Chapter 80.

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Ich hob die Hand und klopfte gegen die Holztür zum Haus meiner Schwester.
Ich war fest entschlossen mit ihr zu reden und alle unsere Probleme aus der Welt zu schaffen.
Sie musste einen Grund haben, nichts mit dem Baby zu tun haben zu wollen.
Und das konnte unmöglich immer noch Kamil sein.
Er war tot und unter der Erde.
Er konnte uns nichts mehr anhaben, ebenso seine Frau und sein Sohn nicht.
Das Baby gehörte nun mir und Lyan.
Und ob sie wollte oder nicht, sie würde Tante werden.
Sie gehörte in diese Familie und würde sich nur schlecht aus ihr heraustrennen können.
Ich seufzte leise, als sich nichts rührte.
Zu schade, dass ich gesehen hatte, wie sie ins Haus gegangen war.
Sie wollte mich ignorieren.
,,Noëlle, ich weiß, dass du da bist. Mach bitte die Tür auf." sagte ich und klopfte wieder.
Endlich konnte ich Geräusche im Raum dahinter wahrnehmen.
Ein leichtes Rumpeln und Schritte.
Kurzerhand klackte das Schloss und die Tür wurde geöffnet.
,,Was willst du?"
Ein kurzer Schnitt fuhr in meine Brust bei dieser schroffen Frage.
Wusste sie nicht mehr, wer ich war?
Noëlle wirkte schlecht gelaunt, was man gut an ihrer angespannten Haltung und an dem Blitzen in ihren Augen erkennen konnte.
Ihre langen weißen Haare lagen lose über ihrer Schulter und ihr Ausdruck schien hart wie Stein.
Ihre sonst so warmen Pheromone wirkten kalt und unwohl.
War das wirklich meine Schwester.
,,Ich muss mit dir reden." meinte ich, schob sie leicht aus dem Weg und trat ins Haus.
Es wirkte so einsam und kalt.
Als würde es leerstehen.
Die Vorhänge waren zugezogen und eine leichte Staubschicht lag auf den Regalen und Tischen.
Wann wurde hier das letzte mal geputzt?
,,Worüber willst du reden?" fragte die weißhaarige Alpha, während sie die Tür schloss.
Ich lief zu den Vorhängen und zog sie zur Seite, um wenigstens etwas Licht in die Räume zu lassen.
Meine Schwester kniff kurz die Augen zusammen, als die hellen Lichtstrahlen in ihr Gesicht fielen.
,,Mensch, Noëlle, was bist du? Ein Vampir? Du kannst doch nicht den ganzen Tag im Dunkeln hocken." erwiderte ich.
Die Alpha schüttelte den Kopf.
,,Ist doch egal. Was willst du jetzt von mir?" fragte sie noch mal.
Ich drehte mich zu ihr und blickte sie an.
,,Du schottest dich ab. Von mir, Lyan und von Inola." erwähnte ich.
Meine Schwester zuckte die Schultern.
,,Ihr kommt alle gut ohne mich zurecht." meinte sie.
Ich schnaubte, wobei man deutlich sah, wie der Staub in der Luft herumgewirbelt wurde.
,,Du bist Familie, Noëlle. Also warum entfernst du dich von uns? Haben wir irgendetwas falsches getan oder dich irgendwie beleidigt?" fragte ich sie und sah, wie dieAlpha den Kopf senkte.
,,Nein, habt ihr nicht." erwiderte sie.
Ich kaufte ihr das nicht ab, das war klar.
Beziehungsweise musste es doch einen Grund geben, weshalb sie sich so verhielt.
Ihr Verhalten war einfach nicht fair.
,,Hat Inola irgendwas gemacht?"
,,Wieso Inola?"
Meine Schwester schien verwirrt, als ich den Namen der blonden Omega erwähnte.
Ich versuchte ihr in die Augen zu sehen, doch sie wich meinem Blick aus.
,,Inola macht sich genauso Sorgen um dich, wie Lyan und ich. Sie hat Angst, dass du nichts mehr mit ihr zu tun haben willst." erklärte ich kurz.
Noëlle schwieg und nur zu gern hätte ich gewusst, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging.
,,Sie hat nichts falsch gemacht." sagte sie schließlich.
Ich realisierte, dass ich hier nicht weiter kam, ohne ihr die Worte stückweise aus dem Mund zu nehmen.
Beinahe, wie ein kleines Kind.
,,Was ist es dann? Du musst doch einen Grund haben, dass du nichts mehr mit uns machst. Ist es wegen dem Baby?" fragte ich weiter.
Die weißhaarige Alpha schüttelte den Kopf.
Ich stöhnte genervt auf.
Das konnte doch nicht wahr sein.
,,Was ist dann dein Problem? Wir haben dir nichts getan und wenn es nicht das Baby ist, was ist es dann? Erzähle es mir!" knurrte ich angespannt vor Ungeduld.
Meine Schwester warf mir einen drohenden Blick zu, als ich die Stimme gegen sie erhob.
Doch sie würde mich nicht runter kriegen.
Sie konnte mir nichts befehlen.
Niemand konnte das.
,,Ich verstehe einfach nicht, warum du dich so verhältst. Es war alles gut, bis Lyan und ich vom Baby die ersten Bewegungen spüren konnten, vor einigen Wochen. Du warst dabei und bist dann plötzlich gegangen. Seitdem wechselst du kaum ein Wort mit uns und zu Inola sagst du auch kaum etwas. Was ist also dein Problem?!" fragte ich.
Mein Blut kochte beinahe vor Aufregung und Wut.
Ich konnte sie einfach nicht verstehen.
Die weißhaarige Alpha warf den Kopf zu mir.
Ihre Augen funkelten wütend und ihr Gesichtsausdruck wirkte bedrohlich.
,,Ich will mich einfach nicht mehr binden, Dai! Ich habe es schon so oft getan und immer ging irgend etwas schief! Ich kann nicht mehr so leben!"
Überraschung breitete sich auf meinem Gesicht aus und meine Wut legte sich.
Wie meinte sie das?
Sich binden und etwas dabei schief gehen.
Hatte sie mal einen Partner gehabt und ich wusste nichts davon?
Das war verwirrend und so gar nicht ihre Art.
,,Wie meinst du das?" fragte sich sie ruhig.
Die weißhaarige Alpha senkte den Kopf und blickte auf den dunklen Holzboden.
,,Ich schätze, ich muss dir nun etwas gestehen." hob sie an.
Auf das, was sie dann sagte, war ich nicht vorbereitet.
Es war zu 100 Prozent nicht das, was ich erwartet hatte.
Überhaupt nicht.
,,Ich hatte eine Zeit lang mal leichte Gefühle für Lyan. Das war natürlich bevor ich wusste, dass er Omegas liebt. Wir kamen uns so schnell so nahe. Und dann wurde er schwanger und ich wollte einfach alles für ihn tun. Ich wollte an seiner Seite sein und habe es kaum erwarten können, bis das Baby kam." begann sie.
Ich starrte sie mit großen Augen an.
Sie hatte mal Gefühle für Lyan gehabt?
Irgendwie konnte ich es schon verstehen.
Lyan war bildschön, liebevoll und hatte einen ausgezeichneten Humor.
Wer würde ihn nicht lieben?
Aber meine Schwester?
Das war...irgendwie schräg.
,,Und dann. Dann lief alles so unfassbar schief. Die zu frühe Geburt. Nicht nur für Lyan brach an jenem Tag die Welt zusammen, sondern auch für mich. Ich hatte davon geträumt mit ihm das Kind großzuziehen und dann war es plötzlich einfach weg." ergänzte sie.
Ich wurde immer sprachloser.
Sie hatte sich ein Leben mit Lyan erträumt.
Tat sie das immer noch?
Nein, sie mochte doch Inola.
Und selbst wenn, Lyan war nicht an Alphas interessiert.
Ich schüttelte leicht den Kopf, um meine Gedanken zu klären.
Das war so verrückt und unerwartet.
Doch meine Schwester war noch nicht fertig.
In ihren Augen glänzte Trauer.
,,Ich habe Angst, dass wenn ich mich an dich und dein Baby binde, dass dann auch alles schief läuft. Und Inola, Gott, Inola. Ich liebe sie so sehr und ich will unbedingt mit ihr zusammen sein und eine eigene Familie gründen. Aber was, wenn wir niemals Kinder haben werden?" fragte sie verzweifelt.
Nun wusste ich also, was Noëlle für ein Problem hatte.
Angst.
Sie hatte einfach Angst.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt