BlutsMacht - Die Zeremonie

Kapitel LXXVII

Nachdem Mr. Morlet fertig war mit seiner Rede, stand Trina auf und ging.
Nach einer Zeit lief sie.
Immer weiter, quer durchs Schloss. Sie achtete nicht auf den Weg und hatte kein Ziel. Sie wollte ihren Kopf frei bekommen. Es war einfach zu viel Input. Zu viele Informationen, zu viel Neues, zu viel Seltsames. Mit irgendjemanden musste sie reden, nur mit wem? Lucien? Kendrick? Mr. Morlet? Sie entschied sich für Corvin. Er wusste über ihre vermeintlichen Vorleben Bescheid und er kannte sie recht gut. Mit Sicherheit konnte er ihr so einiges erklären. Trina machte kehrt und beeilte sich, zurück in die große Halle zu kommen. Dort herrschte immer noch reges Treiben. Sie sah Kendrick. Er hatte sich nicht gerührt und saß mit gesenktem Blick auf immer noch demselben Stuhl.
Da war sie wieder, diese Stimme in ihrem Kopf: Schau nur... Wie ein Häufchen Elend sitzt er da! Was für ein Schwächling! So einer hat dich nicht verdient...
Trinas Abscheu wuchs.
Dieser verweichlichte Bastard hat dich berührt. Du hast mit ihm geschlafen... Pfui!
Was war nur los? Sie verdrängte diese böse Stimme in ihren Gedanken und ging ein paar Schritte auf Kendrick zu.
Sie musste sich tatsächlich dazu überwinden. Nach drei Schritten ging es einfacher und nach dem vierten Schritt fühlte sie wieder die altbekannte Sehnsucht nach ihm.
Was zum Teufel ist nur los mit mir??
Sie war fast bei ihm, da sah er abrupt auf. Sein Blick bohrte sich in sie. Die Traurigkeit war fast gänzlich gewichen und hatte der Wut Platz gemacht. Bei ihrem Anblick wurde sein Blick etwas weicher und er stand auf. Doch er drehte sich um und ging weg. Er kehrte ihr einfach den Rücken. Sie lief fassungslos hinter ihm her und holte ihn schließlich ein.
"Kendrick..?"
Trina griff nach seiner Hand, doch er schüttelte sie einfach ab und blieb nicht stehen. Er sah sie nicht mal an.
"Kendrick!"
Sie blieb kurz stehen, weil sie dermaßen entsetzt und verwirrt über seine Reaktion war, doch gab nicht auf. Noch einmal eilte sie hinter ihm her. Er war mittlerweile aus der großen Halle raus gegangen und ging den Flur entlang, der nach draußen führte. Dort konnte sie ihn ohne Probleme einholen und stellte sich ihm in den Weg, sodass er stehen bleiben musste.
Mit sanfter Stimme fragte Trina: "Was ist mit dir? Warum läufst du vor mir weg?"
Kendrick lachte schrill auf. So eine Reaktion war sie nicht gewohnt von ihm. Irritiert sah sie ihn aus großen Augen an.
Dann antwortete er ihr endlich: "Es ist vorbei, Trina! Ich habe es gespürt! Ich habe deine Ablehnung gespürt. Es ist... einfach vorbei, okay?"
Sein Gesicht war schmerzverzerrt, als er das sagte.
Trina kämpfte mit den Tränen.
Wie konnte er nur? Nach allem, was sie durchgestanden hatten zusammen...
Sie bemühte sich die Fassung nicht zu verlieren und nahm seine Hand.
"Und was spürst du jetzt?", wollte sie wissen. Kendrick zuckte mit den Schultern und zog seine Hand zurück.
Nein, du nicht auch noch! Ich habe schon zu viele verloren, dachte sie und bat ihn dann: "Komm mit mir. Ich will zu Corvin. Dann verstehst du vielleicht so einiges..."
Wieder zuckte er nur mit den Schultern und Trina ging ihm voraus zurück in die große Halle. Dort spähte sie nach Corvin, konnte ihn jedoch nicht entdecken.
"Vermutlich unterwegs... ", hörte sie Kendrick murmeln.
Unterwegs? Na gut. Dann finden wir raus, wo!
Zielstrebig steuerte sie den Schulleiter an.
Doch sie kam nie bei ihm an.
Sie war nur wenige Schritte von ihm entfernt, als Adam Dumont, einer der Nachkommen von Mr. Morlet plötzlich ein Messer zückte und auf seinen Schöpfer los ging. Es ertönten zahlreiche Aufschreie. Trina sah mit an, wie ein Sohn seinen Vater tötete. Adam stieß die Klinge des Messers direkt in das Herz des Schulleiters. Dieser konnte sich nicht wehren, da er noch nicht vollständig genesen war und ihn die Überraschung über den Verrat seines Sohnes lähmte.
Trina stürmte wie fast alle anderen auch auf den zusammensackenden Schulleiter zu. Mr. Morlets anderer Nachkomme, Castor stürzte sich auf seinen Bruder, den Attentäter und schlug ihm das Messer aus der Hand.
Adam lag mit dem Gesicht nach unten auf den Boden, begraben unter Castor und anderen Vampiren und lachte hysterisch, während Aharon Morlet langsam zu flackern begann.
Es waren viele loyale Vampire um ihn herum, als der Schulleiter starb. Trina konnte eine silberne Substanz aus dem Einstich sickern sehen.
"Helft ihm doch!", schrie sie und versuchte sich zu Mr. Morlet durchzudrängen. Doch eine Hand hielt sie fest.
"Sie, wir, können nichts tun. Sieh, es ist das Silber. Es verflüssigt sich, sobald es im Körper ist." Es war Kendrick, der mit ihr sprach.
"Aber ihr müsst es doch versuchen. Irgendetwas müsst ihr doch tun..."
Doch es war bereits zu spät. Der Schulleiter war nur noch ein Haufen Asche. Sie konnte es nicht fassen, Aharon Morlet, der Gründer dieser Schule war tot.