Chapter 3.

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Ich stellte die leere Schüssel zurück auf das hübsche Silbertablett.
Ich fühlte mich nach dieser köstlichen Mahlzeit so satt und zufrieden, sodass ich direkt hätte einschlafen können.
Doch meine Neugierde hielt mich ordentlich auf Trab.
Die ganze Zeit beim Essen hatte ich mir meine neue, vielleicht glorreiche Zukunft, vorgestellt.
Wie würde es sein?
Würde ich hier wie ein Familienmitglied leben, auf Bälle gehen und eine strahlende Zukunft haben?
Oder würde ich in ein schmutziges Gewand gesteckt werden, Böden schrubben und Kinder gebären müssen?
Das wäre natürlich nicht so optimal.
Doch Miss Lee und der Herr schienen wohl ganz freundlich zu sein.
Doch vielleicht war das auch nur Schein?
Vielleicht waren sie in Wirklichkeit Barbaren, die mich versuchten zu täuschen, um mir dann etwas anzutun?
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Selbst wenn, ich sollte froh sein, noch am Leben zu sein.
I

ch sah hinaus aus dem Fenster.
Das flache Brett draußen unter dem Fenster war bedeckt mit weißem Schnee.
Durch das Fenster konnte ich einen leichten Blick auf das Haus werfen, indem ich mich befand.
Es war sehr groß und weiß gestrichen.
Ein rotes Dach verhinderte, dass der Schnee in die Zimmer fiel.
Vor dem Fenster stand ein Baum, dessen kahle Äste mehr wie nackte Knochen wirkten.
Es war tatsächlich Winter.
Einen Moment verweilte ich noch mit dem Blick nach draußen, bis mir in den Sinn kam, mir das Haus anzusehen.
Ich wollte wissen, wer hier alles lebte, wer der Herr war, der mich gerettet hatte und wie es hier aussah.
Schließlich wurden meine Fesseln gelöst, also bedeutete das doch, dass ich frei war, oder?
Warum sollte man meine Fesseln sonst lösen, wenn ich nicht frei herumlaufen sollte?
Genau deswegen hatte man sie mir doch abgenommen, oder?
Es würde keinen Sinn ergeben, wenn ich mich nun nicht frei bewegen dürfte.
Ich fasste mir ein Herz und schob die weiche Decke von meinem Körper.
Ich trug immer noch den alten Fetzen meines Sklavengewandes.
Es war schon ziemlich dreckig und hatte viele Besitzer vor mir gehabt.
Kein sehr schöner Anblick.
Genauso wenig, wie die Schnitte und Kratzer an meinen Füßen, die immer mal wieder schmerzten, wenn ich auftrat oder mich bewegte.
Sie waren tief, rötlich verfärbt und mit Sand beschmutzt.
Nur die wenigsten Sklaven hatten den Luxus Schuhe zu besitzen, die ihre Füße vor dem kalten gefroren Boden im Winter und den heißen trockenen Boden im Sommer schützten, sowie vor dem Schlamm, der sich nach dem Regen bildete.
Ich hatte keine Schuhe.
Dementsprechend sahen auch meine Füße aus.
Verdeckt, vernarbt und entzündet.
Doch das hielt mich nicht davon ab aufzustehen und langsam einige Schritte von dem Bett wegzugehen.
Ein wenig schwankte ich noch, durch den ungewohnten Boden und auch wegen meiner Verletzung am Kopf, die für ein leichtes Schwindelgefühl sorgte.
Kurz verharrte ich still in einer Position, bis das Schwindelgefühl verklang und ich einige Schritte weitergehen konnte.
Es war so ungewohnt das Gewicht der Ketten und das enge Lederhalsband an meinem Hals nicht mehr zu spüren.
Es fühlte sich wirklich nach Freiheit an.
Etwas zögerlich griff ich nach der Türklinke, als ich vor der dunklen Tür stand.
Sollte ich wirklich gehen?
Mir viel die Entscheidung ungewöhnlich schwer.
Jeder in meiner Situation hätte das Zimmer sofort verlassen und sich alles angesehen, doch ich hatte ein seltsames Gefühl in mir, welches mich nicht los ließ.
Was, wenn der Herr gar nicht wollte, dass ich dieses Zimmer verließ?
Dadurch, dass ich verkauft wurde, war es nun meine Pflicht meinem neuen Herren zu gehorchen, egal was er von mir verlangte.
Genau das würde mir in den 18 Jahren meines gesamten Lebens beigebracht.
Gehorchte deinem Herren oder du wirst bittere Folgen spüren.
Doch ich kannte meinen Herren nicht und wusste nicht, wie er war und was er dachte.
Ich wusste nicht, ob er wollte, dass ich dieses Zimmer verließ, um ihn kennenzulernen.
Ich wusste nicht, was er mit mir vor hatte, sobald ich aus dieser Tür trat, um ihn zu sehen.
Und dennoch wollte ich es erfahren.
Also drückte ich die goldene Klinke herunter und öffnete die Tür einen Spalt.
Vorsichtig lugte ich in den Gang, der sich hinter der Tür erstreckte.
Es war ein Flur, welcher mit rotem Teppich auf dem Boden ausgekleidet war und vergoldete Bilderrahmen die Wand schmückten.
Allein nach Links oder Rechts, sowie in einige andere Räume führte der Flur.
Wo sollte ich nur lang gehen?
Jede Richtung bat wahrscheinlich ihre Überraschungen.
Einen kurzen Augenblick dachte ich nach, bis ich schließlich leise Stimmen wahrnehmen konnte.
Sie kamen aus der rechten Richtung des Flure, aus dem auch leichte Wärme und Pheromone kamen.
Die Pheromone rochen leicht nach Wald, wurden aber mit einem starken Duft nach Lilien überdeckt.
Parfüm?
Auch den Geruch nach Feuer und brennendem Holz traf aus meine Nase.
Wahrscheinlich ein Kamin.
Ich trat nun ganz aus dem Raum heraus.
Sollte ich wirklich gehen?
Noch einmal nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und setzte mich vorsichtig in Bewegung.
Ich lief den weichen, samtigen Boden entlang, in die Richtung, aus der die Stimmen kamen.
Langsam wurden die Stimmen ein wenig lauter, genauso wie die Wärme und die Pheromone.
Ich stellte fest, dass diese Pheromone zu einem Alpha gehören mussten, der wohl versuchte den Geruch mit Lilien zu überdecken.
Vorsichtig tastete ich mich die Wand entlang, bis ich neben dem Raum stand, aus dem die Stimmen kamen.
,,Wie war seine Reaktion, als er Sie gesehen hat?" hörte ich eine Männerstimme fragen.
Miss Lees Geruch wehte mir entgegen.
,,Er war erstaunlich ruhig. Ich hätte damit gerechnet, dass er völlig die Fassung verlieren würde, doch er war so ruhig, wie kein anderer Omega."
Redeten Miss Lee und der Herr über mich?
Ich spähte leicht in den Raum, mein Herz pochte laut gegen meine Rippen.
Vor mir erstreckte sich ein großer Raum in einem gemütlichen Licht.
Im Kamin brannte ein warmes Feuer, welches den Raum erleuchtete.
In dem Raum stand ein großes Sofa mit roten Polster, sowie einige Sessel und ein dunkler Tisch aus Holz, auf dem eine dampfende Kanne und einige Tassen standen.
Auf dem roten Polster des Sofas saß eine Person, die sich von Miss Lee eine Tasse Tee eingießen ließ.
Die Person war ein Mann, etwas älter und recht groß.
Ein Alpha.
Er hatte ehemals dunkle braune Haare, die bereits von grauen Verfärbungen abgelöst wurden.
Ein stoppeliger Bart zierte sein Gesicht und verdeckte einige Falten.
Er schien schon ein wenig alt zu sein.
Wahrscheinlich schon über 50 bis 60 Jahre.
Allerdings leuchteten seine dunklen braunen Augen warm und vertraut, was mich etwas entspannte.
,,Der Kleine hat auch schon etwas gegessen. Er schien wirklich hungrig gewesen zu sein, was nicht ungewöhnlich ist." berichtete Miss Lee.
Der ältere Alpha nickte.
,,Das kann ich mir gut vorstellen. Sein Leben war sicher nicht einfach und-"
Plötzlich stoppte er mitten im Satz und schien die Luft einzuatmen.
Oh nein!
Könnte er mich etwa riechen?!
Der Alpha blickte in meine Richtung und es war klar, dass er sofort meine weißen Haare sah.
Schnell zog ich vor Angst den Kopf wieder hinter die Wand und versteckte mich mit klopfenden Herzen.
Was würde jetzt geschehen?
Würde er mich umbringen oder mir etwas antun?
Würde er mich wieder zurück zum Sklavenmarkt bringen?
Mein Herz raste vor Panik.
Ich wollte nicht sterben.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt