Chapter 69.

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,,Noch ein wenig Fleisch?" fragte Inola höflich.
Etwas unbehaglich bewegte ich meine Beine.
Ich hatte schon ein Stück Fleisch, Kartoffelsalat und Brot gegessen.
Ich wollte nicht so überhungrig wirken, sonst würde ich sicher unangenehme Blicke bekommen.
,,Danke." erwiderte ich und schüttelte leicht den Kopf.
Lyan drehte den Kopf zu mir.
,,Bist du wirklich schon satt? Vergiss nicht, dass du für zwei isst." fragte er besorgt.
Ich senkte etwas die Stimme.
,,Ich will nicht so hungrig wirken." flüsterte ich.
Mein Partner schmunzelte.
,,Ach Dai, wenn du noch Hunger hast, kannst du ruhig essen. Es ist noch genug da." meinte er.
Kurz zögerte ich noch.
Seitdem ich schwanger war, aß ich immer mehr, je größer das Baby wurde.
Manchmal hatte ich richtige Hunger-Anstürme.
Das war so unangenehm.
Inola schmunzelte mich an und gab mir noch etwas Hühnchen.
Köstlich!
Lyan hatte das Hühnchen perfekt gewürzt und das Feuer ließ es zu einer aromatischen, zarten Köstlichkeit werden.
Ich genoss es sehr, hier mit Lyan, Pakka, Inola und meiner Schwester zu sitzen und zu essen.
,,Lecker." seufzte ich erleichtert, als ich einen saftigen Bissen von dem Fleisch nahm.
Alle mussten etwas schmunzeln.
Noëlles Augen leuchteten leicht.
,,Ich finde, du solltest noch viel mehr essen, damit das Kind groß und stark wird." meinte sie.
Inola legte den Kopf schief.
,,Weiß man denn schon, ob es ein Alpha, Beta oder Omega wird?" fragte sie neugierig.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
,,Noch nicht." erwiderte ich.
Noëlle lehnte sich zurück.
,,Egal, was es wird. Es wird eine große Bereicherung für das Lager sein."
Ein unangenehmes Kribbeln durchfuhr mich.
Warum wollte sie so sehr, dass es eine Ausbildung bekam, wenn es geboren und alt genug war?
,,Wird es denn zu einem Assassin ausgebildet werden?" fragte Inola weiter.
,,Ja."
,,Nein."
Noëlle und ich blicken uns an, als wir die Worte gleichzeitig aussprachen.
In ihren Augen leuchtete Verwirrung aber auch etwas Ärger.
,,Was?!" fragte sie leicht schockiert.
Ich zog etwas den Kopf ein.
Sie würde nun aufbrausen und schreien, das ahnte ich bereits.
,,Dai, dieses Kind wird für das Lager eine große Bereicherung sein. Es braucht eine Ausbildung zum Assassin, genau wie die Waisenkinder hier!" meinte sie.
Ich sah auf den Boden, aus dem bereits die ersten grünen Grashalme wuchsen.
,,I-Ich will das aber nicht." stammelte ich.
Noëlle knurrte.
,,Das ist egal! Jedes Kind hier wird zu einem Assassin ausgebildet."
Ich sprang auf vor Wut.
Wie konnte sie sagen, dass meine Meinung dazu egal war?!
,,Ich bin die Mutter des Kindes und ich entscheide, ob es ausgebildet wird oder nicht! Ich will nicht, dass mein Kind sich in Gefahren stürzt und verwundet oder sogar getötet wird, Noëlle!" fauchte ich zurück.
Meine Schwester stand nun ebenfalls auf.
Ihre Augen sprühten Funken.
,,Ich bin die Alpha hier! Ich entscheide also alles in dieser Familie! Dieses Kind wird ausgebildet werden, egal wie deine Meinung dazu ist!" knurrte sie.
In meinem Herzen fühlte ich einen tiefen Riss.
Ich wollte mich nicht mit meiner Schwester streiten.
Doch ich wollte auch nicht, dass dieses arme Wesen in meinem Bauch irgendwann von anderen Leuten verletzt werden würde.
Es schmerzte tief in mir, dass Noëlle meine Forderungen und meine Gedanken dazu missachten wollte.
Inola und Lyan hielten sich ängstlich zurück und selbst Pakka hatte sich an das Bein seines Bruders geklammert und blickte mit großen Augen zu uns.
,,Pakka wird auch nicht ausgebildet werden, warum muss also mein Kind diesen qualvollen Weg gehen?" fragte ich die weißhaarige Alpha.
Diese blickte Lyan eiskalt an.
,,Wirklich? Du lässt ihn nicht ausbilden?" fragte sie scharf.
Lyan schüttelte den Kopf.
,,Ich t-ö-t-e selbst nicht mehr, um ein ruhiges Leben zu führen, warum sollte Pakka also mit dieser Aufgabe befleckt werden?" erwiderte er.
Noëlle blickte ihn entsetzt an, doch ich war froh über seine Meinung dazu.
,,Wie kannst du nur, Lyan?! Du weißt ganz genau, dass wir mehr Leute brauchen, um die anderen Sklavenlager zu zerstören, hast du vergessen?!" schrie sie meinen Partner an, der zusammenzuckte.
Jetzt wurde ich richtig sauer.
Sie war zwar die Alpha hier, doch sie hatte nicht das Recht zu befehlen, was ich mit meinem Kind tat!
,,Niemand schreit meinen Partner an, nicht einmal du! Ich alleine entscheide, was was die Zukunft meines Kindes betrifft! Wenn du unbedingt eine Kinder-Armee willst, schlafe mit irgendeiner Omega und mache eigene Kinder, die du in den Tod schickst!" stauchte ich sie kochend vor Wut zusammen.
Die Alpha blickte mich drohend an.
,,Wage es ja nicht deine Stimme gegen mich zu erheben!" knurrte sie.
Ich starrte ihr in die Augen.
,,Ich bin ein freier Omega und kann meine Stimme gegen jeden erheben. Vorallem gegen Leute, die das Leben meines Kindes gefährden!"
Ich konnte selbst kaum glauben, dass ich so etwas sagen musste.
Doch es stimmte.
Noëlle gefährdete das Leben meines Kindes mit ihrem Denken.
,,Dieses Kind wird unter deiner Erziehung versauern, Dai. Es wird kein Sinn im Leben haben!" meinte sie boshaft.
Ich starrte sie knurrend an.
,,Nein, deine Kinder werden versauern, Noëlle. Weil du sie in den Tod schicken wirst! Ich hoffe, dass dir der Tod deines ersten Kindes die Augen öffnen wird, auch wenn ich mir wünsche, dass es früher passieren wird."
Mit diesen Worten entfernte ich mich von der Feuerstelle und stapfte ohne ein weiteres Wort oder einen Blick den Weg entlang zu Lyans und meinem Haus.
Mein Herz schmerzte mehr, als jemals zuvor.
Meine Schwester teilte einen schrecklichen Gedanken und wollte das Leben meines Kindes beeinflussen.
Genau in diesem Moment, musste ich mich entscheiden.
Noëlle, die mein Kind in Gefahr bringen wollte.
Oder mein Kind, welches mich brauchte und es nicht verdient hatte in den Tod zu ziehen.
Ja, für viele war es eine Ehre als Assassine zu sterben.
Doch ich wollte mein Kind nicht in diese Lage bringen.
Auch, wenn es anfangs nicht gewollt war, wollte ich diesem kleinen Wesen ein schönes Leben ermöglichen, ohne Mord und Tod.
Und wenn meine Schwester das anders sah, sollte sie besser niemals in die Nähe des Kindes kommen.
So sehr es auch schmerzte.

𝕾𝖓𝖔𝖜 𝖋𝖆𝖑𝖑𝖎𝖓𝖌 (Omega X Omega) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt