Kapitel LXXII

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Corvin legte seine Hand tröstend auf ihre Schulter.
"Wir haben unsere Verbündeten außerhalb angerufen und erwarten ihre Ankunft jeden Augenblick. Die räumen dann hier auf und jeder der Fundamentalisten wird gefangen genommen oder getötet. Jeder Verräter wird büßen, so wie Beau. Allerdings wird es hier nie mehr so sein wie vorher..."
"Hilfe! Er braucht dringend Blut!", schrie jemand.
Trina und Corvin drehten sich um.
Am Durchgang stand Lucien.
Er stützte Mr. Morlet.
Der Schulleiter blutete aus unzähligen Schnitten und hielt sich den Bauch. Wenn sie es richtig sah, hinderte er seine Gedärme dadurch aus seinem Körper zu fallen.
Trina stürzte, wie andere auch auf die beiden zu. Allerdings nicht, um Mr. Morlet zu helfen, sondern um zu Lucien zu gelangen. Die anderen kümmerten sich um den Schulleiter, Trina fiel Lucien um den Hals. Er drückte sie an sich und flüsterte: "Zum Glück, du lebst..."
"Ja", hauchte sie und löste sich aus seiner Umarmung, dann besah sie ihn. Er war allem Anschein nach nur leicht verletzt. Erleichtert atmete sie auf.
"Lucien! Was ist passiert?", fragte Corvin, der nach einem kurzen Blick auf den Schulleiter Trina gefolgt war.
"Ich weiß es nicht. Ich habe ihn so gefunden, vor der Bibliothek. Er erzählte mir von diesem Sicherheitsraum und ich brachte ihn hierher", erzählte Lucien.
"Und du? Wurdest du nicht attackiert? Bist du verletzt?", hakte der Genealogielehrer misstrauisch nach.
Lucien senkte den Kopf. Dann sagte er leise: "Ich habe mich versteckt...Als ich Schreie auf dem Flur hörte, habe ich mich unter meinem Bett versteckt. Jemand kam in mein Zimmer und durchsuchte es grob. Dann ging er wieder und ich wartete noch eine Weile, bis ich entschloss nach jemandem zu suchen. So fand ich Mr. Morlet."
Trina zog eine Augenbraue hoch. Das klang mal so gar nicht nach Lucien. Für Corvin schien die Erklärung aber zu genügen, er nickte, sagte: "War wahrscheinlich das Beste was du machen konntest" und ging.
Lucien hob wieder seinen Kopf.
"Jetzt sag mir mal, was du wirklich gemacht hast", forderte sie.
Erschrocken sah er sie an.
"Ich weiß nicht, was du meinst", erwiderte er und kniff seine Augen zusammen.
"Hör auf mit deinen Spielchen, Lucien. Verstecken? Das klingt ziemlich absurd. Du versteckst dich nicht."
Plötzlich lächelte er.
"Du hast Recht. Ich verstecke mich nicht."
Er zog sie an sich heran, gab ihr einen Kuss und flüsterte dann: "Ich tue das, was nötig ist. Und wenn ich die Seiten wechseln muss, um am Leben zu bleiben, dann mache ich das. Es tut mir leid, Trina."
Sie fauchte.
"Du bist also auch ein Verräter ja?"
Trina versuchte von ihm abzurücken, aber er hielt sie fest.
"Wenn du schreist, werde ich das hier", er hielt ein Messer an ihren Bauch, "benutzen. Ich habe den Auftrag, dich zu suchen und lebend zu Auriel zu bringen. Aber von unverletzt war nicht die Rede."
Trina konnte es nicht glauben. Lucien war ein Verräter. Ihr Lucien... Es musste an Auriels Blut liegen.
"Lucien... Du musst das nicht machen. Niemand weiß was du getan hast. Und ich sage kein Wort."
Sein Lächeln wurde böse.
"Was für ein verlockendes Angebot. Aber nein, danke. Wenn Auriel kein Interesse mehr an dir hat, dann gehörst du mir. Das ist der Deal. Du wirst für...fünfzig, hundert, fünfhundert Jahre, Auriels Spielzeug. Und wenn du ihm langweilig wirst, dann bist du Mein!"
Er musste besessen von ihr sein, wenn er das alles nur wegen ihr tat. Sie versuchte ihn zu überzeugen, dass sie auch sofort ihm gehören könnte.
"Du musst dafür keinen Deal mit irgendjemanden eingehen. Wenn es dir so wichtig ist, dann werde ich sofort Dein. Du weißt doch, dass ich dich liebe, Lucien. Lass uns gehen, irgendwo hin. Wo wir beide für ewig alleine sein werden. Du wirst mich nicht teilen müssen..."
Er lachte.
"Das soll ich dir glauben, ja? Dass du jetzt sofort mit mir weggehen würdest? Ohne deine Bestimmung zu erfüllen? Ohne...", er nickte in Richtung Kendrick und sagte verächtlich: "ihn?"
Ruhig antwortete sie:"Ja, ohne Kendrick. Und ja, ohne weiter mein Vorhaben zu verfolgen. Du bist mir unglaublich wichtig, und wenn ich dich davon abhalten kann, etwas Dummes zu tun, dann mache ich das."
Sein Blick wurde weich.
Trina legte eine Hand auf seine Wange.
"Du hast ja keine Ahnung... Keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe und wie sehr ich mir wünsche, mit dir durchzubrennen. Aber ich kann dir das nicht glauben. Ich denke, du würdest mir alles versprechen, nur um mich davon abzuhalten, so etwas zu tun. Und genau deshalb, stecke ich in diesem Dilemma, Trina. Denn dadurch weiß ich, dass du mich wirklich liebst. Aber es geht nun mal nicht. Ich werde dich zu Auriel bringen, jetzt!"
Bestimmt sagte sie: "Nein! Ich werde nicht mit zu Auriel gehen. Wenn du wirklich vorhast, mich ihm auszuliefern, dann kannst du auch gleich das hier tun..."
Sie drückte sich an ihn und das Messer, das er immer noch an ihren Bauch hielt, bohrte sich in ihren Körper. Es brannte wie Feuer, als die Klinge aus Silber ihr Fleisch durchstieß, doch kam kein Schmerzenslaut über ihre Lippen, um kein Aufsehen zu erregen. Lucien erstarrte kurz und zog dann das Messer schnell heraus. Verständnislos fragte er: "Warum machst du so etwas? Ich will dich nicht verletzen, Trina. Glaub mir, das ist wirklich das Letzte, was ich will, aber du musst jetzt mitkommen..."
Sie presste eine Hand auf die Stichwunde und stöhnte vor Schmerz, dann sagte sie: "Wenn du mich Auriel auslieferst, dann kannst du das Messer auch gleich in mein Herz stechen. Ich komme nicht mit dir! Und jetzt, geh! Sag, du hast mich nicht gefunden. Oder lass dir irgendetwas anderes einfallen. Aber du musst jetzt gehen, sonst schreie ich gleich und sie werden dich gefangen nehmen, dich foltern und als Verräter verurteilen. Und das ist wirklich das Letzte, was ich will. Geh jetzt! Bitte, Lucien..." Zögerlich trat er einen Schritt zurück. Dann noch einen.
"Ich liebe dich und werde dich holen", sagte er leise, drehte sich um und flüchtete. Trina sackte zusammen.

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