𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega)

Chapter 19.

Ein letztes Mal stand ich vor dem großen Spiegel in meinem Ankleidezimmer.
Draußen zogen dunkle Wolken auf, die die Nacht ankündigten.
Mich graulte es schon, dass meine Schwester und ich in wenigen Minuten hinaus in die Kälte mussten, um zum Lager der Aries zu gelangen.
Ich wollte nicht gehen, doch ich musste.
Das sagte mir mein Bauchgefühl.
Ein einzelner Omega passte einfach nicht in eine reine Alpha-Familie.
,,Du wirst bei uns in Sicherheit sein." meinte Noëlle.
Ich nickte leicht.
,,Daran zweifle ich nicht. Es ist nur, ich dachte, dass ich hier mein Zuhause gefunden hätte, doch so ist es nicht. Ich frage mich, ob sie mich überhaupt vermissen werden." erwiderte ich etwas geknickt.
Die weißhaarige Alpha strich sanft über meine Schulter.
,,Das kann ich dir leider nicht sagen."
Ich nickte wieder.
Es würde schwer werden von hier zu gehen, doch es war das richtige.
Noëlle reichte mir einen dunkelblauen Mantel mit weißen Fellbesatz.
,,Es ist sehr kalt draußen. Ziehe dich schön warm an." befahl sie.
Ich nahm den Mantel.
War es nicht Diebstahl, wenn ich einfach so Sachen von hier mitnahm?
Als hätte sie meine Gedanken gelesen antwortete Noëlle.
,,Wenn diese Familie dich schon vergrault, kannst du ruhig auch Sachen mitgehen lassen."
Ich murrte leise.
Es fühlte sich trotzdem falsch an.
Noëlle sah auf die Uhr, die auf einer kleinen Kommode stand.
,,Wir kommen unterwegs an einem Wirtshaus vorbei, wo wir übernachten werden. Ansonsten wird es nicht lange dauern, bis wir beim Lager sind." erklärte sie.
Ich senkte etwas den Kopf.
Wie würde es beim Lager sein?
Würden die Leute mich dort wirklich aufnehmen?
Wie waren Assassinen?
Waren sie so, wie Noëlle?
,,Es wird echt toll sein, wieder im Lager sein zu können. Du wirst dich mit Sicherheit dort wohlfühlen. Außerdem, wirst du ihn hier kennen lernen." ergänzte die weißhaarige Alpha und tippte auf das kirschrote Band an ihrem Arm, welches ich so mochte.
Ich sah sie mit großen Augen an und spürte, wie meine Wangen etwas warm wurden.
Ich würde die Person mit dem guten Duft kennenlernen?
,,Wirklich?" fragte ich.
Noëlle nickte.
,,Klar, er ist mein bester Freund und natürlich soll er dich kennen lernen." erwiderte sie.
Irgendwie hatte ich das komische Gefühl, dass dieses Kennenlernen noch einen leisen Hintergedanken hatte.
Vielleicht kam es mir auch nur so vor.
Jedenfalls war ich unfassbar gespannt diese Person zu treffen.
Wie dieser Omega wohl war?
Ich zitterte leicht, als Noëlle und ich wenig später nach draußen traten.
Eine dicke Schneedecke lag auf dem trockenen Gras und versperrte den Weg.
Schneeflocken tanzten vom dunklen Himmel und leuchteten warm im Licht der Lampen am Wegesrand.
Ich konnte spüren, wie die Kälte über meine Haut kroch.
Schnell kuschelte ich mich an die große Alpha, die fast zu glühen schien.
Sie schien die Kälte kaum zu spüren.
Ich sah einen Moment lang zurück zum Eingang von Kamils Haus.
Irgendwie würde ich diese Eleganz vermissen.
Noëlle nahm meine Hand.
,,Lass uns gehen." sagte sie und lief voran durch den dichten Schnee.
Ich folgte ihr und bemühte mich genau in ihre Schneestapfen zu laufen.
So passierten wir das große Tor und verließen Kamils Gelände.
Unser Weg führte hinein in einen düsteren, verschneiten Wald.
Unheimlich aber gleichzeitig auch wunderschön.
Alles wirkte wie in einem Märchen, als die leisen Flocken die großen Tannen bedeckten und sie leicht zum glitzern brachten.
Im Schnee war keine einzige Spur zu sehen.
Er sah noch so frisch und unverbraucht aus.
Flocken fielen auf meinen Kopf und blieben in den bläulichen Strähnen hängen.
Auch in Noëlles weißen Haaren funkelten die kleinen Schneekristalle.
Winter war wirklich etwas schönes, auch wenn es unheimlich kalt war.
Mein Atem stieg in kleinen weißen Wölkchen auf und der Schnee knirschte.
Große Bäume erstreckten sich neben uns, wie Riesen.
Auf einem Ast konnte man eine Eule rufen hören, während der kalte Mond durch die Zweige stach.
,,Noëlle?" hauchte ich leise ihren Namen.
Die große Alpha drehte ihren Kopf zu mir und sah mich fragend mit ihren verschiedenen Augen an.
,,Wie ist es bei der Aries?" fragte ich.
Die Weißhaarige lächelte.
,,Chaotisch. Wir sind ein bunter Haufen aus Alphas, Betas und Omegas. Es gibt sehr viele Kinder, die wir von den Sklavenmärkten gerettet haben." erklärte sie.
Überrascht sah ich sie an.
,,Moment, ihr rettet Sklaven?" fragte ich verwirrt.
Noëlle nickte leicht.
,,Was meinst du, woher die ganzen Omegas in unserem Lager kommen? Sie wurden alle entweder von den Märkten oder von ihren Käufern gerettet. Im Gegenzug helfen sie uns andere Märkte zu zerstören und die Sklaven zu retten." erklärte sie.
Ich war fasziniert.
Die Aries schien gar nicht so schlimm zu sein, wie Kamil und Lady Agnes es behauptet hatten.
Das war bemerkenswert.
,,Beta 27 konntet ihr noch nicht zerstören, richtig?" fragte ich.
Die Alpha nickte.
,,Wir hatten es vor, doch Beta 27 ist sehr groß und gut bewacht, im Gegensatz zu anderen Märkten. Es würde uns zu viele Anhänger kosten Beta 27 anzugreifen und zu zerstören. Hinzu kommt, dass wir momentan kaum Platz haben für weitere Mitglieder. Es kann also noch Jahre dauern, bis wir auch diesen Markt zerstören." sagte sie.
Ich nickte verstehend.
Die Aries hing wohl sehr an ihren Mitgliedern.
Fast wie eine Familie.
Irgendwie konnte ich mir gut vorstellen, dass mein Leben dort doch schön werden würde.
,,Und der Omega? Kommt er auch von einem Sklavenmarkt?" fragte ich neugierig.
Noëlle schmunzelte leicht.
,,Ihr habt viele Gemeinsamkeiten. Sein Name ist Lyan Walker und er ist ungefähr drei Jahre älter als du. Er ist ein wirklich amüsanter Omega, da man sich gut mit ihm unterhalten kann. Auch hat er einen ziemlich guten Humor. Ihr werdet euch mit Sicherheit gut verstehen." erwiderte Noëlle.
Gespannt sah ich sie an.
Ich wollte unbedingt mehr über diesen Omega hören.
,,Wie sieht er denn aus?" fragte ich interessiert.
Die weißhaarige Alpha schien kurz zu überlegen.
,,Hmm...nun ja, wie erkläre ich dir das jetzt am besten?" fragte sie sich selbst, während ich den Kopf schief legte.
War Lyans Aussehen so schwer zu beschreiben?
Noëlle drehte ihren Kopf zu mir.
,,Also, Lyan kommt nicht aus England. Er wurde in Afrika geboren und hierher verschleppt. Demnach sieht er auch nicht so aus, wie wir beide, verstehst du? Lyan hat hübsche schwarze Locken und glänzende Rubinaugen aber auch eine dunkle Hautpigmentierung. Er ist also schwarz." erklärte Noëlle.
Ein schwarzer Omega?
Ich verstand darunter nicht viel, doch nach Noëlles Beschreibung schien Lyan ein wirklich hübscher Omega zu sein.
Lyan Walker...
Ich konnte mir gut vorstellen, dass er ein sehr freundlicher Omega war, weshalb ich sehr gespannt war ihn kennen zu lernen.