„Wow, du siehst aus wie ein Engel", schwärmte meine Mum, als ich mit meinen beiden Freundinnen die Treppen hinab in den Flur stieg.
„Wohl eher wie ein Senffleck in der Landschaft", merkte mein überaus liebenswerter Bruder an, was ihm sogleich einen Seitenknuff von Chrissy einbrachte.
„Jill sieht wunderschön aus und gelb steht ihr perfekt", klärte sie Henry auf, welcher sich sein freches Grinsen weiterhin nicht verkneifen konnte.
„Los, stellt euch zusammen, damit ich ein Foto machen kann", rief Mum aufgeregt und hielt bereits ihr Handy in der Hand.
„Wieso darf ich eigentlich nicht mit drauf?", fragte Henry gespielt beleidigt und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Weil du deinen Abschluss schon längst in der Tasche hast. Heute Abend geht es nur um Jenna, Chrissy und mich. Also bleib ja aus dem Sichtfeld der Kamera", antwortete ich ihm, ohne meinen Blick von der Kamera zu wenden.
„Dir ist aber schon klar, dass ich auch mit auf den Ball gehe und in diesem Anzug hier sogar besser als James Bond aussehe?", fügte er noch hinzu, was ich lediglich mit einem Augenverdrehen quittierte.
„Du gehst aber nur als Begleitung hin. Du bist kein Ehrengast wie wir."
„Ach Kinder, jetzt hört auf, euch zu streiten. Los Henry, jetzt darfst du auch mit aufs Bild", schlichtete Mum und schob meinen älteren Bruder neben Chrissy, sodass er ebenfalls von der Kamera eingefangen werden konnte. Lächelnd blickten wir vier geradeaus und wurden einige Fotos später von der Klingel unterbrochen.
„Das muss Sam mit dem Auto sein", sagte ich und löste mich von den anderen.
„Na dann, habt viel Spaß und stellt keinen Unfug an. Henry, du passt gut auf, okay?", sagte Dad in strengem Ton, welcher allerdings nicht allzu ernst zu nehmen war. Lächelnd winkten uns unsere Eltern hinterher, als wir gemeinsam hinaustraten und Sam begrüßten, welcher in seinem dunklen Anzug und mit der dunkelroten Fliege ziemlich gut aussah.
Ein letztes Mal stiegen wir gemeinsam in sein Auto hinein und fuhren zur Schule, welche bald nur noch als Schatten in unserer Erinnerung existieren würde. Der Parkplatz war randvoll mit Autos und Menschen in Anzügen und festlichen Kleidern. Staunend betrachteten wir unsere Mitschüler, welche sich genauso sehr herausgeputzt hatten wie wir und mit welchen wir heute Abend das Ende unserer Schulzeit feiern würden. Überall wurde gelacht, sich umarmt und Komplimente verteilt.
„Los, kommt schon. Lasst uns rein gehen", rief Chrissy aufgeregt und schleifte Henry hinter sich her. Da sie keine Begleitung hatte finden können, hatte sich mein Bruder netterweise zur Verfügung gestellt. Natürlich war mir klar, dass es sich dabei nicht um eine Tat der Höflichkeit handelte, sondern dass sein verliebtes Herz ihn dazu gedrängt hatte.
Zwar hatten wir seit Monaten nicht mehr über seine Gefühle gesprochen, doch so wie er meine Freundin ein jedes Mal anschaute, war absolut klar, was er nach wie vor für sie empfand. Das einzige, was sich geändert hatte, war, dass er sie nun sehr viel offensichtlicher anschaute. Er schien seine Gefühle nicht mehr zu verdrängen oder zu verstecken.
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In Gedanken bei dir
RomanceJill Campbell führt das normale Leben einer Sechzehnjährigen: Sie hat eine Familie, die sie liebt. Zwei beste Freundinnen, die für sie durchs Feuer gehen würden. Und zu dem noch den beliebtesten Jungen der Schule als Freund. Doch ihr Leben w...