Kapitel XLVI

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Er brachte sie zurück ins Schloss und wies sie auf dem Weg an, in ihrem Zimmer auf einen Lehrer zu warten und trennte sich in der großen Halle von ihr mit einem saloppen: "Wir sehen uns!" Sie eilte zu ihrem Zimmer, zog ihre Schuluniform an und leerte ihre Tasche über ihrem Schmutzwäschekorb aus. Das Make Up pickte sie heraus und brachte es ins Bad. In der Hektik bei Kendrick hatte sie ganz vergessen ihre Haare zu machen. Das holte sie jetzt nach. Kaum dass sie fertig war, klopfte es bereits an der Tür.
"Herein", sagte sie und war gespannt, wer es war.
Kendrick? Hä? In Europakunde stand sie doch auf einer Eins!?
Er schloss die Tür hinter sich und erklärte das schnelle Wiedersehen: "Ich war gerade bei Mr. Morlet, um zu erfahren, ob ich Schüler habe, die Sonderunterricht bei mir bekommen. Negativ! Allerdings bat er mich, dir auszurichten, dass du vom Sonderunterricht im weitesten Sinne befreit bist. Ich habe deinen momentan Zensurenstand gesehen. Respekt, echt! Jedenfalls wirst du an den Tagen, an denen die anderen den zusätzlichen Unterricht besuchen, bei mir sein. Mr. Morlet hat mir aufgetragen, diese Zeit zu nutzen und dich gesellschaftsfähig zu machen, sprich, dich auszuführen und mit anderen Vampiren bekannt machen. Er hat ein einen engen Zeitplan vorgegeben. Kurz nach der Zeremonie findet das Treffen statt, bis dahin muss ich dich zurecht gefeilt haben. Aber ich denke, das bekommen wir hin."
Sie staunte nicht schlecht. Sie musste wirklich zu etwas hohem geboren sein, dass ihr diese Chancen gegeben wurden. Kendrick wandte sich wieder um und sagte im Hinausgehen: "Wir beginnen nächste Woche. Bis dahin..."
Sie war baff und setzte sich auf ihr Bett. Es war ihr langsam unangenehm, ständig bevorzugt behandelt zu werden. Deswegen fasste sie den Entschluss, Mr. Morlet dafür zu danken, indem sie ihre Noten noch etwas aufbesserte. Sie wechselte auf den Schreibtischstuhl, schloss vorher aber ihre Tür ab und sah, dass ihr heiliges Büchlein mitten auf dem Tisch lag. Corvin musste hier gewesen sein. Trina schüttelte den Kopf. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Sie legte das Buch unter ihr Kopfkissen und setzte sich wieder an ihr Pult. Eifrig lernte sie. Die ganze Nacht lang. Und zwar ihre verhassten Fächer Biologie, Bürowesen und Kunst. Zweimal klopfte jemand an die Tür und rüttelte an der Klinke. Sie ignorierte es. Als die Sonne aufging, verzog sie sich in ihr Bett und schlief.

Sie wachte noch vor Sonnenuntergang auf und zog das Buch unter dem Kissen hervor. Sie war gespannt, was Corvin hinzugefügt hatte. Außerdem wollte sie noch nachgucken, von wem Kendrick verwandelt wurde. Danach schaute sie als erstes. Von Elian, okay. Sie wünschte, sie hätte einige Aufzeichnungen über die alten Vampire, dann hätte sie eine ungefähre Vorstellung von ihnen. Da gab es nur eines: Corvin fragen. Sie sah sich die Daten an, die er nachgetragen hatte, einige mutmaßliche Aufenthaltsorte, mehr nicht. Na schön, dann würde sie eben nach dem Unterricht Corvin aufsuchen.

So tat sie es auch. Er war noch in seinem Unterrichtsraum. "Entschuldigen Sie, bitte, Sir, aber ich muss Sie erneut um einen Gefallen bitten. Und zwar bräuchte ich Bücher, in denen es um die Vampire der alten Generation geht. Geschichten, Sagen, Tagebücher...Gibt es so etwas?", fragte sie.
"Wozu denn?", fragte er zurück.
"Naja, mir fehlen irgendwie die Persönlichkeiten. Ich wüsste gerne, wie jeder einzelne so ist und war. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass dieses Wissen mir einen Vorteil bringt." Corvin nickte: "Ich werde sehen, was ich finden kann. Und du solltest Kendrick da auch drauf ansprechen. Vielleicht hat er einige Aufzeichnungen oder zumindest Anekdoten."
"Danke, Sir", bedankte sie sich und ging. Sie war fast bei ihrem Zimmer angelangt, als jemand hinter ihr nach ihr rief. Trina drehte sich um. Es war Lucien und er sah schlecht gelaunt aus. Mist, dachte sie, der hat mir gerade noch gefehlt. Er kam auf sie zu und wollte direkt wissen, wo sie die letzten beiden Tage gewesen war.
"Tja, also, vorgestern war ich bei Mr. Blom. Und gestern...Da hab ich für die Prüfungen gelernt," erzählte sie ihm.
"Du warst bei Mr. Blom? Wo? Im Klassenraum? Die ganze Nacht?"
"Ääh, nein. Wir waren in diesem Vampirclub..."
"Das hast du geträumt oder? Du darfst nicht außerhalb des Schlosses sein", widersprach Lucien. Sie verdrehte ihre Augen und ging weiter.
"Warte, Trina!", befahl er ihr.
Im Gehen sagte sie: "Wozu sollte ich bleiben, wenn du denkst, dass ich dich anlüge? Dann gehe ich lieber weiter lernen. Das solltest du vielleicht auch machen, schließlich hast du deine endgültige Abschlussprüfung und ich nur die vorläufige."
Er holte sie ein und riss sie am Oberarm packend zurück. Dann roch er an ihrem Hals und ihrem Haar.
"Du warst tatsächlich bei ihm...", sagte er etwas enttäuscht.
"Lucien, es hatte sich spontan ergeben. Sonst hätte ich dir doch Bescheid gesagt."
"Ist schon okay, Trina."
Er zog sie an sich heran und küsste sie. Nach dem Kuss flüsterte sie ihm ins Ohr: "Wir haben darüber gesprochen, dass er Amons Platz eingenommen hat, und dass keiner der vierten Generation tot sei. Er hat von ihm in der Ist-Form geredet, nicht in der Vergangenheit. Also entweder wird es totgeschwiegen oder er lebt noch."
Ungläubig starrte Lucien sie an.
"Das kann nicht sein, also, dass er noch am Leben ist", zischte er. Sie zuckte nur mit den Schultern.
"Ich werde mal etwas rumschnüffeln. Was machst du gleich noch?", fragte er.
"Nur lernen, Lucien! Und das möglichst ohne Ablenkung. Wir sehen uns morgen, okay?"
"Na gut, dann bis morgen, Süße." Mit hängendem Kopf trottete er davon.

BlutsMacht - Die ZeremonieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt