Verschlafen öffnete ich die Augen.
Gelbliches Licht, welches von einigen Öllampen ausging, stach in meine Augen und hüllten den Raum in einen warmen Schein.
Kurz glaubte ich in einem der Wächter-Häuser zu sein, doch dann fiel mir auf, dass ich diesen Raum noch nie in meinem gesamten Leben gesehen hatte.
Es war eine völlig neue Umgebung und wirkte so anders, als die Hütten der Wächter im Lager.
Wo war ich?
Und noch viel wichtiger:
Warum war ich hier?
Aus Reflex fasste ich an meinen Hals und befühlte die weiche Haut.
Kein Halsband aus altem Leder.
Nur meine Haut.
Völlig verblüfft sah ich auf meine Hände.
Keine schweren Eisenketten, nur noch deren Abdrücke, die etwas rot waren.
Ich war...frei?
Mit einem Schlag fiel es mir ein.
Ich wurde verkauft!
Für 30 Millionen!
Ein leicht zuckender Schmerz fuhr durch die Stelle, an der ich mich am Kopf gestoßen hatte.
Trockenes Blut klebte an den Haaren und der Haut.
Ich fasste mir kurz an die Stirn, dann sah ich mich um.
Ich befand mich in einem Zimmer, in einem Bett.
Bilder hingen an der grellen weißen Wand und schmückten diese mit ihren goldenen Rahmen.
Eines der Bilder zeigte einen Ritter auf einem braunem Pferd vor eine herrlichen Landschaft.
Die Sonne schien am Horizont und taucht das Bild in ein entspanntes Gold.
Wirklich einfach nur wunderschön.
Neben dem Bett, in dem ich nun saß, stand ein kleiner brauner Tisch.
Auf der dunkelbraunen Platte standen einige Fläschchen mit Flüssigkeiten darin und einige Tabletten, sowie eine Schere und seltsamer weißer Stoff, der auch um meine Füße gewickelt war.
Er war sehr weich und linderte den Schmerz in meinen Füßen.
Auch das Halsband aus Leder und die Ketten lagen auf dem Tisch.
Einen Augenblick sah ich auf die beiden Gegenstände.
Waren die 18 Jahre voller Qualen nun endlich vorbei?
Oder täuschte dies nur?
Ich zuckte leicht zusammen und horchte auf, als ein Klopfen an der dunklen Holztür ertönte, die goldene Klinke herunter gedrückt wurde und sie sich öffnete.
Eine kleine, etwas pummelige Frau betrat den Raum mit einem sehr starken Geruch nach Beta.
In ihrer Hand hielt sie ein silbernes Tablett mit einer Schüssel darauf.
Ein unwiderstehlicher Geruch traf auf meine Nase und sofort wusste ich, dass dies etwas zum Essen sein musste.
Die Frau drehte sich zu mir.
,,Hallo, Schätzchen. Wie ich sehe, bist du aufgewacht." sagte sie lächelnd.
Einen Moment betrachtete ich sie nachdenklich.
Die Frau hatte dunkle braune Haare, die sie zu einem Dutt hoch gesteckt hatte.
Ihr braunes Kleid wurde mit einer Schürze verziert.
Sie wirkte so einfach und untypisch für eine Hausherrin.
Wahrscheinlich war sie nur eine Bedienstete.
Plötzlich blickte die Frau überrascht drein und hielt sich eine Hand vor den Mund.
,,Oh mein, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Miss Lee und diene dem werten Herrn Caldwell und nun auch dir." stellte sie sich vor.
Ich nickte vorsichtig mit dem Kopf.
Konnte ich ihr wirklich trauen?
Und wer war der werte Herr Caldwell?
,,Und wie heißt du, Liebes?" fragte sie.
Ich senkte nervös de Kopf und spielte mit der Decke, die meine Beine bedeckte.
,,Dai..." hauchte ich leise.
Die Augen von Miss Lee fingen an zu strahlen.
,,Das ist ein wirklich schöner Name. Diese neue Umgebung und die Situation müssen dich wohl ziemlich mitnehmen." erkundigte sie sich.
Wieder nickte ich leicht.
Miss Lee stellte das Silbertablett auf den dunklen Holztisch.
,,Du wirst dich hier sicher wohl fühlen. Der Herr ist zwar nicht mehr der jüngste, aber ein trotzdem ein sehr freundlicher Mann. Du wirst hier ein wundervolles Leben leben, nach dieser schrecklichen Zeit auf dem Markt." erklärte sie.
Ich wusste nicht ganz, was ich dazu sagen sollte.
Ich würde ein wundervolles Leben leben?
Also würde ich frei sein und mehr von der Welt sehen, als Zäune und Schlamm?
,,Du hast sicher Hunger. Der Koch hat dir ein wunderbares Mahl gezaubert." ergänzte sie und reichte mir die Schüssel.
Ich fühlte mich ein wenig schlecht, als meine dreckigen Finger diese unbefleckte weiße Schale berührten.
Doch sobald ich hinein sah, stieg wieder der Hunger über meine Gedanken und ignorierten den Deck.
Es duftete herrlich.
Noch nie hatte ich so etwas gerochen.
Mein Magen grummelte leicht.
Miss Lee lächelte wieder und reichte mir einen hübschen silbernen Löffel.
,,Wenn du danach noch hungrig bist, musst du nur nach mir klingeln und ich bringe dir mehr. Einen guten Appetit, Miss Dai."
Mit großen Augen sah ich sie an.
Miss Dai?
Ich war eine Miss?
Vorsichtig nickte ich.
,,D-Danke." stammelte ich in meiner Verwirrung aus Hunger und Titel.
Langsam tauchte ich den Löffel in die seltsame Flüssigkeit aus orangenen und gelben Stücken, die mit ein paar Blättern durch gewirbelt wurden.
Dampf stieg auf und ich fühlte, wie warm die Schüssel war.
Was, wenn es vergiftet war?
Ich schob diesen Gedanken bei Seite.
Dafür roch es viel zu gut.
Ich hob den Löffel aus der Speise und probierte die warme Flüssigkeit.
Ein wohliges Gefühl stieg in mir auf, als die Flüssigkeit auf meine Geschmacksnerven traf und meinen Hunger ordentlich ankurbelte.
Es schmeckte unglaublich gut!
,,Schmeckt wirklich gut." sagte ich leise.
Miss Lee lächelte.
,,Das freut mich sehr. Ich gehe nun wieder zum Herren. Wenn du fertig bist, kannst du gerne zu uns stoßen. Der Herr wird sich sehr über deine Anwesenheit freuen." sagte sie.
Ich nickte leicht, schwieg jedoch.
Kurz sah Miss Lee noch zu mir, dann öffnete sie die Tür und verschwand aus dem Zimmer.
Jetzt war ich allein mit der köstlichen Flüssigkeit.
Nach und nach schien ich langsam zu realisieren, dass ich hier wohl für immer bleiben würde.
Hier bei Miss Lee und diesem Herren.
Es war schon ein seltsamer Gedanke, doch irgendwie füllte auch Wärme meine Brust bei dem Gedanken, dass ich hier vielleicht glücklich werden könnte.
Vielleicht hatte ich das große Glück, einer der Omega zu sein, auf denen ein besseres Leben wartete.
Geliebt und gewürdigt.
Oder vielleicht war es auch nur ein Wunschdenken von mir und auf mich wartete die Hölle.
Wer konnte dies schon wissen in jenem ruhigen und schweigsamen Moment?
DU LIEST GERADE
𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega)
Fantasy[Abgeschlossen Februar 2023] ~~~ England 1814 Sklaverei herrscht im Land. Omegas werden wie Waren an Alphas verkauft und ohne Wert behandelt. Dai, ein Omega, sieht nach seiner Versteigerung die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Verzweiflung, A...