Kapitel 64 - Jill

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„Schau mal hier", sagte Chrissy und hielt mir ihren Laptop entgegen

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„Schau mal hier", sagte Chrissy und hielt mir ihren Laptop entgegen.

„Nein, der ist zu alt für ihn", erwiderte ich, als ich den dunkelhaarigen Mann vor mir auf dem Bildschirm erblickte.

„Hm, stimmt", schnaufte sie enttäuscht und stellte den Computer wieder vor sich auf dem Teppich ab.

„Hier habe ich einen Artikel zu einem Unfall gefunden. Zwei Teenager kamen auf die Gegenfahrspur und fuhren in einen Transporter hinein. Hm nein, dann können wir das auch ausschließen. Jill, ich fürchte, wir kommen so nicht weiter", gab Jenna entmutigt von sich, nachdem sie bereits den dreiundzwanzigsten Artikel über einen Unfall in Kanada vorgelesen hatte.

„Und allein über seinen Vornamen finde ich ihn auch nicht", fügte Chrissy noch hinzu, was mich jedoch keineswegs entmutigte.

„Irgendwie müssen wir ihn doch aber finden", sagte ich nachdenklich. Die letzten Tage hatten wir drei ausschließlich damit verbracht, auf meinem Teppich zu sitzen, Eis zu essen und das Internet nach allen möglichen Fynns in Kanada abzusuchen. Doch so groß und voll an Informationen das Netzwerk auch war, wir fanden keinen einzigen Hinweis, der uns ihm auch nur ein Stückchen näherbrachte.

„Vielleicht", begann Jenna ganz vorsichtig, als müsse sie mir gerade schonend beibringen, dass mein Lieblingskuscheltier leider im Müll gelandet war „solltest du die Suche aufgeben. Er möchte doch gar nicht gefunden werden und Kanada ist dermaßen groß, dass die Chance, Fynn zu finden, beinahe Null ist."

„Ich weiß sehr wohl, dass Kanada geradezu riesig ist. Aber allein durch die Zeitzone können wir es doch schon auf eine sehr viel kleinere Fläche eingrenzen. Kommt schon, wir dürfen nicht aufgeben!", bettelte ich mit großen Hundeaugen. Ein leicht genervtes Stöhnen entwich Jennas Kehle.

„Na gut, ich suche noch so lange mit dir weiter, bis unser Studium anfängt, okay? Aber danach werde ich, wirst du, keine Zeit mehr dafür haben! Jill, auch bei dir geht die Uni schon nächste Woche los! Die kannst du wegen dieser Suche nicht hängen lassen, ja? Dann musst du wohl oder übel aufgeben und es akzeptieren, dass du dein bestes gegeben hast. Also bitte, versprich mir, dass du dann nach vorn schauen wirst." Jenna flehte mich regelrecht an und mir war klar, dass sie nichts anderes als ein ‚ja' akzeptieren würde.

„Okay", versprach ich ihr mit hängenden Schultern. Der Kummer lag mir wie ein schwerer Stein in Magen und zog meinen Körper kraftvoll hinunter. Fynns Abwesenheit ließ mich nach wie vor elendig und einsam fühlen und doch war mir klar, dass Jenna Recht hatte. Uns würden irgendwann die Möglichkeiten ausgehen und die Chance, ihn zu finden, schrumpfte mit jedem Tag.

„Also, irgendwelche Ideen, wie wir weiter vorgehen könnten?", fragte Chrissy in die Runde und hielt einen Kugelschreiber bereit zum Schreiben.

„Jill, kannst du wenigstens sein Äußeres beschreiben?", fragte Jenna nachdenklich.

„Na ja, sein Aussehen in der Traumwelt war nicht sein aktuelles. Jedoch meinte er, dass es seinem sehr nahe kommt. Vielleicht sah er vor sechs Jahren ungefähr so aus", sprach ich meine Vermutung aus und kramte eine meiner Mappen hervor, in welcher ich die gemalten Bilder unserer Träume aufbewahrte.

„Hier, schaut", sagte ich und reichte meinen Freundinnen den großen Stapel an Blättern.

„Vielleicht solltest du die Bilder veröffentlichen. Möglicherweise stößt jemand, der Fynn noch aus der Schulzeit kennt, darauf und kann uns zu ihm führen."

„Oder du gehst gleich damit zum Radio oder ins Fernsehen", baute Chrissy Jennas Idee weiter aus und blickte uns dabei völlig begeistert von ihrem Vorschlag an. Doch ich glaubte nicht daran, dass ich es soweit schaffen könnte.

Die nächsten Stunden nutzten wir, um mir erst einmal in jeglichen sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Co ein Profil zu erstellen und all die gemalten Kunstwerke nacheinander abzufotografieren und hochzuladen. In der Profilbeschreibung klärten wir darüber auf, dass ich den kanadischen Mann aus meinen Träumen suchte und gaben eine Email-Adresse an, damit andere mit mir Kontakt aufnehmen konnten.

Wir teilten dies mit all unseren Freunden und baten sie, es ebenfalls an ihre Freunde weiterzuleiten, sodass wir eine kleine Lawine auslösten. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich nichts weiter als Warten.

Immer wieder suchten meine Hände in den folgenden Tagen nach meinem Handy, um nachzusehen, ob ich bereits eine Nachricht bekommen hatte. Voller Zuversicht konnte ich bereits in den ersten Stunden den Anstieg der Abonnenten verfolgen. Meine Bilder schienen bei ihnen wahnsinnig gut anzukommen und gaben mir damit das gute Gefühl, dass das Kunststudium genau das Richtige für mich war.

Doch neben den unzähligen positiven Kommentaren, welche mein Talent lobten oder mir viel Glück bei der Suche wünschten, gab es auch Unmengen an negativen Aussagen. Neben „Wahrscheinlich ist der Typ nur ausgedacht", „Das Weib hat einfach zu viel Fantasie. Den Mann gibt es doch gar nicht" und „Du bist doch verrückt. Glaubst wohl, dass deine Träume ganz märchenhaft wahr werden ... wie lächerlich und naiv" gab es auch unzählige Kommentare wie „Wenn du ihn nicht findest, kannst du ja gerne mit mir zusammenkommen" oder „Hier, ich bin dieser Mann, nach dem du suchst. Gibst du mir deine Nummer?".

Anfangs hatte ich mir all diese Aussagen noch zu Herzen genommen, hatte mich unter deren Kommentaren versucht zu verteidigen und ihnen Paroli zu bieten. Doch dies war nur verschwendete Mühe und Lebenszeit, weshalb ich davon lieber wieder die Finger ließ.

Stattdessen ging ich nur noch auf ernst gemeinte Antworten ein, welche sich leider bisher immer als Fehlanzeige herausstellten. Jedoch fühlte ich mich nicht mehr so hilflos, da ich der ganzen Welt die Möglichkeit gegeben hatte, mir bei der Suche zu helfen. Sollte jetzt noch keiner der Abonnenten Fynn erkennen, könnte es jedoch gut sein, dass es in zwei Monaten, einem Jahr oder vielleicht auch erst in fünf Jahren so weit sein würde.

Aber ganz egal, wie lange es dauern würde, ich musste nicht komplett aufgeben, sondern hatte stets den Gedanken im Hinterkopf, dass ich Fynn doch noch finden könnte. Dieser hoffnungsvolle Gedanke und auch das Versprechen, welches ich Jenna gegeben hatte, motivierten mich, in meinem Studium nun voll und ganz durchzustarten.

Ich zog mit den nötigsten Sachen in ein Studentenwohnheim, besuchte regelmäßig meine Kurse und genoss das Leben, auch wenn Fynn nicht mehr daran teilhaben konnte. Oft erwischte ich mich dabei, dass ich mein Erlebtes gedanklich kommentierte und erzählte, ganz so, als würde er mir noch immer zuhören können. Ein kleines bisschen gab es mir das Gefühl, er wäre noch nicht fort, als könnte ich selbst jetzt noch all meine Gedanken und Sorgen jemandem in Ruhe anvertrauen.

Doch diesmal gab es keine Person, die mir antworten konnte. Stattdessen herrschte nur diese unerträgliche Stille in meinem Kopf.

 Stattdessen herrschte nur diese unerträgliche Stille in meinem Kopf

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