27 | old ruins

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JULIA

Meine beste Freundin hatte eine wirkliche Glückssträhne, als ich sie vor ein paar Stunden bat, mir Klamotten von sich auszuleihen. Das cremefarbene, langärmelige Shirt schmiegte sich eng an meine Haut und entblößte einen kleinen Spalt meines Bauches. Der Ausschnitt war eckig und gewagter, als ich es gewohnt war. Die helle Jeans fühlte sich wie eine zweite Hautschicht an.

Tamara trug eine dunkelrote Jeans mit schwarzem, ärmellosen Top und Ohrringen, die fast ihre Schultern berührten, da sie so lang waren.

Gegen 20 Uhr kamen wir endlich unserem Ziel näher. Dieser Ort war sonst unheimlich magisch, mit einer Atmosphäre, wie sie nur in Büchern beschrieben wurde. Wind wehte durch die dichten Blätter der Bäume, die alle rund um uns herum gedeihten. Glühwürmchen flogen fröhlich in der Dämmerung umher.

In den Tiefen des Waldes befanden sich die alten Ruinen. Großflächig verteilten sich die bröckligen Reste von einer Kirche und anderen Gebäuden. Schon aus der Ferne erkannte man sie, da ein beeindruckendes, großes Lagerfeuer zwischen den Trümmerresten brannte. Drumherum eine Menge von Teenagern, die entweder zur Musik tanzten, Alkohol aus roten Plastikbechern tranken oder mit dem Mund eines anderen verschmilzten.

Sie standen also entweder dort, etwas weiter bis zwischen die Bäume verteilt, oder auch an dem See, der sich mit den Jahren selbst Platz verschaffte.

Dieser Ort war noch nie Denkmal geschützt oder der gleichen. Unsere Stadt kümmerte sich nicht um dieses verlassene Plätzchen. Mein Dad erzählte mir früher, dass er ganz oft hierher kam und sich hier entweder ausgeruht oder sogar trainiert hatte. Mit Grace besuchte ich die alten Ruinen auch mal. Dabei fühlte ich mich höchstpersönlich wie in meinem eigenen Jane-Austen-Roman.

»Woah«, schwärmte Tamara zurückhaltend mit Blick auf den freien Himmel über dem Lagerfeuer. Die Sterne leuchteten heute besonders hell über unseren Köpfen.

In der Nähe des Lagerfeuers waren die riesigen Musikboxen aufgestellt. Aus ihnen dröhnte typische Party-Musik. Je näher wir kamen, umso mehr bewegte sich Tamaras Körper zum Beat des Songs.

»Wie sollen wir uns jetzt verhalten?«, fragte ich und knetete nervös meine Hände.

»Einfach unter die Leute mischen.« Tamara zuckte lässig mit den Achseln und steuerte direkt zu einem Bierfass. Ich ging ihr hinterher, hielt aber Abstand. Im Gegensatz zu mir (und Sean), war sie natürlich viel erfahrener was diese Tätigkeiten angingen. Diese, sowohl unsere letzte Party, war nicht ihre erste.

»Siehst du jemanden, den du kennst?«, fragte ich. Meine Augen schweiften über die vielen Teenager.

»Zum Beispiel?«, hakte sie nach, als wüsste sie längst, dass ich nach jemand ganz besonderem suchen würde.

Lee, sagte die leise Stimme in meinem Kopf, traute sich allerdings nicht, es laut auszusprechen. Ich schluckte. »Einfach Personen, denen wir Hi sagen könnten, oder so.«

Tamara drehte sich mit einem roten Plastikbecher um. »Willst du trinken?« Sie sah mich an und hob den Becher an ihre Lippen. Sonst fragte sie mich nie, da meine Antwort meistens nein lautete. Bei der Trent-Party sagte ich ausnahmsweise zu, obwohl ich nie trank. Das erste Mal, dass ich ein Bier getrunken hatte, war allerdings nicht auf dieser Party. Das geschah zwei Jahre zuvor.

»Nein«, schüttelte ich Tamaras Frage ab. Sie nickte verständnisvoll.

Ich sah mich noch ein wenig weiter um, auf der Suche nach Lee oder auch Samuel. Diesen dachte ich erkannt zu haben, doch es stellte sich schnell raus, dass es Kieth war. Er redete in diesem Moment mit einem Rotschopf – Trevor, wenn mich nicht alles täuschte. Der Trevor, mit dem Tamara damals auf der Party der Zwillinge getanzt hatte.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt