Chapter 70.

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Deprimiert ließ ich mich auf das bequeme Bett sinken, welches in dem Zimmer stand, in dem Lyan und ich schliefen.
Nie hätte ich gedacht, dass ich mich mal so mit meiner Schwester streiten würde.
Und nie hätte ich gedacht, dass sie es tolerieren würde, Kinder zu Mördern auszubilden und diese dann los in den Tod zu schicken.
Hinzu kam die Art, wie sie mit mir geredet hatte.
Als wäre ich wieder dieser wertlose, kleine Omega, ohne Rechte und ohne Meinung.
Es war herzzerreißend und frustrierend.
Ich berührte mit den Händen meinen Bauch, den man gut unter dem Stoff meines Kleides spüren konnte.
Dieses kleine Wesen war so klein und schutzlos.
Wie konnte Noëlle nur glauben, dass es richtig wäre, es auszubilden und dann loszuschicken, damit es verletzt und vielleicht sogar getötet wurde.
Dieses Wesen war mein Kind.
Ich war eine Mutter.
Und als Mutter war es meine Aufgabe mein Kind zu beschützen.
Vor allem.
So auch vor meiner Schwester.
,,Keine Sorge, ich beschütze dich vor jedem, der dir wehtun will." flüsterte ich leise.
Ali meinte zu mir, das Baby würde meine Stimme bereits wahrnehmen können.
Es hörte also, was ich sprach.
So hatte es sicher auch den Streit gehört und meine Wut gespürt.
Ich seufzte leise und strich weiter über meinen Bauch.
Ich fühlte mich schlapp und ermüdet.
Am liebsten würde ich einfach die Augen schließen und in eine tiefe Traumwelt fallen.
Doch Gelüste stiegen in mir auf und ließen mich hellwach wirken.
Lyan hatte vor einigen Stunden einen köstlichen Saft aus Kirschen und Banane gemacht.
Genau diesen Saft, wollte ich nun trinken.
Also erhob ich mich schwerfällig aus dem Bett und trottete wieder aus dem Zimmer.
,,Du machst es mir wirklich nicht leicht." murmelte ich müde zu meinem Bauch.
Einen Moment sah ich zu ihm hinunter.
Diese niedliche Wölbung.
In mir befand sich wirklich ein kleines Lebewesen, wuchs und wuchs.
Es war einfach unglaublich.
Wir Omegas waren wirklich wunderbar.
Ich strich mit der Hand sanft über die Fläche.
Von einen Moment auf den anderen, hatte ich plötzlich ein seltsames Gefühl.
Als würde sich etwas in meinem Herzen öffnen und wohlige Wärme durch meinen gesamten Körper leiten.
Liebe.
Tiefe und innige Liebe für dieses kleine Lebewesen.
Diesen Schub, den Lyan auch gefühlt hatte, als er mit Winifred schwanger war.
Es war Liebe.
Ich lächelte ein wenig und musste gestehen, dass ich mich in diesem Moment so wunderbar, wie noch nie fühlte.
Endlich konnte ich mich mit diesem Gedanken dieses Kind zu bekommen anfreunden.
Endlich konnte ich mich darauf freuen.
Und endlich konnte ich es lieben.
Vor mich hin lächelnd betrat ich die Küche und goss mir etwas von dem Saft in einen kleinen Becher.
Zum ersten Mal war ich glücklich diese Gelüste zu empfinden.
Alles freute mich in diesem Moment.
Glücklich nahm ich einen Schluck von diesem leckeren Saft, den Lyan gemischt hatte.
Er war süß und fruchtig und hob meine Laune ein wenig an.
Ich beschloss, das mit Noëlle vorerst zu vergessen.
Dafür war der Moment zu schön.
,,Ich frage mich, ob dir das genauso schmeckt wie mir." meinte ich und strich wieder über meinen Bauch.
Ich stellte mir in diesem Moment so viele Fragen.
Schmeckte es dem Baby?
Bewegte es sich viel?
Wie groß war es jetzt?
Wie sah es aus?
Welches Geschlecht hatte es?
Ich setzte mich auf einen der glatten Stühle.
Lyan wusste wirklich, wie man gute Speisen und Getränke herstellte.
Einfach perfekt.
Während ich den Saft genoss, spürte ich etwas seltsames in meinem Körper.
Ein leichtes kitzeln.
Es war wie, als hätte ich einen Schmetterling im Bauch.
Verwirrt stellte ich den Becher auf den Tisch und berührte mit beiden Händen meinen Bauch.
Das Flattern ließ nicht nach, wurde an manchen Stellen mehr und an anderen wiederum weniger.
Was war das?
Überrascht hielt ich inne und konzentrierte mich auf das Flattern.
Dann verschwand es mit einem Schlag.
Etwas enttäuscht strich ich weiter über meinen Bauch, in der Hoffnung es noch einmal zu fühlen.
Doch nichts geschah.
Alles blieb still.
Ich seufzte kurz, erhob mich jedoch, als sich die Haustür öffnete.
Lyan betrat mit einem Korb in der Hand und Pakka auf dem Arm das Haus.
In seinen schönen Augen leuchtete leichter Kummer.
,,Noëlle hat sich nach eurem Streit in ihr Haus verzogen. Inola und ich haben dann noch die Reste aufgeteilt, das Feuer gelöscht und sind ebenfalls gegangen." erklärte er, während er Pakka auf den Boden setzte, der sofort zu mir gekrabbelt kam.
Ich nickte leicht.
,,Also hat sie nichts weiter gesagt?" fragte ich etwas nervös.
Lyan schüttelte den Kopf.
,,Sie hat kurz geflucht aber nichts weiter gesagt. Wie geht es dir?" fragte er besorgt.
Ich zuckte leicht mit den Schultern.
,,Ich weiß nicht genau. Ich habe mich bisher noch nie mit meiner Schwester gestritten. Ich kenne sie ja auch noch nicht so lange." meinte ich leise.
Vielleicht zeigte meine Schwester jetzt nach der langen Zeit ihre wahre Seite.
Lyan stellte den Korb mit den Resten auf den Tisch und nahm mich sanft in seine Arme.
Seine wohlriechenden Pheromone erfüllten die Luft und spendeten Trost, Wärme und Sicherheit.
Ich legte meine Arme um seine schlanke Taille und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter.
Er war so schön warm.
Mit einer Hand strich mein Partner durch meine Haare, die andere Hand berührte meinen Rücken.
,,War es falsch von mir, gegen meine Schwester zu stimmen?" fragte ich mit geschlossenen Augen.
Lyan schüttelte seinen hübschen Kopf.
,,Noëlle hat kein Recht, zu bestimmen, wie das Leben deines Kindes wird. Das kannst nur du entscheiden. Sie ist zwar die Tante des Babys, doch du bist die Mutter und wirst demnach alle Entscheidungen für das Kind treffen, bis es dies alleine kann. Bei mir und Pakka ist das anders. Ich bin sein Erziehungsberechtigter, da unsere Eltern irgendwo in Afrika stecken." erklärte er.
Ich nickte leicht.
Genau das wollte ich hören.
Eine Zustimmung.
Meine Schwester hatte kein Mitbestimmungsrecht, was das Kind betraf, auch wenn sie eine Alpha war.
Ich war die Mutter.
,,Ich will es nicht ausbilden und in Kämpfe schicken lassen." flüsterte ich.
Lyan drückte mich etwas enger an sich, bis mein kleiner Bauch seinen berührte und mein Herz anfing zu glühen.
,,Das musst du auch nicht. Es wird ein friedliches Leben bei uns führen, ohne jemals mit einer Waffe in Berührung zu kommen." versprach er und ich lächelte ein wenig.
Das klang wunderbar.
Ich öffnete meine Augen wieder.
,,Ich hatte diesen Schub, von dem du mir erzählt hast." erwähnte ich.
Der hübsche Omega lächelte.
,,Du fängst also an, das Baby zu lieben?" fragte er.
Ich nickte.
,,Ich muss einfach. Dieses Wesen braucht meine Liebe, Fürsorge und meinen Schutz. Außerdem ist der Gedanke, dass da ein kleines Lebewesen in mir wächst, irgendwie schön. Mein Körper hat dieses Leben geschaffen." erwiderte ich und bemerkte, wie wunderbar das eigentlich war.
Lyan lächelte.
,,Wir Omegas sind wirklich unglaublich, nicht wahr?"
Ich schmunzelte und nickte wieder.
Es war einfach ein unglaubliches Geschehen.
In mir wuchs Leben.
Ich strich meinem Partner über die warme, weiche Wangen.
,,Wir müssen noch entscheiden, wie das Baby dich nennen wird." meinte ich.
Lyan blickte mich überrascht an.
,,Ach ja?" fragte er.
Wahrscheinlich dachte er, dass das Baby ihn einfach Lyan nennen würde.
Doch ich hatte da etwas anderes im Sinne.
,,Also ich wäre ja für Mama." erwiderte ich und könnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als Lyans Augen anfingen zu leuchten.
,,Wirklich?" fragte er freudig.
Ich schmunzelte ihn an.
,,Pakka nennt mich immer Mammie. Es wäre für mich viel zu verwirrend, wenn er mich so und das Baby mich dann Mama rufen würde." erklärte ich ihm und spielte mit einer seiner schönen schwarzen Locken.
Lyans rubinrote Augen glitzerten gerührt.
,,Ich darf also eine Elternrolle übernehmen?" fragte er weiter, als würde er das gar nicht glauben können.
Es war so unglaublich süß, wie er sich freute.
,,Natürlich. Du bist mein Partner, mit dem ich mein gesamtes Leben verbringen will und Kamil ist weg." erwiderte ich.
Der hübsche Omega lächelte und lehnte seine Stirn gegen meine.
,,Danke, Dai." hauchte er.
Erst jetzt wurde mir bewusst, was für eine Ehre das für Lyan sein musste.
Eigentlich hätte Winifred ihn Mama genannt und mein Kind war biologisch nicht mit ihm verwandt.
Meine Erlaubnis, dass es ihn Mama nennen durfte, war wie ein Geschenk für ihn, auch, wenn es für mich eigentlich schon immer offensichtlich gewesen war.
Mein Herz klopfte etwas schneller in meiner Brust.
Wie sich Lyan wohl sonst noch in dieser Situation fühlte?
Wie fühlte man sich, wenn der Partner ein Baby bekam und man selbst aber irgendwie auch Mama wurde?
Ich verscheuchte meine Gedanken einen Augenblick.
Eines war auf jeden Fall klar.
Lyan würde Mama und ich Mami sein.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt