Chapter 54.

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Etwas ungeduldig wackelte ich mit den Beinen.
Ich saß auf der hübschen Couch in Lyans Haus und wartete darauf, dass mein Partner von seinem Gespräch mit dem Chef zurückkehrte.
Ich hatte auf den Topf mit der Suppe darin einen Deckel gesetzt, damit diese nicht so schnell abkühlte.
Jedoch wusste ich, dass die Suppe nun widerlich lauwarm war und wir sie nochmal aufwärmen mussten, bevor wir sie zu den Kindern brachten.
Meine Schwester hatte sich nach einiger Zeit verabschiedet, da sie zu einer Grenzkontrolle berufen wurde.
Sie würde zusammen mit anderen Assassinen das Territorium erkunden und nachsehen, ob irgendwo irgendwelche Gefahr lauern könnte.
Ich hingegen wartete nun schon seit 20 Minuten auf Lyan.
Warum dauerte dieses Gespräch so lange?
Es musste wirklich wichtig sein, wenn der Chef ihn so lange bei sich hielt, um zu reden.
Oder auch nicht und ich wartete völlig umsonst voller Ungeduld.
Ich lehnte mich zurück an die Lehne der Couch und schloss die Augen.
Es würde sicher noch eine Weile dauern, bis Lyan wieder da war.
So driftete ich für einen kurzen Moment in die Traumwelt, welche mir als eine weite grüne Wiese mit vielen kleinen Gänseblümchen darauf präsentiert wurde.
Die Sonne schien durch die dichten Zweige einer Trauerweide und ein kleiner Bach plätscherte leise vor sich hin.
Die Bienen summten und irgendwo konnte man die Glocken einer Kuhherde hören.
Alles wirkte warm und freundlich.
Ein herrlicher Tag im Frühling.
Ein schöner Traum, der unterbrochen wurde, als die Haustür sich öffnete und ich alarmiert die Augen aufriss.
Sofort entspannte ich mich, als ich Lyans vertrauten Duft bemerkte.
Ich wollte sofort aufspringen und zu ihm gehen, als ich einen weiteren Duft bemerkte.
Der Duft nach Trauben.
,,Lyan, was-" hob ich an, wurde aber von dem hübschen Omega unterbrochen, der einen Zeigefinger auf seinen Mund legte.
Erst jetzt bemerkte ich, dass er etwas in seinen Armen trug.
Völlig verblüfft stand ich auf und kam etwas näher.
Das Etwas in seinen Armen verströmte den Duft nach Trauben, süß und fruchtig.
Mit großen Augen erkannte ich, was Lyan da in seinen Armen hatte.
Ein Kind!
Ein kleines Omega-Kind!
,,Warum?" flüsterte ich leise, da das kleine Ding anscheinend schlafen sollte.
,,Erkläre ich dir gleich, versprochen." erwiderte Lyan leise und trug das Kind in unser Schlafzimmer, wo auch die Wiege stand, die eigentlich seiner eigenen Tochter gehört hatte.
Ich war verwirrt.
Hatte Lyan nun doch ein Kind aufgenommen?
Oder hatte der Chef ihn dazu gezwungen?
Was ging hier vor sich?
Lyan schloss leise die Tür zum Schlafzimmer und kam dann zu mir.
Gemeinsam setzten wir uns auf die Couch.
,,Der Kleine heißt Pakka und er ist auch der Grund, weshalb der Chef mit mir reden wollte." meinte Lyan.
Ein Omega-Junge also.
,,Er war unter den Kindern, die Noëlle und die anderen vom Schiff gerettet haben. Sie konnten auch Aufzeichnungen über die Kinder finden, darunter auch seine Papiere. Auf den Papieren standen Daten, wie Alter, Herkunftsort und der Familienname." ergänzte er.
Ich sah ihn verwirrt an.
Was hatte das jetzt mit ihm zu tun?
,,Pakka kommt aus einem kleinen Dorf in Namibia und heißt mit Nachnamen Balewa." erklärte er weiter.
Balewa?
Ich erinnerte mich, dass auf dem Grabstein von Lyans Tochter Balewa stand und er selbst mit echtem Namen Mouskeeba Balewa hieß.
Moment mal!
,,E-Er ist mit dir verwandt?" fragte ich überrascht.
Lyan nickte.
Oh mein Gott.
,,Um genau zu sein, ist er sehr wahrscheinlich mein kleiner Bruder." erwiderte er.
Kleiner Bruder?
Ich blickte Lyan sprachlos an.
Das war verrückt!
Mein Omega nahm sanft meine Hand.
,,Ich weiß, dass das wahrscheinlich ziemlich verrückt ist und sicher auch unser Leben beeinflussen wird. Aber der Chef meinte, es wäre besser, wenn Familie bei Familie lebt. Darum habe ich zugesagt, den Kleinen zu nehmen und aufzuziehen." erklärte er.
Seine rubinroten Augen leuchteten leicht.
,,Ich kann mir vorstellen, dass du das eher weniger schön findest und ich weiß, dass jetzt alles etwas anders sein wird. Ich hoffe aber, dass dich das nicht zu sehr stören wird." ergänzte er.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
,,Es...Es ist überraschend aber nicht schlimm. Er ist dein Bruder und gehört demnach zu deiner Familie. Und du gehörst du meiner Familie, also gehört er ebenfalls dazu." erwiderte ich.
Lyan wirkte erleichtert.
,,Danke, das macht es alles etwas einfacher." meinte er.
Ich nickte und richtete meinen Blick auf die Schlafzimmertür.
,,Wie alt ist der er ungefähr?" fragte ich neugierig.
Lyan seufzte.
,,Laut den Papieren gerade mal 10 Monate." antwortete er.
Meine Augen wurden groß.
Pakka war also noch ein Baby!
Erst in zwei Monaten würde er als Kleinkind gelten.
Wer war nur so grausam und entführte ein Baby?!
,,Ich will mir gar nicht vorstellen, wie meine Eltern sich fühlen müssen. Erst ich mit 5 Jahren und jetzt er mit 10 Monaten." murmelte Lyan.
Ich nickte mitfühlend.
Es musste schmerzhaft für Lyans Eltern sein, nun schon zwei ihrer Kinder verloren zu haben.
,,Denkst du, er braucht noch Milch?" fragte ich.
Lyan zuckte mit den Schultern.
,,Ich weiß nicht aber ich denke Wasser, Tee und Kuhmilch wird für ihn ausreichen." meinte er.
Ich blickte wieder zur Tür.
Das arme kleine Ding.
Es wurde einfach von Zuhause entführt, auf ein Schiff geschleppt und verschifft.
Oh Gott.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was mit dem Kleinen passiert wäre, hätten Noëlle und die anderen Assassinen nichts von dem Schiff mitbekommen.
Er wäre auf einen Sklavenmarkt verschleppt, gequält und misshandelt worden.
Er hätte nicht einen Monat dort überlebt.
,,Er wird bei uns sicher sein." schniefte ich, da sich bei diesen Gedanken Tränen in meinen Augen gesammelt hatten.
Lyan nickte und zog mich in seine Arme.
Wir würden beide gut für Pakka sorgen, auch wenn diese Situation unerwartet und ungewohnt war.
Wir würden das irgendwie hinbekommen.
Das mussten wir einfach.
Schließlich war Pakka ein wehrloses kleines Kind, welches auf jeden Fall eine liebende Familie brauchte.
So taten wir alles mögliche, um ihm gerecht zu werden.
Glücklicherweise kannte sich Lyan ganz gut mit Kindern aus.
Ich hingegen hatte wirklich keine Ahnung.
Wickeln, Füttern, Schaukeln, ich wusste wirklich nichts von all diesen Dingen.
Ungefähr zwei Stunden später saß ich am Essenstisch, während Lyan den kleinen Omega zum Mittagessen holte.
Zuvor hatten wir noch schnell die Suppe ins Waisenhaus gebracht und hatten uns dann ans eigene Mittagessen gesetzt.
Reispfanne mit Hähnchen.
Köstlich!
Vor allem dank Lyans Kochkünste.
,,Er lag schon wach im Bettchen." erzählte der hübsche Omega, als er mit Pakka im Arm in die Küche trat.
Der kleine Omega wirkte verwirrt von der neuen Umgebung und den neuen Menschen, ließ aber keinen Laut ertönen, sondern sah sich nur mit großen dunkelbraunen Augen um.
Mir fiel erst jetzt auf, wie ähnlich er Lyan sah.
Die weiche Haut, die schwarzen Löckchen, neugierige Augen.
Einfach wie Lyan.
Mein Partner kam etwas näher zu mir.
,,Pakka, kyk, groet vir Dai.*" hörte ich Lyan zu Pakka sprechen.
Das war seine Muttersprache.
Natürlich.
Es war nur logisch, dass er mit Pakka auf dieser Sprache sprach, da dieser die von seinen Eltern kennen musste.
Pakka sah mich mit seinen großen Augen an und deutete mit dem Finger auf mich.
Ich musste etwas schmunzeln.
Er war irgendwie niedlich.
,,Er hat sicher Hunger." meinte Lyan zu mir.
Ich nickte und füllte etwas von dem Reis und dem Hühnchen auf einen Teller.
Das Hühnchen schnitt ich noch etwas klein, während Lyan Pakka auf seinen Schoß setzte und dieser sofort nach der Serviette griff und diese festhielt.
Ich setzte mich auf den Stuhl neben Lyan und nahm mit dem Löffel etwas Reis auf.
Kurz pustete ich, dann hielt ich dem kleinen Omega den Löffeln hin.
Meine Augen leuchteten, als dieser sofort den Mund öffnete und den Happen aß.
Glücksgefühle durchströmten mich.
Er aß!
Es war etwas seltsam, dass ich mich darüber so freute, doch für mich war es ein großer und wichtiger Schritt.
Ich wollte zu Pakka ein gutes Verhältnis haben und da war füttern schon eine gute Annäherung.
,,Es scheint ihm zu schmecken." stellte ich fest.
Lyan lächelte.
,,Dit lyk of jy daarvan hou, nie waar nie?**" fragte Lyan an Pakka gerichtet.
Dieser drehte den Kopf zu ihm.
Seine Augen leuchteten
Wahrscheinlich hatte Lyan ihn gefragt, ob es ihm schmeckte oder ob er es mochte.
Ich hielt ihm den nächsten Löffel hin.
Pakka war wirklich niedlich.
Und er sah Lyan so ähnlich.
Als wäre er Lyans leibliches Kind.
Lyan selbst hatte als Baby sicher zuckersüß ausgesehen mit seinen Löcken, den Bäckchen und den rubinroten Augen.
Mein Omega nahm mir den Löffel ab.
,,Na komm, lass mich weiter machen. Du musst schließlich auch etwas. essen." meinte er.
Ich nickte und füllte mir etwas auf den Teller.
Ich fragte mich, wie wohl unsere Zukunft mit Pakka aussehen würde.
Er konnte nicht einfach zurück nach Afrika gebracht werden, das stand fest, weshalb er für immer bei uns Leben würde.
Dennoch fragte ich mich, wie das werden würde, wenn ich dann noch mein Kind zur Welt bringen würde.
Ich würde schon bald in den dritten Monat kommen und ab dort wären es nur noch ungefähr 7 Monate, bis das Kind kommen würde.
Pakka wäre dann 1 Jahr und 5 Monate alt, also zirka 17 Monate.
Wie würde das werden mit einem so kleinen Kind und einem frischen Baby?
Es würde sicher etwas anstrengend werden.
Schließlich wusste niemand, wie die Geburt werden würde und wie das Baby sich verhalten würde.
Es könnte ein dauerhaft schreiendes Kind werden oder ein sehr ruhiges Kind.
Man wusste es nicht.
Was ich jedoch wusste, war, dass Lyan und ich das gemeinsam schaffen würden.
Wir mussten es einfach schaffen.

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*,,Pakka, schau, sag hallo zu Dai."

**,,Dir scheint es zu schmecken, nicht wahr?"

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt