noch zum Schrottplatz bringen. Es wäre günstiger eine neue Kutsche anfertigen zu lassen, als diese hier zu reparieren." meinte er.
Oliver kannte sich mit Geld besser aus, als ich.
,,Wie lange würde es dauern, eine neue bauen zu lassen?" fragte ich weiter.
Ich wollte so schnell wie möglich in dieses Dorf, um meine Mutter zu sehen und mit ihr zu reden.
Der Omega neben mir zuckte die Schultern.
,,Ich glaube mit ein bis zwei Monaten musst du schon rechnen. Wozu brauchst du sie überhaupt?"
Ein bis zwei Monate?!
Ich verkniff mir einen ärgerlichen Laut, indem ich daran dachte, dass die Kutschen schließlich von Leuten per Hand gebaut wurde und das nun einmal seine Zeit brauchte.
Ich seufzte.
,,Ich...Ich will meine Mutter suchen und mit ihr reden. Sie wohnt wohl in einem kleinen Dorf an der Küste. Es wäre besser per Kutsche dorthin zu reisen, anstatt zu reiten." erwiderte ich schließlich.
Oliver nickte verstehend.
,,Wäre wahrscheinlich besser für dich und das Kind. Wenn du willst, können wir eine Kutsche in Auftrag geben lassen."
Ich seufzte wieder.
,,Ich bespreche das erst einmal mit meiner Schwester und Lyan. Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit." meinte ich.
Oliver blickte mich mit seinen waldgrünen Augen an.
,,Das zwischen Lyan und dir, was ist das genau?" fragte er spontan und so plötzlich, dass ich nicht direkt antworten konnte.
Sein Blick war ernst, etwas neugierig aber auch etwas anderes lag in ihm.
War er...enttäuscht?
,,E-Er und ich sind ein Paar." erwiderte ich.
Oliver nickte leicht.
,,Also ist da wirklich Liebe zwischen euch oder bist du nur wegen dem Baby mit ihm zusammen?" fragte er weiter.
Ich spürte, wie mein Körper vor Unbehagen leicht kribbelte.
Was sollten diese Fragen?
,,Liebe, wir lieben uns und werden das Kind gemeinsam bekommen." erklärte ich kurz.
Oliver nickte leicht.
,,Verstehe." meinte er nur.
War er etwa sauer?
Ja, ich hatte mal gedacht, dass er gut an meiner Seite sein könnte, doch ich hatte ihm nie irgendwelche Signale gegeben.
,,Ich dachte mal, dass du an mir interessiert sein könnest. Darum habe ich mich um dich gesorgt. Anscheinend dachte ich falsch." ergänzte er noch und verließ dann den Eingang zum Schuppen, in dem wir standen.
Ich sah ihm verdutzt nach.
,,Warte!" rief ich ihm nach.
Wollte er jetzt wirklich beleidigt sein?
Oliver blickte mich nicht an.
,,Tut mir leid, ich hätte nicht gedacht, dass du das denken würdest, da ich immer versucht habe, dir keine seltsamen Signale zu senden, die das behaupten könnten." erklärte ich ihm, während ich ebenfalls nach draußen trat.
Olivers Augen funkelten leicht.
,,Warum bist du dann an dem Tag mit zu mir gekommen, als du wegen deinem Schwarm traurig warst?" fragte er.
In diesem Moment fühlte ich mich unglaublich veralbert.
Sah dieser Omega alles als Anzeichen für Zuneigung?
Ja, ich war an jedem Tag traurig gewesen und hatte mit ihm Zeit verbracht, doch ich wollte es nie über die Schwelle der Freundschaft zu Geliebte bringen?
,,Du hast mir deine Hilfe und deinen Trost angeboten. Ich dachte, dass du das nur freundschaftlich meinst." erwiderte ich.
Olivers Blick wirkte verwirrt.
,,Freundschaftlich? Ich fand dich schon seit unserer ersten Begegnung bei den Pferden niedlich und dachte, dass der Moment auf den Holzstämmen eine Chance für mich wäre." entgegnete er.
Ich war kurz sprachlos.
Dachte er überhaupt nicht nach?
,,Denkst du wirklich, dass ich sofort jemand anderes an mich ran lasse, während ich Liebeskummer habe?" fragte ich ihn.
Der Omega schwieg und schien nachzudenken.
Vielleicht bemerkte er nun den Fehler.
,,Hör zu, ich mag dich sehr aber eben nur als Freund." verdeutlichte ich es ihm noch einmal.
Oliver nickte leicht.
,,Verstehe, es ist trotzdem ein wenig enttäuschend."
Mit diesen Worten ging er.
Einen Augenblick sah ich ihm noch nach.
Beziehungen zueinander waren manchmal so kompliziert.
Kurz schüttelte ich den Kopf.
Ich wollte doch einfach nur das Leben mit meiner Schwester, Lyan, Pakka und einige Freunde.
Ich war eine offene Person und lernte gerne neue Personen kennen.
Doch viele machten es einen so schwer oder das Kennenlernen und das Aufbauen einer Beziehung so kompliziert.
Das war ziemlich anstrengend.
Leise seufzte ich, dann machte ich mich wieder auf dem Weg zu Lyans Haus.
Unterwegs stellte ich fest, wie viele Blümchen bereits auf dem grünen Gras am Wegesrand blühten.
Der Frühling war einfach wunderschön.
Alles blühte und duftete und die kleinen Bienen sammelten Pollen.
Auch Lyans Garten würde bald erblühen in voller Pracht.
,,Hallo, Dai." hörte ich eine Stimme.
Ich drehte den Kopf in die Richtung, aus der sie kam und erblickte die Omega Inola, zusammen mit Jane und einer weiteren Omega.
Sie saßen zusammen an einer Feuerstelle und hatten wohl gemeinsam Tee getrunken.
Ich lächelte und grüßte freundlich zurück.
,,Ein schöner Tag heute, nicht wahr?" meinte die blonde Omega.
Ich nickte.
,,Man muss sich endlich nicht mehr in fünf Schichten einwickeln, wenn man nach draußen will, das ist angenehm." erwiderte ich.
Die drei nickten zustimmend.
,,Trotzdem werde ich die schönen Schneetage vermissen." seufzte Jane leicht.
Inola lächelte.
,,Jetzt darfst du dich erst einmal auf dein Kind freuen, Jane. Es wird an einem schönen warmen Frühlingstag geboren werden, da bin ich mir sicher." sagte sie zu der Omega mit dem Babybauch.
Diese nickte.
,,Ich werde es vermissen die Kugel herumzutragen, doch es ist irgendwie auch erleichternd." meinte sie.
Ich bemerkte, dass dieses Gespräch langsam nur wieder zwischen den dreien stattfand, weshalb ich mich verabschieden und weitergehen wollte, doch Jane hielt mich auf.
,,Sag mal, Dai, befindet sich darin zufällig auch ein Baby oder nährt dich Lyan nur gut?" fragte sie direkt und deutete auf meinen kleinen Bauch.
Kurz stieg etwas Panik in mir auf.
Lyan und ich wollten die Schwangerschaft noch nicht verkünden.
Andererseits würde Jane mich beleidigen, würde ich zweiteres andeuten.
Inola schüttelte den Kopf.
,,Jane, nicht jeder, der etwas Bauch hat, ist direkt schwanger." meinte sie.
Jane zuckte die Schultern.
,,Ich bin selber schwanger. Man sollte also meinen, ich würde einen Babybauch erkennen, wenn ich einen sehe. Und bei Dai siehst es nun einmal so aus, als würde er erwarten." behauptete sie.
Ich spielte etwas nervös mit dem Stoff meines Kleides.
Sie würden so viele Fragen stellen, würde ich dazu etwas sagen.
Wie weit ich war.
Ob es Lyans Baby wäre.
Von wem das Baby wäre, da ich es verneinen müsste.
Wann es kommen würde.
So viele Fragen.
Jedoch hatte ich das Gefühl, dass ich langsam die Wahrheit sagen musste.
Mein Bauch würde nicht kleiner werden und irgendwann würde es offensichtlich werden.
,,Ich...erwarte tatsächlich ein Kind." sprach ich schließlich.
Inolas Augen wurden groß und Jane grinste breit.
,,Ich wusste es!" freute sie sich.
Irgendwie fühlte ich mich etwas leichter, nachdem ich es nun ausgesprochen hatte.
Jedoch hatte ich auch ein ungutes Gefühl, da nun schon bald das ganze Lager davon wissen würde.
,,Gott, segne deine Fruchtbarkeit und das Kind in deinem Leibe. Du und Lyan werdet so ein schönes Baby bekommen." meinte Jane und lächelte.
Inola schien immer noch überrascht.
,,Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet, da du nie so wirktest, als würdest du schwanger sein. Trotzdem, alles gute." meinte sie.
Ich nickte leicht.
,,Danke, es ist noch etwas seltsam, doch ich werde mich daran sicher irgendwann gewöhnen." erwiderte ich.
Jane sah mich mit leuchtenden Augen an.
,,Du musst uns alles erzählen. Wie weit bist du? Wurde das Kind gewollt oder ist es einfach so geschehen? Und wie geht das bei zwei Omegas? Müsst ihr auch beischlafen, um ein Kind zu bekommen? Wann kommt es zur Welt?" fragte sie und mir wurde fast schwindelig bei all diesen Fragen.
,,Ich glaube, ich sollte besser gehen." meinte ich.
Jane sah mich flehend an.
,,Nein, bitte nicht. Erzähle es uns, bitte!" jammerte sie.
Ich schüttelte den Kopf, drehte mich weg und ging.
,,Gib ihm Zeit. Vielleicht weiß er noch nicht, wie genau er mit dieser Situation umgehen soll." hörte ich Inola noch sagen.
Vielleicht hatte sie damit recht.
Schnell betrat ich das kleine Haus, in dem Lyan gerade Pakka auf den Boden setzte und dieser sofort begeistert seine Holzfiguren nahm.
,,Und? Wie sieht es aus mit der Kutsche?" fragte der hübsche Omega neugierig.
Ich seufzte.
,,Es ist nicht mehr als ein Wrack und gehört auf den Schrotthaufen. Oliver meinte, es wäre günstiger eine neue bauen zu lassen." erwiderte ich und strich dem kleinen Pakka kurz über den Kopf.
Lyan nickte leicht.
,,Dann machen wir das." meinte er.
Ich söhnte.
,,Aber die Herstellung dauert so lange. Es kann mehrere Monate dauern, bis sie fertig ist." murrte ich frustriert.
Ich wollte meine Mutter möglichst schnell finden und zur Rede stellen.
Das konnte nicht Monate auf sich warten lassen.
Lyan kam zu mir und nahm mich sanft in seine Arme.
,,Ich weiß, du willst sie schnell sehen. Aber es wäre wirklich besser mit einer Kutsche zu reisen. Außerdem, wenn deine Mutter in diesem Dorf lebt, wird sie sicher nicht weglaufen. Hab ein wenig Geduld." meinte er und sah mir liebevoll in die Augen.
Ich nickte leicht mit dem Kopf.
Irgendwie hatte er recht.
Meine Mutter würde nicht weglaufen, da sie ja sowieso nicht wusste, dass wir sie suchen würden.
Sie dachte sicher, ich wäre noch auf dem Sklavenmarkt oder tot.
Sie hätte keinen Grund sich zu verstecken.
,,Na gut, dann warte ich." erwiderte ich.
Lyan lächelte.
,,Gut, solange können wir ein paar Dinge für das Baby vorbereiten, wenn du möchtest." schlug er vor.
Ich seufzte wieder.
,,Ich habe vorhin einigen Omegas von der Schwangerschaft erzählt." murrte ich und lehnte meinen Kopf gegen Lyan.
,,Oh, oh, was haben sie gesagt?" fragte dieser und legte seine Arme um mich.
Ich schloss einen Moment die Augen.
,,Jane hat so viele Fragen gestellt. Ich bin einfach gegangen, weil ich sie nicht beantworten wollte." erwiderte ich.
Lyan schmunzelte.
,,Jane? Das hätte ich dir auch sagen können, das sie viele Fragen stellt. Sie ist jetzt sicher auf dem Weg, um das ganze Lager zu informieren." meinte er belustigt.
Ich schmollte ein wenig.
,,Warum sind die Leute so neugierig? Sie werden doch sehen, ob ich ein Kind bekomme, wann es kommt und von wem es dann ist." erwiderte ich mürrisch.
Lyan seufzte leicht.
,,Weil sie es lieben, andere auszufragen."
Ich musste feststellen, dass das wahr sein könnte.
In diesem Moment überrollt mich eine leichte Welle an Reue und ich wünschte mir, die Schwangerschaft nicht verkündet zu haben.
Nun würden so viele Leute so viele Dinge wissen wollen.
Ich würde ungefragt irgendwelche sinnfreie Tipps bekommen und mir Ratschläge anhören müssen, bei denen ich indirekt als schlechte Mutter beleidigt werden würde.
Doch ich konnte es nicht mehr rückgängig machen.
Ich konnte nur abwarten.
Warten, auf den Ansturm.
Warten, darauf, dass die Kutsche gebaut und fertiggestellt wurde.
Warten, darauf, dass ich meine eigene Mutter endlich sehen konnte.
Warten.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt