Kapitel IV

5.1K 132 3
                                    

Amon Matthews beendete den Unterricht und zitierte Graham und Trina zu sich: "Mir ist es egal, was ihr macht wenn ihr in eurem Wohnbereich seid. Aber sobald ihr den Flügel betretet, in dem unterrichtet wird, reißt ihr euch gefälligst zusammen! Anderenfalls werde ich mir eine hübsche Strafe ausdenken, verstanden?"

Trina und Graham standen mit gesenkten Blick beim mächtigen Lehrerpult aus dem 18. Jahrhundert und nickten.

"Gut, jetzt seht zu, dass ihr pünktlich zum Unterricht von Mrs. McLean kommt," mit diesen Worten verließ Amon den Raum und ließ die beiden einfach stehen.

Trina fing an zu kichern als die Tür mit einem Knall zufiel. Graham schaute sie entgeistert an: "Warum zum Teufel lachst du?"
Sie stieß ihm ihr Ellbogen in die Rippen, "Komm, wir gehen jetzt besser, bevor er es sich anders überlegt und uns von der Decke hängend an Ketten aufhängt."
"Oh ja, zuzutrauen wärs ihm", bestätigte Graham. Er ließ Trina vorgehen und genoss dabei den Blick auf ihre wohlgeformte Rückansicht.

Sie spazierten im schnellen Tempo durch die spärlich beleuchteten Korridore zum Raum von Mrs. Arantxa McLean, der Lehrerin für die naturwissenschaftlichen Fächer.
Sie war überaus streng und duldete keinerlei Fehltritte, in jeglicher Hinsicht. Genau das strahlte sie auch aus, mit ihren blond-gräulichen Haaren, die stets zu einem festen Knoten am Hinterkopf frisiert waren und mit ihren blaugrauen Augen, die wie altes Eis wirkten.
Mrs. McLean wurde recht spät zum Vampir verwandelt, etwa mit Anfang vierzig, deswegen wurde ihr die Arbeit als Lehrerin nahe gelegt. Das und die Tatsache, dass sie aus der vierten Generation stammte und somit sehr alt und erfahren war. Annähernd 900 Jahre.
Ihr Unterrichtsraum war voll gestopft mit Chemikalien, Laborgeräten und Büchern.

Trina und Graham kamen noch rechtzeitig, sie setzten sich auf ihre angestammten Plätze und verfolgten den Unterricht, der von der Physiologie einiger Tiere handelte.
Ziemlich unspektakulär, Trina interessierte Biologie nicht besonders, so dass sie die Zeit bis zum Unterrichtsschluss absaß und brav alles mit verfolgte und aufschrieb.

Nach dem Schultag ging Trina mit Caitlin zurück zum Zimmer und schälte sich aus der Schuluniform. "Pah", angewidert ließ Trina die weiße Bluse auf den steinernen, mit bordeauxroten Läufern ausgelegten Boden fallen.
Caitlin schüttelte den Kopf. "Lass deine Klamotten nicht immer liegen."
Trina bückte sich und hob die Bluse auf: "Sorry!" Sie ging zur Wäschetruhe und stopfte sie zu den anderen schmutzigen Sachen.
"Was war denn vorhin in Geschichte los? Du schienst ganz fasziniert von Gray gewesen zu sein."
"Ich weiß auch nicht. Er hat, glaub ich, ein paar Tropfen zu viel Vampirblut bekommen und das prompt ausgenutzt. Das einzige woran ich denken konnte, war, wie toll sich sein Schwanz in mir anfühlen würde. Hätte Mr. Matthews den Bann nicht gebrochen, wer weiß, wie weit es gegangen wäre," erwiderte Trina während sie sich eine enganliegende, hüftlange Kapuzenjacke anzog und sich auf ihr mit dicken, ebenfalls bordeauxroten Vorhängen verhangenes Himmelbett setzte.
Der Gedanke an Graham erregte sie immer noch. Verstohlen wischte sie sich über ihren Mund und seufzte.
Caitlin lachte und setzte sich auf ihr gleichgestaltetes Bett.
"Ooooh, arme Trina. Musstest du doch tatsächlich mal das erleben, was du den Kerlen immer antust."
Trina schaute ihre Busenfreundin verwundert an und zog eine Augenbraue nach oben.
"Denkst du, wir haben das nicht bemerkt, dass du mehr Einfluss ausüben kannst als wir und du bei der Blutvergabe bevorzugt wirst", fragte Caitlin mit einem Augenzwinkern und setzte sich in den Schneidersitz.
"Wer ist denn wir?", wollte Trina wissen. Mist! Sie hatte gehofft, dass das niemanden auffällt. Doch, wenn es Mitwisser gab, war ihr Deal mit Aharon Morlet, dem Schulleiter, in Gefahr.

Aharon Morlet, Vampir der dritten Generation und somit sehr mächtig und alt, hatte sie am Anfang des Schuljahres in sein Büro zitiert und ihr ein Angebot gemacht, das sie unter keinen Umständen hätte ausschlagen können.
Sie versprach ihm, ihre Unschuld aufzuheben, bis ihre Verwandlung zum Vampir abgeschlossen ist. Dafür bekam sie mächtigeres und mehr Blut als ihre Mitschüler. Sie hatte keine Ahnung weshalb und welche Konsequenzen das für sie haben würde, aber zu diesem Zeitpunkt war ihr das auch egal.

"...du "Everybodys Darling" bist. Aber wir halten dicht, keine Angst," riss Caitlin Trina aus ihren Gedanken.
"Wie bitte? Was? Sorry, war gerade in Gedanken", entschuldigte Trina sich.
Caitlin sog scharf die Luft ein.
"Okay, nochmal: Lediglich Gwen und ich wissen das. Wir stehen ja auch neben dir bei der Übergabe und sehen, dass du mehr Blut im Kelch hast, als wir. Aber wir haben uns mittlerweile damit abgefunden, dass du "Everbodys Darling" bist und halten dicht. Nur wüsste ich gerne, wieso alle so auf dich abfahren. Du bist hübsch, klar, ohne Frage und furchtbar intelligent, aber das sind wir, mal abgesehen von einigen Mädels, auch. Also, was hast du, was wir nicht haben? "

Trina wusste, dass Caitlin auf die Eignungstests und die Psychoanalyse anspielte. Sie war nämlich die Einzige, die ihre Ergebnisse nicht preisgab. Und das aus guten Gründen.

BlutsMacht - Die ZeremonieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt