52 | sneaky heart

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JULIA

»Sie wird gut enden. Aber nicht einwandfrei.«

Ich schluckte. »Woher willst du das so genau wissen? Sprechen du und die Sterne eine eigene Sprache miteinander?« Ich unterdrückte ein Kichern.

»Sterne lügen nicht, Goldie. Sterne lügen nie. Ich spüre es einfach.« Er ließ sich Zeit, bis er weiter sprach. »Weißt du, auch wenn ich damals meine gesamte Kindheit und Jugend draußen auf den kalten Straßen von Pittsburgh verbracht hatte, verbrachte ich einen anderen, heimlichen Teil umgeben von Theorien über Wurmlöcher, Abbildungen von Sternbildern und Romanen über das Weltall oder ... Romantik.«

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihm das letzte Wort nur so rausgerutscht war ...

»Wenn dich das so interessiert hat, warum hast du dann nie etwas in dieser Richtung versucht zu erreichen? Du hättest Physik studieren und dann als Physiker groß raus kommen können! Was hat dich aufgehalten?«

Sein Körper wurde steif wie ein Brett. Sein Gesichtsausdruck so dunkel wie der Himmel über uns. »Es war eine kindliche Schwärmerei«, knurrte er. »Es war unausweichlich, dass aus mir nichts werden wird. Sieh mich doch an!« Er deutete auf seinen Körper. »Du kennst nicht das Viertel, in dem ich groß geworden bin, Goldie. Die Southside von Pittsburgh ist ein Rattenloch. Dort musste man für's überleben kämpfen. Ich hatte niemanden, der mich unterstützte. Ich wurde tagtäglich nur mit Verachtung empfangen. Egal wo.«

Die Wärme, die sich zuvor in meinem Körper speicherte, verschwand schlagartig.

»Für mich gab es keine Chancen. So war es wahrscheinlich besser. Mein Hobby blieb stets dezent. Wie sagt man? Weniger ist mehr. Ich brauchte bloß ein paar Schnipsel, die mich am Leben hielten. Es ist nicht einmal meine Schuld, dass ich jetzt so sehr davon besessen bin, die Sterne zu analysieren oder einen romantischen Roman nach dem anderen zu lesen, nur um zu schauen, ob meine Mutter recht hatte!«

Mutter?

War das etwa das zweite riesige Verplappern?

»Was ... was war denn mit deiner Mutter?«, krächzte ich nervös.

Sein Gesicht wurde aschfahl. Dass ich das sogar trotz des wenigen Lichtes erkennen konnte, bereitete mir Sorgen. Zitternd atmete er ein und aus. »Julia«, flehte er. Unter anderen Umständen würde ich den Klang meines Namens aus seinem Mund bitterlich schön finden, aber gerade jagte er mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken.

»Ich verstehe«, kam ich ihm zuvor. »Wir reden nicht über deine Familie oder ... deine Vergangenheit. Ich habe es verstanden.«

Er schien erleichtert zu sein. Ungemein erleichtert. Wenn er nicht Naveen gewesen wäre, hätte er mir bestimmt sogar gedankt. »Ich kann nicht fassen, dass du das jetzt über mich weißt ...«, wisperte er resigniert.

Dass die tiefgründige Astronomie oder Romane eine Verbindung zwischen dir und deiner Mutter sind?, dachte ich. »Dass du Sterne vergötterst?«, sagte ich stellvertretend.

Trocken lachte er. »Ja. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Goldie.«

Ich stellte mich, für unsere Verhältnisse, nah vor ihn und legte den Kopf ein wenig in meinen Nacken. »Es war schön, dass du mir etwas über dich erzählt hast. Ich finde das geschieht zu selten. Ich habe dein Schweigen gerade akzeptiert und Puff, plötzlich stellt sich sowas raus. Du bist unberechenbar, Naveen. Immer offen für Überraschungen.« Die letzten zwei Sätze flüsterte ich.

»Ich hasse Überraschungen«, entgegneter er leise. »Davon habe ich heute eine Menge erlebt.«

»Zum Beispiel?« Keine Ahnung, warum wir auf einmal so vorsichtig und in gemäßigter Lautstärke redeten.

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt