BlutsMacht - Die Zeremonie

Kapitel LXXV

Geweckt wurde Trina von Kendrick. Schlaftrunken schielte sie auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach Sonnenuntergang. Neben ihnen regte sich Corvin. Er richtete sich auf. Seine dunkelblonden Haare standen wirr vom Kopf ab und seine Augen wirkten stumpf und leer.
"Hunger...", knurrte er und wandte sich zu den beiden.
"Was ist mit euch?"
Trina und Kendrick nickten.
"Gut, dann überprüfen wir erst einmal die Lage im Schloss und suchen uns dann etwas zum Speisen," beschloss Corvin und schloss die Tür auf. Kendrick nahm Trina an die Hand und folgte Corvin dann.
Auf den Gängen war es ruhig und niemand begegnete ihnen auf dem Weg zur großen Halle.
In der Halle allerdings waren einige der Söldner, die beauftragt worden waren sie am Tage zu beschützen. Mit schweren Waffen patrouillierten sie.
"He, stehen bleiben!", wurden sie von einem Mann angewiesen, der sein Maschinengewehr prompt auf sie richtete. Trina wollte stehen bleiben, Kendrick jedoch zog sie weiter. Corvin ging vor ihnen und ließ die Warnung ungeachtet.
"Vampir, Stop! Hier darf nicht mehr jeder einfach umher spazieren!", verlieh der Söldner seinen vorherigen Worten Nachdruck.
Trina war verunsichert, würde dieser Typ gleich auf sie schießen? Es waren mit Sicherheit Silberkugeln im Magazin. Doch nachdem Corvin einige Schritte auf die Männer, die mittlerweile alle ihre Waffen auf sie gerichtet hatten, zugegangen war, löste sich die Situation auf. Scheinbar der Anführer der kleinen Armee senkte seine Pistole, woraufhin es die anderen ihm nach taten.
"Corvin... Verzeih mir, ich habe dich erst nicht erkannt. Du siehst grauenvoll aus", lachte der Anführer.
"Mir ist nicht zum Spaßen zumute, Hank", entgegnete Corvin mürrisch und besah sich die anwesenden Männer. Er schien wohl sein Mahl auszuwählen, überlegte es sich dann aber anders und wandte sich zu Hank: "Ist irgendetwas vorgefallen, während wir ruhten?"
Hank schüttelte den Kopf und drehte sich zu einem seiner Männer um. Er wies ihn an Blutkonserven zu holen. Sofort machte der Mann sich auf den Weg. Dann sah Hank wieder zu Corvin. Dieser nickte ihm dankbar zu und fragte: "Neuigkeiten vom Labor?"
"Noch nicht, alter Freund, DNA Tests sind aufwendig, weißt du doch. Die arbeiten dort aber wirklich auf Hochtouren. Ich war zweimal dort in den letzten Stunden", antwortete Hank.
Dann sah er an Corvin vorbei und runzelte die Stirn.
Sofort drehten sich die drei Vampire um und waren ebenfalls verwundert.
In der Tür stand der Schulleiter, noch stark geschwächt, aber er stand. Trina und Kendrick schnellten sofort zu ihm, um ihn zu stützen.
"Aharon, ich glaube nicht, dass...", begann Corvin, wurde jedoch gleich vom Schulleiter unterbrochen.
"Ich weiß, Ihre Sorge zu würdigen, Mr. Banks. Doch wie Sie sehen können, stehe ich bereits wieder und außerdem muss ich mir selber einen Überblick über die Lage meiner Schule machen."
Dann sprach er zu Hank: "Mr. Pope, Sie können mit Ihren Männern jetzt abziehen. Ich empfehle Ihnen den Hinterausgang zu nutzen und seien Sie stets wachsam."
Hank nickte und deutete seinen Männern zu gehen. Der Mann der die Blutkonserven beschafft hatte und eben wieder eingetroffen war, legte die Blutpäckchen auf einen Tisch und ging mit den anderen hinaus. Mr. Morlet ging, gestützt von Trina und Kendrick durch die Halle auf das schwarze Brett zu. Dort hingen diverse Ausschreibungen und Listen. Neu war die Liste von den Verletzten und die von den bekannten Verrätern und Anhänger der Fundamentalisten. Der Schulleiter schüttelte den Kopf und murmelte dann: "So viele Verletzte... Vermutlich doppelt so viele Tote... Enge Vertraute, die uns verraten haben..."
Dann plötzlich wandte er sich um und packte Kendrick am Arm. "Sie... Mr. Blom, wären Sie nicht gewesen, Sie und ihre beiden Freunde, dann wären vermutlich auch die ganzen unschuldigen Kinder tot. Ihre Vergangenheit sei Ihnen verziehen und vergessen. Wissen Sie wie es um Ihre Informanten steht?"
Trina horchte auf, Informanten? Seine Vergangenheit?
Kendrick schüttelte den Kopf und flüsterte: "Leider nicht, Sir. Ich danke Ihnen für die Vergebung."
Mr. Morlet nickte und rief dann: "Mr. Banks! Wecken Sie alle auf und machen Sie dann Druck im Labor, ich möchte die Namen derer, die gefallen sind. Und zwar noch heute Nacht! Alle sollen sich hier versammeln!"
Corvin verbeugte sich leicht und machte sich umgehend auf den Weg.
"Mr. Blom, sorgen Sie dafür, dass genügend Blut hier ist für alle." Schon war Kendrick weg.
"Miss Silver... Es ist wichtig, dass Sie überlebt haben und weiterhin leben und Ihr Ziel verfolgen. Ich möchte Ihnen kurz von einer sehr alten Prophezeiung erzählen. Setzen Sie sich, bitte."
Trina folgte seiner Bitte und der Schulleiter setzte sich ebenfalls. Dann begann er zu erzählen: "Es steht in einem Buch geschrieben, in einem sehr alten, welches nur wenige gelesen haben, dass, als der Erste von uns entstand, es eine Frau war, die ihm half und ihn leitete. Die ihm zur Seite stand, als alle ihn mieden und ihm Liebe und Verständnis schenkte. Diese Frau wurde seinetwegen von den Menschen gefangen genommen und getötet. Doch versprach sie vor ihrem Tod wiederzukehren. Sie verfluchte nicht die Menschen für ihr Handeln, sondern schwor dem Ersten von uns ihre Liebe und in Zeiten der Zwietracht wiedergeboren zu werden um ihm beizustehen und zu einen. So geschah es, einige Jahrhunderte später, dass die fünf Söhne des Ersten sich entzweiten und verschiedene Lebensstile annahmen. Einige wurden böse und es begann in Europa eine Schreckensherrschaft. In dieser Zeit wurde sie wiedergeboren und stand ihrem Liebsten, wie versprochen, bei und einte den Vater wieder mit seinen Söhnen. Doch einer war abtrünnig und so hasserfüllt, dass er sie tötete. Und auch dieses Mal versprach sie vor ihrem Tod wiederzukommen und in Zeiten des Hasses und Krieges zu einen. Zweimal hatte sie versagt, doch noch einmal würde sie nicht versagen. Sie würde stärker denn je wiedergeboren werden und alle Vampire vereinen."
Trina hörte gespannt zu. Das war eine wirklich interessante Geschichte. Mr. Morlet sprach weiter: "Diese Geschichte und den Namen der Frau kennen nur zwei handvoll Vampire. Und Mae, deine Mutter, war keine der eingeweihten Vampire, sie konnte nicht wissen dass die Frau den Namen Katrina trug..."
Trinas Augen wurden groß und die Kinnlade klappte ihr herunter.
"Was? Sie wollen damit doch nicht andeuten, dass... Ich meine..."
Sie brachte keinen vollständigen Satz zustande und ihre Gedanken überschlugen sich.
Ich? Ich bin nicht diese Frau, ich bin doch nur Katrina...Nur Katrina... Ich...
Selbst in ihren Gedanken konnte sie keinen Satz zu Ende bringen.
Der Schulleiter lächelte milde und stand auf.
Er sagte: "Ich lasse Sie nun allein, mit diesem Wissen. Leider können Sie nur mit Mr. Banks darüber reden. Er ist einer der wenigen, die eingeweiht sind. Nun denn..."
Mr. Morlet schritt langsam aus der großen Halle und ließ eine total verwirrte Trina zurück.