Chapter 55.

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,,Ich habe heute so einen Heißhunger auf Erdbeeren. Erst Gurke, jetzt das." murrte ich zu meinem Partner, während ich mit einer Schale voller Erdbeeren durch die Wohnstube lief.
Nach letzter Nacht hatte mein Körper einen durchaus merkwürdigen Mix aus Heißhunger und Übelkeit entwickelt, den ich überhaupt nicht lustig fand.
Sobald ich mich irgendwie hinsetzte, wurde mir schlecht.
Und gleichzeitig verlange mein Körper nach frischen, leckeren Erdbeeren.
So musste ich also wohl oder übel stehen oder laufen, um etwas essen zu können.
Allein der Tag hatte schon mit Übelkeit direkt nach dem Aufstehen begonnen und es sah so aus, als würde sich diese bis in den Abend ziehen.
Lyan legte gerade ein Maßband zurück in eine Schublade.
Ali war vor kurzem hier gewesen und hatte einige Sachen überprüft.
Er hatte meinen Blutdruck gemessen, mich kurz gewogen und mit dem Maßband meinen Bauchumfang gemessen.
All diese Werte, sowie Symptome und Beschwerden die ich hatte, hatte er sich notiert und war dann gegangen.
Zuvor hatte er mir aber erklärt, dass er diese Beobachtungen bei jedem Schwangeren aufschrieb, um alle gut im Auge zu behalten.
Schließlich war ich nicht der einige schwangere Omega hier.
1,5 Zentimeter war mein Bauch schon gewachsen, was natürlich noch nicht so viel war aber es war ein Anfang.
,,Ich kann deine liebe Schwester fragen, ob sie Erdbeeren vom Markt mitbringt, wenn du möchtest." schlug Lyan vor.
Ich schüttelte den Kopf.
,,Nicht nötig, ich habe sie schon gefragt." erwiderte ich und wollte gerade auf die Couch zusteuern, als ich plötzlich ein Ziehen an meinem Kleid spürte.
Verwirrt drehte ich den Kopf und blickte dem kleinen Omega Pakka in die brauen Augen.
Er saß auf dem hübschen Teppich und hatte eigentlich mit seinen Holzfiguren gespielt.
Doch nun hielt er mein Kleid unten am Saum fest und sah mich unschuldigan.
,,Mammie." brachte er mit glitzernden Augen hervor.
Überrascht sah ich ihn an.
Ich verstand seine Muttersprache nicht, doch es hatte sich beinahe wie Mami angehört.
,,Pakka, hy is nie jou ma nie.*" sprach Lyan zu seinem kleinen Bruder und schüttelte den Kopf.
,,Tut mir leid, er hat dich gerade Mama genannt." meinte er an mich gerichtet.
Ich musste etwas schmunzeln.
Er hatte mich wirklich Mama genannt?
Dabei sah ich sicher gar nicht aus, wie seine Mama.
Aber vielleicht roch ich wie seine Mama?
Ich hockte mich runter zu dem kleinen Omega, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
,,Magst du eine Erdbeere?" fragte ich ihn und hielt ihm die Schale hin, in dem Wissen, dass er mich eigentlich nicht verstand.
Kurz sah Pakka auf die Schale, dann wieder zu mir und schien dabei ziemlich verwirrt.
Ich nahm eine der roten Beeren aus der Schale.
,,Erdbeere, lecker." meinte ich und lächelte.
,,Ebe." erwiderte er und sah auf die Frucht.
Ich sah ihn überrascht an.
Versuchte er Erdbeere zu sagen?
,,Erdbeere." wiederholte ich noch einmal.
Die braunen Augen des Omegas leuchteten und er nahm die Erdbeere.
,,Ebebe!" rief er und biss in die Erdbeere.
Er war so niedlich!
Lyan hatte uns währenddessen schmunzelnd beobachtet.
,,Süß, wie ihr zwei miteinander umgeht." meinte er.
Ich lächelte und strich Pakka über die schwarzen Locken.
,,Er ist ein kleiner Schatz." erwiderte ich.
Mein Partner kam zu uns und setzte sich ebenfalls auf den Teppich.
Mein Herz fing an zu glühen.
Wir wirkten beinahe, wie eine kleine Familie.
Ich mochte dieses warme Gefühl sehr.
,,Mammie, daar." sagte Pakka und deutete mit dem Finger auf einige Steine, die auf dem kleinen Regal neben der Couch lagen.
Daar schien wohl da zu bedeuten.
Kinder waren wirklich süß.
Vor allem er, mit seinen neugierigen Augen.
,,Wie denkst du, wird Noëlle den kleinen finden?" fragte ich Lyan.
Dieser zuckte mit den Schultern.
,,Ich weiß nicht. Sie ist etwas schwierig, was Kinder betrifft. Mal mag sie sie und mal nicht." meinte er.
Ich nicke leicht.
Noëlle war wirklich ein Mysterium, was ihre Meinung zu Kindern betraf.
Als wir herausfanden, dass ich schwanger war, hatte sie den Gedanken gehasst, dass ich ein Kind bekommen würde.
Jetzt würde sie ihr Leben geben, um das Kleine und mich zu schützen.
,,Ich frage mich, was meine Mutter sagen würde, könnte sie mich jetzt sehen. Ich habe durch Noëlle und dich ein glückliches Leben bekommen. Ich frage mich, meine Mutter stolz auf mich ist." brachte ich spontan hervor.
Ich wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, doch er war da.
Was würde meine Mutter von all dem hier halten?
,,Ich bin mir sicher, dass sie sehr stolz auf dich ist und froh ist, dass du in Sicherheit bist." erwiderte Lyan und lächelte.
Ich nickte leicht.
Kurz erinnerte ich mich wieder an diesen einen schrecklichen Moment, in dem sich alles geändert hatte.
Es war an einem kalten Wintertag vor 10 Jahren.
Ein Tag, an dem der Schnee besonders hoch im Sklavenlager lag.
Ich hatte eine ziemlich heftige Erkältung an jedem Tag gehabt, die mir das Sehen und Riechen etwas zu schaffen machte.
Und trotzdem bekam ich ganz genau mit, wie meine Mutter sich vor mich stellte, als ein anderer Omega mich während des Essens angreifen wollte.
Tiefe Wunden, Blut und schließlich die lauten Schüsse, die fielen, als die Wächter auf den anderen Omega und meine Mutter einschossen.
Das dumpfe Geräusch, als beide Körper in den Schnee fielen und sich nicht mehr rührten.
Der leichte Geruch nach Blut und die waldgrünen Augen, die mich ansahen, ehe sie nur noch blicklos in den Himmel sahen.
Waldgrünen Augen?
Ein eiskalter Schauer lief über meinen Rücken.
Diese waldgrünen Augen brannten in meinem Gedächtnis und ließen einen Ausdruck des Entsetzens auf meinem Gesicht erscheinen.
Meine Mutter hatte eisblaue Augen.
,,Alles okay, Dai? Du schaust so erschrocken." fragte mich mein Partner.
Ich konnte ihm nicht antworten, nur auf den Holzboden starren.
An jedem Tag, vor 10 Jahren, war nicht meine Mutter erschossen worden.
Das war nicht meine Mutter gewesen!
Es war eine fremde Omega, die mich beschützt hatte.
Eine fremde Omega, die vor mir zu Boden fiel und mir in die Augen sah, kurz bevor sie starb.
Sie und nicht meine Mutter.
Aber wo war meine Mutter zu diesem Zeitpunkt gewesen?
Warum war sie danach nicht an meiner Seite gewesen?
Warum hatte ich sie danach nie wieder gerochen oder gespürt?
,,I-Ich...Ich." stammelte ich mit großen Augen.
Wenn meine Mutter nach diesem Ereignis nicht mehr da gewesen war, lebte sie dann noch?
Ich sah zu meinem Partner, der mich verwirrt ansah.
,,Ich glaube meine Mutter ist nicht tot." hauchte ich und ich spürte, wie meine Hände zitterten.
Lyan sah aus, als würde er kein Wort verstehen.
Ich schluckte kurz.
,,Damals, vor 10 Jahren, dachte ich, dass meine Mutter von einem der Wächter erschossen wurde, weil sie mich vor einem anderen Omega verteidigt hat. Jetzt fällt mir aber auf, dass das damals gar nicht meine Mutter war, sondern eine andere Omega, die auch weiße Haare aber grüne Augen hatte." erklärte ich mit bebender Stimme.
Lyans Blick war ernst.
,,Aber wenn sie damals nicht gestorben ist, wo war sie dann die letzten Jahre über? Sie müsste ja dann im Lager und bei dir gewesen sein, oder?" fragte er.
Ich atmete kurz durch.
Das war verrückt.
Warum war mir nie aufgefallen, dass sie damals nicht gestorben ist?
Wahrscheinlich, weil sie ab diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr da war.
,,S-Sie könnte an jedem Tag versteigert und verkauft worden sein." erwiderte ich meine Vermutung.
Lyan nickte leicht.
,,Das könnte sein. Oder aber-" hob er an und machte eine kurze Pause.
Ich sah ihn mit großen Augen an.
,,Oder sie konnte irgendwie vom Sklavenmarkt flüchten. Vielleicht durch eine Assassine. Oder sie hat ein Schlupfloch gefunden, durch welches sie fliehen konnte." vermutete er anschließend.
Ich nickte.
,,Glaubst du, sie könnte noch am Leben sein?" fragte ich ihn.
Lyan wog de Kopf hin und her.
Seine rubinroten Augen leuchteten.
,,Ich glaube, das weiß nur eine Person." meinte er.
Ich sah ihn fragend an.
,,Wer?" fragte ich.
Der hübsche Omega schwieg kurz, dann sah er mir direkt in die Augen.
,,Der Leiter von Beta 27."
Bei diesem Satz stellten sich alle meine Haare auf.
Der Leiter von Beta 27.
Ein widerlicher, Zigaretten rauchender Kerl, der sich gerne mal an Omegas vergriff, wenn er die Lust und Laune dazu hatte.
Auch mich hatte dieser Typ schon belästigt.
Aber Lyan hatte recht.
Nur er wusste, welche Omegas verkauft oder getötet wurden.
Schließlich führte er die Akten mit allen möglichen Informationen über die Omegas auf seinem Markt.
So auch über meine Mutter.
Ich senkte meinen Blick auf meine Knie.
Sollten wir diesen Kerl aufsuchen und mit ihm über meine Mutter reden?
Er wusste zu 100% etwas über sie und ihr verschwinden.
,,Also sollen wir zu Beta 27 gehen und ihn fragen?" fragte ich Lyan.
Dieser schüttelte sofort den Kopf.
,,Auf gar keinen Fall, Dai. Nicht allein. Wenn diese Leute uns beide sehen, legen sie uns direkt in Ketten, ohne uns überhaupt anzuhören. Gerade du bist für solche Leute ein hübscher Fang, den man für sehr sehr viel Geld verkaufen kann." entgegnete er direkt mit ernster Stimme.
Ich nickte leicht.
Sie würden uns wirklich direkt ins Lager sperren.
Also brauchten wir irgendwie Hilfe.
,,Dann müssen wir Noëlle fragen oder noch besser den Chef der Assassinen. Wenn wir mehrere Alphas mitnehmen, werden sie uns sicher nichts antun können." meinte ich.
Lyan sah mich zweifelnd an.
,,Den Chef wirst du dazu nicht überreden können und du weißt, wie deine Schwester ist. Sobald du Beta 27 erwähnst, hat sich die Sache direkt gegessen." erklärte er.
Ich seufzte.
Auch hier musste ich ihm wohl oder übel zustimmen.
,,Ich...Ich muss es unbedingt wissen, Lyan. Was ist, wenn sie noch lebt? Was ist, wenn sie in einem Haushalt lebt, aus dem wir sie befreien müssen?"
Mein Omega nickte.
,,Ich verstehe dich. Ich wurde es sicher auch wissen wollen, wäre ich in dieser Situation. Aber du darfst jetzt nicht voreilig handeln, okay?" meinte er.
Ich nickte leicht.
Jedoch ließ mir das mit meiner Mutter keine Ruhe.
Pakka sah mich mit seinen schönen braunen Augen an, kam auf mich zugekrochen und krabbelte auf meinen Schoß.
Etwas überrascht von der Situation ließ ich zu, wie sich der kleine Omega an mich kuschelte.
,,Mammie." murmelte er leise und steckte sich seinen Schnuller in den Mund.
Vorsichtig hob ich eine Hand und strich ihm sanft durch die weichen Locken.
Es war beinahe, als hätte er meine Gefühle gespürt.
,,Er mag dich." stellte Lyan fest und lächelte etwas.
Ich musste ein wenig schmunzeln.
,,Er ist so süß und beruhigt mich gerade irgendwie." erwiderte ich.
Pakka ob den Kopf und sah zu mir.
Mit seiner kleinen Hand berührte er leicht meine weichen Haare.
,,Mooi." murmelte er.
Ich sah ihn fragend an, bekam von Lyan aber direkt die Übersetzung.
,,Mooi bedeutet hübsch. Wahrscheinlich meint er damit deine weißen Haare." erklärte er.
Meine Wangen wurden etwas warm.
Er fand meine Haare schön?
Das war so süß.
Lyan lächelte und berührte meine Hand mit seiner.
,,Ich schlage vor, wir reden mal mit Noëlle über deine Mutter und dieser Erkenntnis. Ohne sie wird hier auf jeden Fall nichts laufen." erklärte er.
Ich nickte zustimmend.
,,In Ordnung." erwiderte ich leise.
Jedoch wusste ich innerlich, dass Noëlle mich nicht zur Beta 27 lassen würde.
Ganz egal, was ich sagen würde.

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*,,Pakka, das ist nicht deine Mama."

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt