,,Was denkst du, hat sie heraus gefunden?" fragte ich am nächsten Morgen meinen Partner, der gerade die Betten aufschüttelte, während Pakka auf meinem Schoß saß und von mir mit einem kleinen Löffel Apfelmus zu essen bekam.
Noëlle war bereits in den frühen Morgenstunden zurückgekehrt, hatte das Pferd abgegeben und war in ihr Haus verschwunden, um sich aus dem Kleid zu befreien.
Sie wollte gleich am Frühstückstisch erzählen, was sie von dem Leiter der Beta 27 über meine Mutter erfahren hatte.
Ich war nervös.
Schließlich hing es jetzt von der weißhaarigen Alpha ab, ob ich meine Mutter wiedersehen könnte oder ob wir uns erst im Jenseits wieder antreffen würden.
Lyan gesellte sich zu uns und stellte noch etwas geschnittenes Obst auf den Tisch.
,,Sie wirkte etwas durcheinander, also werden es wohl große Neuigkeiten sein." meinte er.
Ich konnte nicht antworten, da der kleine Omega auf meinem Schoß plötzlich beide Arme in die Luft riss und sie laut auf den Tisch knallen ließ, wobei die Schale mit dem Apfelmus ins wanken geriet und umfiel.
Die ganze klebrig-süße Masse lief die Tischdecke entlang und tropfte auf den Holzboden, wobei ein widerliches Geräusch ertönte.
,,Pakka!" riefen Lyan und ich gleichzeitig vor Überraschung.
Der kleine Junge blickte uns unschuldig an und steckte einige Finger in seinen, vom Apfelmus klebrigen und verschmierten Mund.
Schneller hob ich mich.
,,Oh nein, der Boden." jammerte ich und hob die Schale vom Tisch.
Lyan war bereits mit einem Lappen bewaffnet.
,,Keine Sorge, das bekommen wir wieder weg." meinte er und wischte die Pampe schnell vom Boden auf.
Ich blickte Pakka auf meinem Arm vorwurfsvoll an.
,,Also wirklich, Pakka. Du musst ein bisschen aufpassen, was du mit deinen Armen anstellst." meinte ich zu ihm.
Lyan schmunzelte leicht und nahm die Tischdecke vom Tisch.
,,Er wird mit der Zeit lernen, vorsichtig zu sein." erwiderte er.
Ich nickte leicht und trug den kleinen Omega ins Badezimmer, um seine Hände und seinen Mund zu waschen.
Pakka zog unglaublich gerne an meinen Haaren und ich wollte die klebrige Masse ungern in meinen Spitzen haben.
Ich setzte den Omega auf die Oberfläche eines kleinen Regals neben dem Waschbecken, befeuchtete einen Lappen mit Wasser und wischte dem Kleinen über die Hände.
Es war überraschend, wie gut ich mit ihm konnte.
Es lag wahrscheinlich daran, dass er ein recht einfaches Baby war.
Er schrie kaum, wuselte nicht viel herum und war schnell zufriedenzustellen.
Das war sehr angenehm und erleichternd.
,,Mammie, daar." sagte er und deutete mit dem Finger auf eine kleine Vase, die im Licht der Sonne, die durch das Badezimmer schien, funkelte und glänzte.
Ich schmunzelte leicht und wischte seine Hände weiter sauber.
,,Das ist hübsch, nicht wahr? Lyan hat einen wirklich guten Geschmack, was Dekoration betrifft." erwiderte ich, auch, wenn er mich wahrscheinlich nicht verstand.
Mit seinen sauberen Händchen berührte der Omega wieder meinen Stoff am Bauch, wie er es schon am Vortag im Garten getan hatte.
Lange sah er auf die Stelle, während ich seinen Mund säuberte.
,,Du scheinst es immer mehr zu bemerkten, hm?" fragte ich, mehr an mich gerichtet, als an ihn und legte meine Hand dazu.
Ich fragte mich, wie Pakka meine Schwangerschaft wohl mitbekam.
Er schien zu wissen, dass da etwas war, doch wusste er auch was?
Und wie sah er es?
Was dachte er dabei?
Ich nahm den Kleinen wieder auf meinen Arm.
,,Na komm, gehen wir wieder zu Lyan." meinte ich und verließ das Badezimmer.
Mein Partner hatte währenddessen den Tisch fertig gedeckt.
,,Tada, alles wieder sauber." trällerte ich, als ich zu ihm kam.
Der hübsche Omega schmunzelte und strich seinem kleinen Bruder kurz über den Kopf.
,,Und was lernen wir daraus? Immer die Schüssel etwas weiter auf den Tisch stellen." meinte er.
Ich nickte zustimmend.
Es war wichtig den Kindern beizubringen, dass man aus Fehlern lernen konnte.
Es klopfte an der Tür und ich wusste direkt, dass es meine Schwester sein musste.
Lyan löste sich von uns und lief zur Tür, um sie der Alpha zu öffnen.
,,Guten Morgen, Noëlle." begrüßte er sie.
Die weißhaarige Alpha grüße zurück und trat dann ein.
,,Hier duftet es aber wunderbar." schwärmte sie, womit sie das frische Brot meinte, welches Lyan und ich gebacken hatten.
Ich setzte mich wieder auf meinen Platz, Pakka weiterhin auf meinem Schoß.
,,Wie war die Mission?" fragte ich, um direkt zum Thema zu kommen.
Ich war einfach zu neugierig und gespannt.
Die Alpha und Lyan setzten sich zu uns an den hübschen kleinen Tisch.
Noëlle lehnte sich etwas zurück, während Lyan ihr etwas Tee in eine Tasse goss.
,,Sagen wir so, ich bin froh, wieder daheim zu sein." meinte sie.
Dieser Satz kam mir, wie eine Ableitung vor, um nicht mehr zu dem Thema sagen zu müssen.
,,Bitte, Noëlle, sage es mir." flehte ich sie an.
Ich musste es einfach wissen.
So viele Gedanken schwebten in meinem Kopf.
So viele Fragen, die sie mit nur einem Satz beantworten könnte.
Noëlle atmete kurz durch, dann sah sie mich ernst mit ihren leuchtenden Augen an.
,,Es kann sein, dass sie noch lebt." meinte sie schließlich.
Meine Augen wurden groß.
Meinte sie das ernst?
Meine Mutter könnte noch leben?
,,Wie meinst du das?" fragte Lyan neugierig und lehnte sich vor.
Meine Schwester nahm kurz einen Schluck von ihrem Tee, während mein Partner mir ein Stück Brot reichte.
,,Also, deine Mutter hatte wohl eine etwas seltsame Beziehung zu einem der Wächter. Ich glaube er hieß Matthias und war noch nicht lange bei der Beta 27. Laut dem Wächter, Pablo, haben sich die zwei manchmal heimlich getroffen und irgendwann kam Matthias mit einer kuriosen Bitte in sein Büro." erzählte sie, stoppte jedoch, als Pakka anfing auf meinem Schoß herum zu hampeln.
Lyan nahm ihn mir freundlicherweise ab.
,,Erzähl weiter." meinte er zu Noëlle.
Diese nickte und fuhr fort.
,,Matthias bat Pablo darum, eine der Omegas freikaufen zu können. Er hätte viel Geld angespart, um sie sich leisten zu können und würde danach den Markt für immer verlassen wollen. Pablo wusste sofort, dass er Elaine meinte und erinnerte ihn daran, dass sie ein Kind, also dich, habe und er sie ungern allein verkaufen wollen würde."
Mein Herz pochte laut in meiner Brust.
Wenn Matthias von mir wusste und Pablo nicht wollte, dass meine Mutter allein verkauft wurde, warum hatte sie mich dann doch verlassen?
Ich bemerkte Noëlles besorgten und unsicheren Blick.
Was war mit ihr?
,,Matthias...Matthias hatte Elaine wohl gefragt, wie es mit dir aussah. Er fand auch, dass sie dich nicht allein lassen sollte, hätte aber noch Zeit gebraucht, um euch beide freizukaufen. Also..." sie brach ab und schwieg.
,,Also?" fragte ich sie.
Noëlle wirkte bedrückt.
,,Ich weiß nicht ob es stimmt, da Pablo nichts dazu gesagt hatte, aber eine der Omegas es so meinte. Sie hatte wohl gehört, wie Elaine meinte, dass das Kind ihr egal sei und sie nur Matthias und ihre Freiheit will." ergänzte sie unsicher.
Ich starrte sie schweigend an.
Das konnte unmöglich wahr sein.
Das durfte nicht wahr sein.
Meine Mutter hatte mich im Stich gelassen?
Sie hatte mich einfach verlassen?
Ohne irgendwelche Überlegungen und ohne Reue?
Ich schüttelte leicht den Kopf.
,,Das kann unmöglich wahr sein." meinte ich trotzig.
Warum sollte eine Mutter ihr eigenes Kind verlassen?
Nein, die Omega musste sich geirrt haben.
,,Matthias hat sie wohl, trotz Pablos Einwände, freigekauft und mit genommen. Ervermutet, dass sie in einem kleinen Dorf an der Küste wohnen, da Matthias dort wohl ein Haus besaß." ergänzte Noëlle noch.
Ich sah sie entschlossen an.
,,Dann gehen wir dorthin."
Lyans hübsche Rubinaugen wurden groß.
,,Was?" fragte er, leicht entsetzt.
Ich zuckte die Schultern.
Der Trotz in mir saß tief.
,,Wenn sie dort ist und diese Omega recht hat, wird sie nicht mit meinem Besuch rechnen. Aber, wenn die Omega sich geirrt hat, wird sie sicher wollen, dass wir uns wiedersehen." meinte ich und hatte dabei eine ungewöhnliche Sicherheit.
Noëlle schnaubte leicht.
,,Du hast noch Hausarrest wegen deinem kleinen Ausflug mitten in der Nacht, also vergiss es." murrte sie.
Ich ließ ein brummiges Knurren ertönen.
Sie war nicht meine Mutter, also konnte sie mir gar nichts befehlen!
Lyan mischte sich ein.
,,Es wäre sicher wichtig Elaines Version von dieser Situation zu hören. Aber denkst du, dass du die Wahrheit verkraften könntest?" fragte er mich und hatte dabei wieder seine besorgte Miene.
Ich seufzte leicht.
,,Ich weiß es nicht. Ich weiß ja nicht mal, was die Wahrheit ist." erwiderte ich.
Der hübsche Omega berührte meine Hand mit seiner.
,,Wenn das, was die Omega gesagt hat, stimmt, wird Elaine dich wahrscheinlich von Anfang an nicht gewollt haben, Dai." meinte er.
Ich schüttelte wieder den Kopf.
,,Wenn sie mich nicht gewollt hat, warum hat sie mich dann die Jahre über versorgt? Sie hätte mich auch einfach verhungern lassen können." entgegnete ich.
Dabei fuhr mir ein leichter Schauer über den Rücken.
Allein der Gedanke daran machte mir Angst, wahrscheinlich weil ich selbst ein ungewolltes Kind in mir trug.
Nein.
Es war gewollt.
Jetzt und hier, zusammen in dieser kleinen Familie mit Lyan, Pakka und Noëlle war es gewollt.
Lyan blickte mich mit seinen klaren Augen an.
,,Dai, du bist ein White-Rose-Omega und demnach eine gute Einnahmequelle für Geld. Ich kann mir vorstellen, dass Elaine vielleicht vor hatte, dich verhungern und sterben zu lassen, die Wächter es aber nicht zugelassen und sie dazu gezwungen haben, dich aufzuziehen." erklärte er sanft.
Ich schwieg wieder, als mir klar wurde, dass er recht haben konnte.
Aber, waren diese Liebe und diese warmen Erinnerungen an sie wirklich alle gespielt?
Hatte sie mich wirklich nie gewollt?
Ich blickte auf mein eigenes kleines Bäuchlein.
Wie hatte sich meine Mutter gefühlt, als sie mit mir schwanger war?
,,Ich muss sie sehen." murmelte ich leise.
Noëlle seufzte.
,,Du bist davon nicht abzubringen, was?" fragte sie mürrisch.
Ich sah zu ihr hoch.
,,Du würdest die Wahrheit doch auch wissen wollen, nicht wahr?" fragte
ich zurück und hatte sie damit an der Angel.
Lange schwieg sie und schien nachzudenken.
Schließlich schloss sie die Augen.
,,Das Dorf liegt an der Küste, einige Stunden von hier entfernt. Wenn wir die Kutsche nehmen, wird diese Sache nicht mal einen Tag dauern." gab sie sich geschlagen.
Ich lächelte etwas.
Wir würden also zu diesem kleinen Dorf fahren.
,,Am besten nehmen wir die Kutsche. Pakka hingegen sollten wir in die Obhut einer anderen Person geben. Ich möchte ihn ungern mitnehmen." meinte Lyan.
Ich nickte leicht.
,,Gut, wann soll es losgehen?" fragte ich meine Schwester.
Diese lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
,,Nicht heute, Kleines. Wir müssen erst einmal den Chef fragen, ob wir die Kutsche überhaupt haben dürfen und dann brauchen wir noch eine Person, die sich in dem Dorf und in der Umgebung etwas auskennt." erwiderte sie.
Damit hatte sie recht.
Noch konnten wir nicht aufbrechen.
Doch wir würden es tun.
Schon sehr bald.
Noëlle sah mich an und lächelte ein wenig.
,,Übrigens, dein Zuname ist of Whitefall. Elaine ist eine Gräfin." erzählte sie.
Whitefall?
Das klang schön.
Ich schmunzelte ein wenig.
Dai of Whitefall.
DU LIEST GERADE
𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega)
Fantasy[Abgeschlossen Februar 2023] ~~~ England 1814 Sklaverei herrscht im Land. Omegas werden wie Waren an Alphas verkauft und ohne Wert behandelt. Dai, ein Omega, sieht nach seiner Versteigerung die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Verzweiflung, A...